Aktenzeichen 9 ZB 19.31342
Leitsatz
Verletzt ein Asylbewerber seine Pflicht, während der Dauer des Asylverfahrens dem angerufenen Gericht jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen, kann dies Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis begründen und damit ein hinreichender Anlass für eine Betreibensaufforderung sein. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 6 K 18.32019 2019-02-20 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Februar 2019 ist wirkungslos.
III. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … … für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe
1. Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung von § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 VwGO durch die Berichterstatterin einzustellen, weil die Klage nach § 81 Satz 1 AsylG als zurückgenommen gilt. Diese Bestimmung ist auch im Rechtsmittelverfahren anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2018 – 8 ZB 18.30470 – juris Rn.1 m.w.N.). Entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO ist das Urteil des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären.
Die Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme gemäß § 81 Satz 1 AsylG sind gegeben, weil die Klägerin die ihrem Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 29. Mai 2019 zugestellte gerichtliche Aufforderung vom 24. Mai 2019, ihre Anschrift mitzuteilen, länger als einen Monat nicht beantwortet hat. Nachdem die Klägerin laut Mitteilung der Regierung von Schwaben seit dem 1. Mai 2019 als untergetaucht gilt und damit ihre prozessuale Mitwirkungspflicht verletzt, während der Dauer des Asylverfahrens dem angerufenen Gericht jeden Wechsel ihrer Anschrift unverzüglich anzuzeigen (§ 10 Abs. 1 AsylG), bestanden Zweifel an ihrem Rechtsschutzbedürfnis und damit ein hinreichender Anlass für die Betreibensaufforderung. Diese enthielt auch die nach § 81 Satz 3 AsylG erforderliche Belehrung über die Folgen des Nichtbetreibens.
Die Einwilligung der Beklagten ist für die Annahme der Rücknahmefiktion nicht erforderlich, weil § 81 AsylG insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 2 VwGO darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.2018 a.a.O. Rn. 4 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Satz 2, § 83b AsylG.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Klägerin bis zur fiktiven Klagerücknahme nach § 81 Satz 1 AsylG die nach § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben hat. Die Angabe ihres Bevollmächtigten, dass die Klägerin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehe und über anderes einsetzbares Vermögen und Einkommen nicht verfüge, genügt insoweit nicht (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2015 – 21 ZB 15.30210 – juris Rn. 2). Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war somit bis zur Beendigung des Verfahrens noch nicht entscheidungsreif (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 27; Zimmermann-Kreher in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2019, § 166 Rn. 48).
Das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gerichtsgebührenfrei. Die im Prozesskostenhilfeverfahren entstandenen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).