Arbeitsrecht

Fortbestand des Handelsvertreterverhältnisses auch bei angekündigter Einstellung des aktiven Tagesgeschäfts

Aktenzeichen  1 HK O 1833/14

Datum:
13.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB HGB § 84, § 86, § 87c Abs. 2

 

Leitsatz

1. Erklärt der Handelsvertreter gegenüber dem Unternehmer, dass er das aktive Tagesgeschäft einstelle, seine Kunden und die akquirierten Kontakte aber weiter bearbeiten wolle, und sperrt der Unternehmer daraufhin den Zugang des Handelsvertreters zu einer vom Unternehmen genutzten Plattform bei Umleitung des Email-Accounts des Handelsvertreters auf den Unternehmer, führt dies nicht zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses. (redaktioneller Leitsatz)
2. Vereinbaren die Parteien für den Aufbau des Betriebes des Handelsvertreters für einen Zeitraum von 9 Monaten die Zahlung eines monatlichen verlorenen Zuschusses durch den Unternehmer und wird dieser Zuschuss – ohne ausdrückliche Absprache – anschließend für insgesamt 25 Monate weiterbezahlt, führt dies nicht dazu, dass für die weitere Zukunft ein Anspruch auf diesen Zuschuss entsteht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug über sämtliche Geschäfte, die zwischen der Beklagten und den Kunden nach der Anlage K L neu und K P seit dem 01.01.2011 zustande gekommen sind, sowie angebahnt oder ausgeführt wurden, hätten ausgeführt werden müssen zu erteilen, wobei der Buchauszug Auskunft über die folgenden Punkte zu geben hat:
1. Auftragsdatum und Auftragsnummer
2. Auftragsumfang mit Angabe der Warenart und Warenmenge (ggf. mit Artikelnummer), Stückpreise und Auftragswert
3. Einkaufspreis und Verkaufspreis der jeweiligen Ware
4. Datum, Nummer und Umfang der Auftragsbestätigung mit Angabe der Warenart und Warenmenge (ggf. mit Artikelnummer)
5. Datum und Umfang der Lieferung, bzw. Teillieferungen
6. Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag
7. Kunden mit genauer Anschrift (evtl. Kundennummer)
8. Höhe und Datum der Zahlungseingänge
9. Stadium der Ausführung der Geschäfte
10. Annulierungen, Nichtauslieferungen und Stornierungen nebst Angaben von Gründen
11. Retouren nebst Angaben von Gründen
2. Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger die Zahlung einer Provisionsvorauszahlung in Höhe von 45.000,- EUR geltend macht.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist derzeit hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges (§ 87 c Abs. 2 HGB) begründet.
Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung einer Vertriebsaufbaupauschale von brutto 47.600,- EUR ist die Klage unbegründet, da dieser Anspruch nicht besteht.
1. Zwischen den Parteien besteht ein Handelsvertreterverhältnis. Der Kläger ist aufgrund der Vereinbarung zwischen den Parteien seit 16.10.2010 als Handelsvertreter für die Beklagte tätig (§ 84 HGB).
Der Handelsvertreter hat grundsätzlich einen Anspruch auf einen Buchauszug gem. § 87 c Abs. 2 HGB. Dieser Anspruch des Klägers ist aufgrund seines Verhaltens nicht entfallen. Das Handelsvertreterverhältnis zwischen den Parteien wurde von keiner Seite ausdrücklich beendet. Das Schreiben des Klägers vom 15.11.2011 kann seinem Wortlaut nach nicht als eine Kündigung des Vertragsverhältnisses angesehen werden. Der Kläger kündigt zwar in diesem Schreiben an, dass er seine Verpflichtungen als Handelsvertreter nicht mehr vollumfänglich nachkommen wolle.
Der Handelsvertreter ist zwar nach § 86 HGB verpflichtet, sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften zu bemühen. Hiervon abweichende Regelungen könnten vertraglich vereinbart werden. Der Vorschlag, den der Kläger in dem genannten Schreiben machte, entspricht nicht dem gesetzlichen Bild des Handelsvertreters. Dieser hat grundsätzlich die Pflicht, sich um die Vermittlung zu bemühen; er ist ständig hiermit betraut und muss sich um die Erfüllung des Auftrages bemühen. Dies ist seine eigentliche Aufgabe und Hauptpflicht. Eine nur gelegentliche Tätigkeit reicht hierfür nicht (vgl. Hopt, Rd.Nr. 12 zu § 86 HGB).
Der Vorschlag des Klägers entspricht daher nicht dem gesetzllichen Leitbild eines Handelsvertreters. Die Beklagte war nicht verpflichtet, auf einen solchen Vorschlag einzugehen. Die Erklärungen des Klägers sind allerdings auch nicht als Kündigung des Vertragsverhältnisses anzusehen. Eine ausdrückliche Erklärung erfolgte nicht. Der Kläger war, wenn auch nur sporadisch, auch weiterhin für die Beklagte tätig.
Auch seitens der Beklagten erfolgte keine Kündigung des Vertragsverhältnisses. Die Beklagte geht nach ihrem Sachvortrag selbst davon aus, dass durch sie eine Kündigung nicht ausgesprochen wurde. Auch die Sperrung des xZugangs sowie die Umleitung des Email-Accounts soll nach Ansicht der Beklagten keine Kündigung darstellen. Ob das Verhalten des Klägers eine Kündigung durch die Beklagte gerechtfertigt hätte kann dahingestellt bleiben da eine solche gerade nicht erfolgt ist.
Das Vertragsverhältnis war somit nicht beendet. Der bloße Umstand, dass der Kläger seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr vollumfänglich nachgekommen ist, führt nicht zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dies hat zur Folge, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges hat. Hieraus folgt noch nicht, dass dem Kläger auch tatsächlich Provisionsansprüche zustehen. Ob dies der Fall ist, bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertriebsaufbaupauschale in Höhe von 40.000,- EUR netto = 47.600,- EUR brutto.
Die Zahlung einer solchen Pauschale war zwischen der Beklagten und dem Kläger vereinbart, allerdings zeitlich beschränkt. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen F., der bis 2010 Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten war. Er hat angegeben, dass zur Unterstützung für den Aufbau des Betriebes des Klägers für 6 bis 9 Monate 1.000,- EUR geleistet werden sollten und zwar in Form eines verlorenen Zuschusses. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Beträge nur für 6 bis 9 Monate bezahlt werden sollten. Er habe die Zahlung dann nicht eingestellt, er habe den Kläger weiterhin unterstützen wollen. Explizit sei darüber nichts gesprochen worden, das sei so gelaufen. Nachdem er gesehen habe, dass es für den Kläger zum Leben nicht reiche, habe er eben weiter bezahlt.
Das Gericht folgt den Angaben des Zeugen F.. Die Aussage des Zeugen war glaubwürdig, Anhaltspunkte für eine Falschaussage haben sich nicht ergeben. Der Zeuge war augenscheinlich bemüht zu erklären, warum er über den zunächst zugesagten Zeitraum hinaus weitere Zahlungen geleistet hat, hat jedoch bestätigt, dass hierüber keine weitere Vereinbarung geschlossen wurde.
Der Kläger hatte somit nach Ablauf der Frist von 9 Monaten keinen Anspruch auf eine weitere Vertriebsaufbaupauschale. Die Weiterzahlung über insgesamt 25 Monate führt nicht dazu, dass für die weitere Zukunft ein solcher Anspruch entstanden wäre. Eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien wurde hierüber nicht getroffen; der Kläger konnte daher auch nicht darauf vertrauen, dass diese Pauschale unbefristet weiter bezahlt wird. Im Übrigen würde der Anspruch des Klägers auch auf Grund seines Verhaltens entfallen. Der Kläger hat seine sich aus dem Handelsvertretervertrag ergebenden Pflichten nicht mehr erfüllt. Der Anspruch auf die Gegenleistung in Form der Vertriebspauschale würde dadurch entfallen.
Die Vertriebskostenpauschale steht nicht in Zusammenhang mit Provisionsansprüchen des Klägers. Diese sollte nicht auf Provisionen angerechnet werden. Über diese kann daher durch Teilurteil zu entscheiden werden.
3. Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Stufenklage für die weitere Stufe noch nicht entschieden, so dass eine Kostenentscheidung nicht veranlasst ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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