Arbeitsrecht

Für Rechtsstreitigkeiten aus einem Beratervertrag ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet

Aktenzeichen  7 W 1355/20

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37155
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a
BGB § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3c

 

Leitsatz

1. Beruft sich der Kläger zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs auf eine im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Parteien über den Abschluss eines Beratervertrages erfolgte Täuschung durch die Beklagte ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, insbesondere dann, wenn die Parteien übereinstimmend und zutreffend davon ausgehen, kein Arbeits-, sondern ein freies Dienstverhältnis begründet zu haben.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Macht der Kläger mit einem Hilfsantrag Schadensersatzansprüche aus einem an den Beratervertrag anschließend geschlossenen Anstellungsvertrag geltend, ist insoweit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. Dass der Kläger in einem Anstellungsvertrag als Chief Financial Officer und als Mitglied des „senior management team“ bezeichnet wird, bedeutet nicht, dass ihm eine Geschäftsführerposition oder zumindest eine geschäftsführerähnliche Position eingeräumt werden sollte.  (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

20 O 16319/19 2020-07-14 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 14.07.2020, Az. 20 O 16319/19, abgeändert.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist zulässig.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.921,23 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien schlossen am 01.04.2016 einen „Berater-Vertrag“ (Anl. K 9), mit dem dem Kläger als Auftragnehmer von der Beklagten als Auftraggeberin gemäß § 1 Abs. 1 u.a. der Auftrag erteilt wurde, das „komplette(…) Fund Raising-Package(…) inklusive aller notwendigen Anlagen“ zu erstellen, neue Investoren, insbesondere in Deutschland, der Schweiz und den USA anzusprechen, Verhandlungsoptionen mit potentiellen Neuinvestoren zu erarbeiten und zu verhandeln und Beteiligungsverträge mit Neuinvestoren zu verhandeln. Gemäß § 3 Abs. 2 bestimmt der Auftragnehmer den Ort und die Zeit der Tätigkeit nach seinem freien Ermessen unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Einzelauftrags. Als Vergütung erhielt der Kläger gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 „einen Monatssatz von € 5.000,- zuzüglich Mehrwertsteuer“. Darüber hinaus sah der „Berater-Vertrag“ einen Aufwendungsersatzanspruch des Klägers vor (§ 5 Abs. 1). Der „Berater-Vertrag“ war bis 31.07.2016 befristet (§ 3 Abs. 1 S. 1).
Am 22.09.2016 vereinbarten die Parteien in einer „Ergänzung zum Beratervertrag O. GmbH / T. L. vom 01.04.2016“ (Anl. K 10), dass „(d) er Satzteil in § 3, Absatz 1 „Der Coaching-Vertrag beginnt mit der Unterzeichnung und endet am 31. Juli 2016,…“ ersetzt (wird) durch den neuen Wortlaut „Der Coaching-Vertrag beginnt mit Unterzeichnung und endet am 31.12.2016,…“.
Mit weiteren „Ergänzungen zum Beratervertrag O. GmbH / T. L. vom 01.04.2016“ (Anl. K 10) vom 23.12.2016, 10.06.2017 und 02.02.2018 wurde der Berater-Vertrag vom 01.04.2016 sukzessive bis zuletzt zum 28.02.2018 verlängert.
Mit Schreiben der Beklagten vom 15.02.2018 (Anl. K 12) unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Beschäftigungsvertrages, in dem dem Kläger u.a. die Teilnahme an einem gerade in der Entwicklung befindlichen „Executive Bonus Plan“ in Aussicht gestellt wurde (As you know, Origenis is in the process of developping an executive bonus plan in line with similar plans in the industry that you will become part of.“).
Am 27.02.2018 schlossen die Parteien einen „Anstellungsvertrag“ laut Anl. K 13, wobei die Beklagte im Kopf des Vertrages als „Gesellschaft“ und der Kläger als „Arbeitnehmer“ bezeichnet wurde, der auszugsweise wie folgt lautete:
㤠1 РAufgabenbereich und Pflichten
(1) Herr L. wird von der Gesellschaft als Chief Financial Officer angestellt.
(2) Die Gesellschaft behält sich das Recht vor, dem Arbeitnehmer ohne Änderung seiner Bezüge auch andere oder zusätzliche Tätigkeiten zuzuweisen, die seinen Fähigkeiten und Vorkenntnissen entsprechen.
§ 2 – Arbeitszeit und Arbeitsort
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden entsprechend den betrieblichen Notwendigkeiten von der Gesellschaft festgelegt.
(2) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im Falle betrieblicher Notwendigkeit Mehr- oder Überarbeit im gesetzlich zulässigem Umfang zu leisten.
(3) Einsatzort des Arbeitnehmers ist M. bei München. Die Gesellschaft behält sich vor, den Arbeitnehmer im Rahmen des Zumutbaren an einen anderen Einsatzort zu versetzen, wenn dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist.
§ 4 – Bezüge
(1) Der Arbeitnehmer erhält ein jährliches Bruttogehalt i.H.v. EUR 200.000,- zahlbar in zwölf gleichen Monatsraten jeweils am Ende eines jeden Monats.
(2) Mit der Zahlung obiger Vergütung sind alle Tätigkeiten abgegolten, die der Arbeitnehmer aufgrund dieses Anstellungsvertrages für die Gesellschaft oder für mit der Gesellschaft verbundene Unternehmen zu erbringen hat. Insbesondere erfolgt keine Vergütung für geleistete Mehr- oder Überarbeit.
§ 5 – Sonstige Leistungen
Soweit die Gesellschaft dem Arbeitnehmer über die in diesem Vertrag genannten Leistungen hinaus zusätzliche Leistungen gewähren sollte, erfolgt dies freiwillig. Es besteht zwischen den Vertragsparteien Einverständnis darüber, dass die Gesellschaft solche freiwilligen Zusatzleistungen jederzeit widerrufen oder ändern kann und der Arbeitnehmer zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch hierauf erwirbt (…).
§ 12 – Vertragsdauer und Kündigung
(1) Dieser Vertrag tritt mit Wirkung vom 01.03.2018 in Kraft und wird auf unbefristete Zeit geschlossen.
(2) Die ersten sechs Monate der Tätigkeit gelten als Probezeit. Für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses sind die jeweils geltenden gesetzlichen Kündigungsfristen zu beachten. (…)“
Mit Schreiben vom 22.07.2019 (Anl. K 31) kündigte die Beklagte das „seit dem 01.03.2018 bestehende Arbeitsverhältnis mit der vereinbarten Kündigungsfrist von 3 Monaten, mithin mit Ablauf des 31.10.2019, hilfsweise zum rechtlich nächst möglichen Termin“ und stellte den Kläger unter Fortzahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung bis zum Vertragsende frei. Der Kläger hat die ordentliche Kündigung vom 22.07.2019 nicht angegriffen.
Der Kläger macht gegen die Beklagte auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzansprüche aus c.i.c., §§ 311 Abs. 2 i.V.m. 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB geltend und trägt zu deren Begründung vor, dass er bei der Beklagten auf deren dringendes Werben hin 2016 die Funktion des CFO übernommen habe. Die von der Beklagten, die sich zu diesem Zeitpunkt in Finanznot befunden habe, angebotene und vom Kläger im Berater-Vertrag vom 01.04.2016 akzeptierte Vergütung habe massiv unter Marktniveau gelegen, insbesondere angesichts Marktkompetenz und -bekanntheit des Klägers. Der Beklagtengeschäftsführer A. habe den Kläger um Hilfe bei der Kapitalbeschaffung für die Beklagte gebeten und dabei an seine langjährige Verbundenheit und Duz-Freundschaft mit dem Kläger appelliert. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen 2015/2016 habe A. ausdrücklich und wiederholt zugesagt, der Kläger werde künftig eine marktgerechte Vergütung erhalten. Die weiteren Geschäftsführer der Beklagten hätten diese Zusage A. wiederholt. Hierauf habe der Kläger vertraut. Dies auch deshalb, weil die auf Seiten der Beklagten um ihn werbenden Personen dem Kläger aufgrund gemeinsamer Tätigkeit für die M. AG in den Jahren 1998 bis 2004 gut bekannt gewesen seien. Im Vertrauen auf die Zusage künftiger marktgerechter Vergütung durch die Beklagte habe der Kläger die im Berater-Vertrag vom 01.04.2016 vereinbarte weit unter Marktniveau liegende Vergütung akzeptiert und die ihm zeitgleich mit dem Werben der Beklagten unterbreitete Offerte der O.C. GmbH, dort zu marktüblichen Konditionen tätig zu werden, abgelehnt. Parallel dazu hätten dem Kläger mehrere Headhunteranfragen zu Einsätzen als CFO bei anderen Unternehmen vorgelegen. Diese habe der Kläger im Vertrauen auf die Zusage der Beklagten auf eine künftige marktgerechte Vergütung ebenfalls abgelehnt.
Vor dem Hintergrund seiner erfolgreichen CFO-Tätigkeit für die Beklagte in den Jahren 2016 und 2017 habe der Kläger Ende 2017 den Geschäftsführer A. auf eine Neugestaltung der vertraglichen Zusammenarbeit angesprochen mit dem Ziel, sich der dem Kläger stets zugesagten marktgerechten Vergütung zumindest anzunähern. Die Beklagte habe dem Kläger daraufhin mit dem „Offer Letter“ vom 15.02.2018 laut Anl. K 12, den beide Parteien unterzeichnet hätten, einen Beschäftigungsvertrag angeboten, dessen Vergütungskonditionen für den Kläger wirtschaftlich günstiger gewesen seien als die des bisherigen Berater-Vertrages. Im Rahmen des daraufhin erfolgten Abschluss des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 laut Anl. K 13 hätten die Geschäftsführer der Beklagten auf den Hinweis des Klägers auf die weiterhin nicht dem Marktniveau entsprechende Vergütung des Klägers geantwortet, „das sei halt, was derzeit machbar sei, und der Kläger werde in Zukunft schon marktgerecht vergütet werden.“ Auf diese Zusage vertrauend sei der Kläger bei der Beklagten verblieben, obwohl er im Oktober 2018 von Headhuntern für das renommierte Biotech-Unternehmen M. AG angeworben worden sei.
Zur Rechtswegzuständigkeit trägt der Kläger vor, dass eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht gegeben sei, da der Kläger kein Arbeitnehmer sei. Zunächst sei er als freier Berater der Beklagten tätig geworden, die alles daran gesetzt habe, den Kläger nach außen als Mitglied der Geschäftsführung darzustellen. Daran habe sich auch im Jahr 2018 nichts geändert. Die nach den Berater-Verträgen bestehende Weisungsfreiheit des Klägers habe sich auch durch den Anstellungsvertrag vom 27.02.2018 nicht geändert.
Die Beklagte erwidert zur Rechtswegzuständigkeit, dass die vom Kläger behaupteten Ansprüche solche aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses seien bzw. Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stünden.
Im Übrigen behauptet sie, dass im Zusammenhang mit der Eingehung des Beratervertrages mit dem Kläger Vergütungsmodelle, wie sie dem Kläger nunmehr vorschweben würden, nicht diskutiert worden seien. Dazu habe auch keine Veranlassung bestanden, da die wirtschaftliche Krise der Beklagten bereits vor Beginn der Zusammenarbeit mit dem Kläger beendet gewesen sei (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 18.02.2020, S. 3, 5 und 8 – 9, Bl. 36, 38 und 40 – 41 d.A.).
Mit Beschluss vom 14.07.2020, Az. 20 O 16319/19, (Bl. 104/109 d.A.), dem Klägervertreter am 16.07.2020 zugestellt, erklärte das Landgericht München I den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht München. Denn die Parteien seien zuletzt durch ein Arbeitsverhältnis verbunden gewesen. Auf die Frage, ob der Kläger im Rahmen des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 weisungsgebunden gewesen sei, komme es nicht an, da die Parteien das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis bezeichnet hätten. Der Kläger sei auch nicht Geschäftsführer der Beklagten gewesen.
Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 28.07.2020 (Bl. 110/117 d.A.), eingegangen beim Landgericht am 28.07.2020, wendet sich der Kläger unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages aufgrund der fehlenden Weisungsgebundenheit gegen die Verweisung an das Arbeitsgericht München.
Mit Beschluss vom 21.09.2020 (Bl.124/126 d.A.) half das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht ab und ordnete die Vorlage an das Oberlandesgericht München an.
II.
Die nach § 17a Abs. 4 S. 2 GVG statthafte zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist auch begründet.
1. Für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 28.02.2018 beruft sich der Kläger zur Begründung seines auf §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs auf eine im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Parteien über den Abschluss des Berater-Vertrages vom 01.04.2016 erfolgte Täuschung durch die Beklagte über eine später erfolgende Anpassung der zunächst im Berater-Vertrag vom 01.04.2016 vereinbarten Vergütung des Klägers auf das marktübliche Niveau. Dieser Anspruch beruht damit allein auf Verhandlungen über die Eingehung des Berater-Vertrages vom 01.04.2016. Der Berater-Vertrag vom 01.04.2016 begründete jedoch, wovon auch die Parteien übereinstimmend und zutreffend ausgehen, kein Arbeits-, sondern ein freies Dienstverhältnis, da der Kläger als Auftragnehmer weisungsfrei handelte und insbesondere den Ort und die Zeit seiner Tätigkeit nach freiem Ermessen bestimmen konnte (§ 3 Abs. 2 Berater-Vertrag laut Anl. K 9).
Jedenfalls für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 28.02.2018 handelt es sich daher vorliegend keinesfalls – wie von § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG gefordert – um eine Rechtsstreitigkeit aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, sodass eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht besteht und die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Unerheblich ist insoweit, ob der Kläger zuletzt Arbeitnehmer war; entscheidend ist vielmehr nur, welches Rechtsverhältnis dem Streit zu Grunde liegt (vgl. Clemens in BeckOK Arbeitsrecht, 57. Edition, Stand 01.09.2020, Rdnr. 8 zu § 2 ArbGG m.w.N.).
2. Den Schadensersatzanspruch für den Zeitraum vom 01.03.2018 bis 31.10.2019 stützt der Kläger dagegen nicht nur auf die fortwirkende Täuschung über die spätere Anpassung der klägerischen Vergütung auf ein marktübliches Niveau anlässlich der Verhandlungen über den Abschluss des Berater-Vertrages vom 01.04.201, sondern zugleich auf eine erneute Täuschung durch die Beklagte über die Zusage einer weiteren Anpassung des klägerischen Gehalts über das nunmehr im Anstellungsvertrag vom 27.02.2018 vereinbarte Niveau hinaus. Der Kläger stellt insoweit sowohl auf sein Vertrauendürfen auf die „vorherigen“ Zusagen (gemeint die anlässlich des Abschlusses des Berater-Vertrages vom 01.04.2016 gemachten, vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.11.2019, S. 21 erster Absatz, Bl. 21 d.A.) als auch auf sein Vertrauendürfen auf im Rahmen der Vertragsverhandlungen im Vorfeld des Abschlusses des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 erfolgte neuerliche Zusagen (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.11.2019, S. 21 zweiter Absatz, Bl. 21 d.A.) ab. Damit beruht der klägerische Anspruch auf zwei alternativen Sachverhalten, sodass dementsprechend zwei Streitgegenstände vorliegen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 33. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 74 zu Einl.), die zur Bestimmung der Prüfungsreihenfolge durch das Gericht in ein Haupt- und Hilfsverhältnis zu stellen sind.
a. Da der Kläger im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2019 (S. 21 erster Absatz, Bl. 21 d.A.) zur Begründung seines Vergütungsanspruchs zunächst auf die „vorherigen“ Zusagen aus den Verhandlungen im Zuge des Abschlusses des Beratervertrages abstellt, ist davon auszugehen, dass es sich dabei um den Sachverhalt handelt, den der Kläger als Hauptantrag behandelt haben will. Dafür spricht auch, dass der Kläger ausweislich seiner Beschwerde an der Zuständigkeit des Landgerichts festhalten will, was – jedenfalls zunächst – nur möglich ist, wenn dem Hauptantrag die Verhandlungen vor Eingehung des Beratervertrages zu Grunde gelegt werden.
Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 01.03.2018 bis 31.10.2019 beruhen damit nicht auf dem Anstellungsvertrag vom 27.02.2018, sondern allein auf dem Berater-Vertrag vom 01.04.2016, der aber kein Arbeitsvertrag ist, sodass eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG nicht besteht. Vielmehr sind für den Hauptantrag zunächst gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig.
b. Erst wenn der Hauptantrag rechtskräftig abgewiesen ist, kommt der durch das alternative klägerische Abstellen auf die behaupteten Zusagen vor der Eingehung des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 gestellte Hilfsantrag zum Tragen und ist sodann insoweit vorab vom Landgericht über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden (vgl. BAG, Beschluss vom 03.12.2014 – 10 AZB 98/14, Rdnr. 19, Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 13a zu § 17a GVG; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage, München 2019, Rdnr. 17 zu § 260 ZPO aE).
Zulässiger Rechtsweg für den Hilfsantrag wäre der zu den Arbeitsgerichten. Denn hinsichtlich des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass es sich bei dem dadurch begründeten Vertragsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt und dies auch unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 25.01.2007 – 5 AZB 49/06 richtig begründet. Der dagegen mit der Beschwerde des Klägers vorgebrachte Einwand, die Ausführungen im Offer Letter laut Anl. K 12 seien mit der Weisungsgebundenheit nach § 1 Abs. 2 des Anstellungsvertrages nicht vereinbar, verfängt nicht. Denn ein solcher Widerspruch besteht schon nicht. Auch im Offer Letter ist vom Kläger als „Employee“ und von der Beklagten als „Employer“ die Rede, was ohne weiteres auf ein Arbeitsverhältnis schließen lässt. Dass der Kläger im Offer Letter in seiner Funktion als Chief Financial Officer als Mitglied des „senior management team“ bezeichnet wird, bedeutet in Anbetracht dessen nicht, dass ihm eine Geschäftsführerposition oder zumindest eine geschäftsführerähnliche Position eingeräumt werden sollte.
Damit liegt, soweit der Kläger seinen Anspruch hilfsweise auf eine Zusage der Beklagten anlässlich der Verhandlungen über den Abschluss des Anstellungsvertrages vom 27.02.2018 stützt, eine Rechtsstreitigkeit aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 c ArbGG vor.
Da es aber bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Hauptantrag auf den Hilfsantrag nicht ankommt, sind für den gesamten Rechtsstreit zunächst die ordentlichen Gerichte zuständig.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht die Kosten seines Anwalts selbst zu tragen hat, war der Beschwerdewert in Orientierung an den geschätzten Anwaltskosten des Beschwerdeführers im Hauptsacheverfahren festzusetzen (vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Auflage, Köln 2020, Rdnr. 20 zu § 17a GVG). Dabei wurde von dem mit Beschluss des Landgerichts 27.11.2019 festgesetzten Streitwert von 644.247,00 € ausgegangen.


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