Arbeitsrecht

Hochschullehrer – Anspruch auf beamtengleiche Versorgung

Aktenzeichen  3 AZR 611/10

Datum:
11.12.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Art 33 Abs 4 GG
Art 33 Abs 5 GG
Art 21 Abs 1 EUGrdRCh
Art 51 Abs 1 EUGrdRCh
Art 1 EGRL 78/2000
Art 2 Abs 1 EGRL 78/2000
§ 1 AGG
§ 7 Abs 1 AGG
§ 10 AGG
§ 4 AAÜG
§ 559 Abs 1 S 1 ZPO
§ 3 Buchst g BAT-O
§ 3 Buchst g BAT
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 17. Dezember 2008, Az: 4 Ca 1473/08, Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 19. Juli 2010, Az: 6 Sa 18/10, Urteilnachgehend BVerfG, 16. Januar 2017, Az: 1 BvR 861/13, Nichtannahmebeschluss

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 19. Juli 2010 – 6 Sa 18/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Zusatzversorgung an den Kläger verpflichtet ist. Hilfsweise begehrt der Kläger von dem Beklagten Schadensersatz aus Verletzung der Fürsorgepflicht.
2
Der am 9. Januar 1934 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR seit dem Jahr 1965 als Hochschulprofessor tätig. Nach Herstellung der Einheit Deutschlands wurde er von dem beklagten Freistaat bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1. Februar 2001 an der Hochschule für Architektur und Bauwesen W als sog. C4-Professor im Anstellungsverhältnis weiterbeschäftigt. Eine Ernennung zum Beamten erfolgte nicht, weil der Kläger das 55. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Der Dienstvertrag der Parteien vom 26. Januar 1993/1. Februar 1993 lautet:
        
„§ 1   
        
Herr Dr. L wird mit Wirkung vom 01. Februar 1993 auf unbestimmte Zeit als Professor im Angestelltenverhältnis gemäß § 50 Abs. 3 i.V.m. § 124 Abs. 5 ThürHG bei der Hochschule für Architektur und Bauwesen W weiterbeschäftigt.
        
Herrn Dr. L obliegt die Aufgabe, das Fach Entwerfen und Baukonstruktion in Lehre und Forschung angemessen zu vertreten.
        
Herr Dr. L ist berechtigt, für die Dauer des in Satz 1 genannten Dienstverhältnisses die Bezeichnung „Universitätsprofessor“ zu führen.
        
        
        
§ 2     
        
Das Dienstverhältnis wird vom Geltungsbereich des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT-O) nicht erfaßt. Soweit sich aus dem Dienstvertrag nichts anderes ergibt, finden die Vorschriften des BAT-O vom 10.12.1990 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dienstaufgaben und Rechtsstellung bestimmen sich nach den gesetzlichen Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung, insbesondere nach §§ 47, 50, 57 und 58 ThürHG.
        
        
        
§ 3     
        
Herr Dr. L erhält eine Vergütung in Höhe der Bezüge eines Beamten der Besoldungsgruppe C 4 Bundesbesoldungsordnung C (Anlage II zum Bundesbesoldungsgesetz).
        
Für die Berechnung des Besoldungsdienstalters gelten die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Thüringen in der jeweils geltenden Fassung.
        
        
        
§ 4     
        
Für den Umfang der zu übernehmenden Lehrverpflichtungen, hinsichtlich Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Erholungsurlaub, Sonderurlaub und Dienstbefreiung, Beihilfe sowie Nebentätigkeit gelten die beamtenrechtlichen Vorschriften des Landes Thüringen in der jeweils geltenden Fassung.
        
Herr Dr. L erhält in entsprechender Anwendung der für die Beamten des Landes Thüringen geltenden Bestimmungen eine jährliche Sonderzuwendung, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen.
        
        
        
§ 5     
        
Der Dienstvertrag kann abweichend von § 53 Abs. 2 BAT-O nur jeweils unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Semesterende gekündigt werden. Das Recht der außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt. Das Beschäftigungsverhältnis endet, abweichend von § 60 Abs. 1 BAT-O, mit Ablauf des letzten Monats des Semesters, in dem der Angestellte das 65. Lebensjahr vollendet hat, ohne daß es einer Kündigung bedarf.
        
        
        
§ 6     
        
Ein Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis wird durch diesen Dienstvertrag nicht begründet.
        
Mündliche Vereinbarungen über das Dienstverhältnis sind nichtig.
        
        
        
§ 7     
        
Das zwischen Herrn Dr. L und dem Land Thüringen bestehende Arbeitsverhältnis verliert mit Inkrafttreten dieses Dienstvertrages seine Gültigkeit.“
3
Der Kläger erhält von der BfA (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) seit dem 1. Februar 1999 eine monatliche Altersrente iHv. zunächst 3.148,00 DM (entspricht 1.574,00 Euro).
4
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm beginnend ab dem 1. Februar 2001 eine monatliche Zusatzversorgung in Höhe der Versorgungsbezüge eines verbeamteten C4-Professors abzüglich der BfA-Rente, hilfsweise eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die er von der VBL erhalten würde, wenn er für die Zeit vom 12. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 2001 bei der VBL versichert gewesen wäre. Zweitinstanzlich hat er zudem hilfsweise die Feststellung begehrt, dass der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstanden sei, dass es der Beklagte unterlassen habe, ihn bei Vertragsschluss am 21. Januar/1. Februar 1993 auf die bis zum 31. Dezember 1993 bestandene Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Zahlbetragsgarantie gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG hinzuweisen.
5
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung einer monatlichen Zusatzversorgung in Höhe der einem beamteten C4-Professor Ost zustehenden Versorgungsbezüge ergebe sich bereits aus dem Dienstvertrag vom 21. Januar 1993/1. Februar 1993. Er sei durch diesen Dienstvertrag auch hinsichtlich der Versorgung einem Beamten gleichgestellt worden. Dies folge jedenfalls aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Darüber hinaus rechtfertige sich der Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Es gebe keinen sachlichen Grund, ihn hinsichtlich der Versorgung schlechter zu behandeln als einen Professor im Beamtenverhältnis. Er habe die gleichen hoheitlichen Aufgaben wie seine verbeamteten Kollegen erfüllt und sei diesen von dem Beklagten in besoldungsrechtlicher Hinsicht ausdrücklich gleichgestellt worden. Durch die fehlende beamtenrechtliche Altersversorgung werde er wegen des Alters diskriminiert. Im Übrigen stehe Unionsrecht einer Differenzierung zwischen Beamten und Angestellten entgegen. Zumindest schulde ihm der Beklagte eine zusätzliche Versorgung, die er erhalten würde, wenn er in der Zeit vom 12. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 2001 bei der VBL versichert gewesen wäre.
6
Zudem habe der Beklagte seine Fürsorgepflicht verletzt, indem er es unterlassen habe, ihn über die bis zum 31. Dezember 1993 bestandene befristete Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Zahlbetragsgarantie gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG hinzuweisen. Wenn ihm ein entsprechender Hinweis erteilt worden wäre, hätte er zur Verbesserung seiner Versorgung geeignete Dispositionen getroffen.
7
Der Kläger hat in zweiter Instanz zuletzt beantragt
        
1.    
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm beginnend ab dem 1. Februar 2001 eine monatliche Zusatzversorgung in Höhe der Versorgungsbezüge eines verbeamteten C4-Professors Ost abzüglich der BfA-Rente Ost nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem ersten Kalendertag des Folgemonats zu zahlen,
        
2.    
hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, beginnend ab dem 1. Februar 2001 eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zu zahlen gewesen wäre, wenn der Kläger im Zeitraum ab dem 12. Oktober 1990 bis zum 31. Januar 2001 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert gewesen wäre, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem ersten Kalendertag des Folgemonats,
        
3.    
hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte dem Grunde nach dazu verpflichtet ist, ihm den Schaden aus der Verletzung der Fürsorgepflicht zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass es der Beklagte unterlassen hat, ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 21. Januar 1993/1. Februar 1993 über die bis 31. Dezember 1993 bestehende Befristung der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Zahlbetragsgarantie gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG hinzuweisen.
8
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger könne eine beamtenrechtliche Versorgung nicht verlangen. Er sei durch den Dienstvertrag versorgungsrechtlich mit einem beamteten Professor nicht gleichgestellt worden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Eine Gleichbehandlung zwischen Beamten und Angestellten scheide generell aus. Schließlich habe der Beklagte seine Fürsorgepflicht nicht verletzt. Ihn treffe bei Abschluss eines Arbeitsvertrags grundsätzlich nicht die Verpflichtung, von sich aus dem Arbeitnehmer Auskunft über die Höhe der von ihm zu erwartenden Rente zu erteilen. Zudem seien etwaige Ansprüche nach den tariflichen Ausschlussfristen des BAT-O verfallen und überdies verjährt.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, wobei er mit der Revisionsbegründung im Antrag zu 1. den Zeitpunkt, ab dem die Feststellung getroffen werden soll, auf den 1. Januar 2006 und im Antrag zu 2. auf den 1. Februar 2006 beschränkt hat und mit dem Antrag zu 3. lediglich die Feststellung verlangt hat „dass der Beklagte dem Grunde nach dazu verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden aus der Verletzung der Fürsorgepflicht zu ersetzen“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger die zuletzt beim Landesarbeitsgericht verfolgten Anträge gestellt und den Antrag zu 1. ergänzt um die Hilfsanträge festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm beginnend ab dem 1. Februar 2001 eine monatliche Zusatzversorgung in Höhe eines Drittels, hilfsweise eines Viertels der Versorgungsbezüge eines beamteten C4-Professors Ost, jeweils nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem 1. Kalendertag des Folgemonats, zu zahlen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.


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