Arbeitsrecht

Höhe einer Sozialplanabfindung – Einzelfallentscheidung

Aktenzeichen  1 AZR 130/14

Datum:
13.10.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:131015.U.1AZR130.14.0
Normen:
§ 112 Abs 1 S 3 BetrVG
§ 77 Abs 4 S 1 BetrVG
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Düsseldorf, 14. März 2013, Az: 6 Ca 357/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 13. November 2013, Az: 7 Sa 555/13, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2013 – 7 Sa 555/13 – insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. März 2013 – 6 Ca 357/13 – in dessen Ziffer 2. zurückgewiesen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts in seiner Ziffer 2. abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Revision der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass ein Zinsanspruch der Klägerin in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.800,00 Euro brutto erst seit dem 1. Februar 2013 besteht.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Berechnung einer Sozialplanleistung und die Erteilung einer Abrechnung.
2
Die am 6. Dezember 1956 geborene Klägerin war seit dem 1. Januar 1991 bei der Beklagten in deren Betriebsstätte in Düsseldorf beschäftigt. Bei der Beklagten ist der für diese Betriebsstätte zuständige Betriebsrat Region West gebildet. Mit diesem schloss die Beklagte, welche bis zum 11. September 2013 unter Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG (NSN) firmierte, am 13. August 2012 anlässlich einer Restrukturierungsmaßnahme einen Sozialplan (SP 2012). Dieser sieht den Übergang der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in die NSN Transfergesellschaft mbH (NSN TG) vor und lautet im Übrigen:
        
„…    
        
§ 7     
        
ABFINDUNG
        
(1)     
Alle vom Geltungsbereich dieses Sozialplanes erfassten Beschäftigten haben mit Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages (Zustimmung zum Eintritt in die beE) einen Anspruch auf eine aus dem individuellen Bruttomonatsentgelt errechnete Abfindung.
        
(2)     
Abfindung = Abfindungsbetrag X 0,7
           
        
        
Der errechnete Abfindungsbetrag wird mit dem Faktor 0,7 multipliziert. Der Faktor von 0,7 ergibt sich aus dem Angebot einer Transfergesellschaft mit den in § 5 des Sozialplans geregelten Konditionen.
        
        
Abfindungsbetrag =
        
        
        
Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre) x Bruttomonatseinkommen x Faktor
        
        
(2.1) Der Faktor ergibt sich aus Lebensalter und Dienstalter:
        
        
(dargestellt als Matrix)
        
        
Stichtag für die Ermittlung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit ist das Austrittsdatum aus NSN. Es gelten die bis zu diesem Zeitpunkt vollendeten Jahre.
        
        
Unter Bruttomonatseinkommen sind feste regelmäßige monatliche Einkommensbestandteile auf Basis der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit zu verstehen. Ausgenommen sind Teile, die Aufwandsersatz darstellen, Einmalzahlungen sowie Mehrarbeitsvergütungen.
        
        
Bei Mitarbeitern, die Anspruch auf ein Incentive gem. der NSN GBV 2011/18 haben, wird der Bruttomonatsverdienst zusätzlich um 1/12 der zu beanspruchenden Incentives (BRM=1,0, Zielerreichung 100%) erhöht.
        
        
(2.2) Zuschlag pro Kind: Mitarbeiter mit unterhaltsberechtigten Kindern erhalten zusätzlich zu der Abfindung für jedes unterhaltsberechtigte Kind einen Betrag von 2.500,00 € brutto. Maßgeblich sind die bei NSN zum 31.08.2012 aufgrund der Angaben auf der Lohnsteuerkarte bekannten oder bis dahin vom Mitarbeiter mitgeteilten und nachgewiesenen Unterhaltsberechtigungen. Alleinerziehende erhalten einen zusätzlichen Betrag von einmalig 5.000,00 € brutto.
        
        
Sofern beide Ehepartner betroffen sind, wird der Zuschlag nur einmal fällig.
        
        
(2.3) Zuschlag für Schwerbehinderte: Zum Zeitpunkt der Kündigung oder des Abschlusses eines dreiseitigen Vertrages schwerbehinderte Menschen sowie schwerbehinderten Menschen Gleichgestellte (gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX), erhalten bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises einen Zuschlag von 750,00 Euro brutto je 10 Grad der Behinderung.
        
        
(2.4) Mitarbeiter ab dem 35. bis zum 46. Lebensjahr erhalten zusätzlich einen Zuschlag in Höhe von 3.000,00 €; ab dem 47. Lebensjahr einen Zuschlag von 6.000,00 € brutto.
        
(3)     
Die Abfindung ist mit dem Ausscheiden aus der beE zur Zahlung fällig. Die Auszahlung erfolgt mit der Entgeltabrechnung im Monat nach dem Ausscheiden aus der beE.
        
(4)     
Beschäftigte können abweichend davon die Zahlung der Abfindung bereits mit Ausscheiden aus der NSN verlangen.
        
(5)     
Abfindungsansprüche sind nach dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen und vor Fälligkeit vererbbar, jedoch nicht abtretbar.
        
(6)     
Der Anspruch auf Abfindung und deren Fälligkeit ist in den dreiseitigen Vertrag aufzunehmen.
        
(7)     
Ein Anspruch auf Abfindung besteht nicht, wenn …“
3
Unter den Daten 23./24. August 2012 vereinbarten die Parteien und die NSN TG einen „dreiseitigen Vertrag“, nach dem das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Ablauf des 30. September 2012 endete und sie zum 1. Oktober 2012 in die NSN TG eintrat. Daraufhin ermittelte die Beklagte die Sozialplanleistung nach der Rechenoperation:
        
Anzahl der Beschäftigungsjahre (Dienstjahre) x Bruttomonatseinkommen x individueller (Matrix-)Faktor nach § 7 (2.1) SP = Abfindungsbetrag;
        
(Abfindungsbetrag + Zuschläge nach § 7 [2.2] bis [2.4] SP 2012) x 0,7 = Zahlbetrag.
4
Die Klägerin hat nach erfolgloser Geltendmachung mit einem der Beklagten vorab per Mail übersandten Schreiben vom 14. Dezember 2012 unter Fristsetzung für die Zahlung eines weiteren Betrags bis zum 24. Dezember 2012 die Differenz geltend gemacht, die sich ergibt, wenn bei der Bemessung der Abfindung zum einen – nach der Berechnung der Beklagten – die Zuschläge des § 7 (2.2) bis (2.4) SP 2012 mit dem Faktor 0,7 multipliziert werden und das zum anderen – nach der Berechnung der Klägerin – nicht der Fall ist. Weiter hat sie die Erteilung einer Abrechnung verlangt.
5
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.800,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2012 zu zahlen;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihr auf jede der vorgenannten Schuld erfolgende Zahlung eine Abrechnung zu erteilen.
6
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, ihre Berechnung der Sozialplanleistung folge zwingend aus der Regelungssystematik des Sozialplans.
7
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.


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