Arbeitsrecht

Institutioneller Rechtsmissbrauch – Kettenbefristung – 10 Jahre 4 Monate

Aktenzeichen  1 Ca 19/21

Datum:
27.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERA:2021:1027.1CA19.21.00
Normen:
§ 14 Abs 1 S 2 TzBfG
§ 14 Abs 2 TzBfG
Spruchkörper:
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Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 12.10.2016 nicht mit Ablauf des 31.12.2020 beendet worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 12.10.2016, in der Fassung des Änderungsvertrages vom 04.12.2019, zu unveränderten Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 80 Prozent und die Klägerin zu 20 Prozent zu tragen.
5. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 21.925,36 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihrer Arbeitsverträge.
Die am 24.10.1975 geborene Klägerin ist verheiratet und gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sie hat ein Studium der Literaturwissenschaften als Magistra Artium abgeschlossen.
Seit dem 18.08.2010 war die Klägerin bei der Beklagten als Teilzeitbeschäftigte mit 75 v. H. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten befristet eingestellt (so genanntes erstes oder großes Arbeitsverhältnis). Für dieses Arbeitsverhältnis erhält die Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 TV-L (aktuell Stufe 5). Die Befristung dieses Arbeitsverhältnisses wurde durch mehrere Arbeitsverträge verlängert. Der Umfang der Teilzeitbeschäftigung wurde durch mehrere Änderungsverträge abgeändert.
Seit dem 19.05.2014 ist die Klägerin in einem weiteren Arbeitsverhältnis als Teilzeitbeschäftigte mit 25 v. H. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten befristet eingestellt (so genanntes zweites oder kleines Arbeitsverhältnis). In diesem Arbeitsverhältnis war die Klägerin zunächst in die Entgeltgruppe 13 TV-L eingruppiert. Die Befristung wurde mit mehreren Arbeitsverträgen verlängert. Dabei wurde die Eingruppierung später in die Entgeltgruppe 12 TV-L und zuletzt in die Entgeltgruppe 11 TV-L verändert. Das Volumen der Teilzeitbeschäftigung wurde mit mehreren Änderungsverträgen geändert.
Die Entwicklung der Arbeitsverträge und ihrer Änderungsverträge gestaltete sich wie folgt:
Arbeitsvertrag 18.08.2010
TZ 75 % Befristung 23.08.10 – 31.12.10 = 4 M
Zweckbefristung/kalendermäßige Befristung
EGr 12 TV-L
§ 14 I 2. Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf
Selfassessment
Arbeitsvertrag 10.12.2010
TZ 75 % Befristung 01.01.11 – 31.12.11 = 1 J
Zweck-/Kalender
EGr 12 TV-L
§ 14 I 2 Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf
Selfassessment
Arbeitsvertrag 01.12.2011
TZ 75 % Befristung 01.01.12 – 30.06.13 = 1 J 6 M
Zweck-/Kalender
EGr 12 TV-L
§ 14 I 2 Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf
Selfassessment
Änderungsvertrag 12.04.2012 zum Arbeitsvertrag 01.12.2011
TZ 30 % ab 16.04.2012
Änderungsvertrag 28.11.2012 zum Arbeitsvertrag 01.12.2011
TZ 5 % ab 01.12.2012
Arbeitsvertrag 13.04.2012
TZ 50 % Befristung 16.04.12 – 31.12.16 = 4 J 8 M
Zweck-/Kalender
EGr 12 TV-L
§ 2 Abs. 2 S. 2 WissZeitVG
Finanzierung aus Drittmitteln für bestimmte  Aufgabe + Zeitdauer
Flexibilisierung individueller Studienverläufe
Änderungsvertrag 29.11.2012 zum Arbeitsvertrag 13.04.2012
TZ 75 % ab 01.12.2012
Änderungsvertrag 27.06.2013 zum Arbeitsvertrag 13.04.2012
TZ 80 % ab 01.07.2013
Änderungsvertrag 08.05.2014 zum Arbeitsvertrag 13.04.2012
TZ 60 % ab 19.05.2014
Arbeitsvertrag 09.05.2014
 TZ 25 % Befristung 19.05.14 – 31.12.14 = 7 M
Zweck-/Kalender
EGr 13 TV-L
§ 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG
Förderung der eigenen wiss Qualifizierung Timlng
Änderungsvertrag 15.04.2015 zum Arbeitsvertrag 13.04.2012
TZ 80 % ab 20.04.2015
Arbeitsvertrag 12.10.2016
TZ 75 % Befristung 01.01.17 – 31.12.20 = 4 J
Zweck-/Kalender
EGr 12 TV-L
§ 14 I 2 Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf  Flexibilisierung individueller Studienverläufe
Änderungsvertrag 25.10.2017 zum Arbeitsvertrag 12.10.2016
TZ 80 % ab 01.11.2017 – 31.12.2018 = 1 J 2 M
Änderungsvertrag 19.12.2018 zum Arbeitsvertrag 12.10.2016
TZ 80 % ab 01.01.2019 – 31.12.2019 = 1 J
Änderungsvertrag 04.12.2019 zum Arbeitsvertrag 12.10.2016
TZ 80 % ab 01.01.2020
Arbeitsvertrag 02.12.2014
TZ 5 % Befristung 01.01.15 – 31.12.15 = 1 J
Zweck-/Kalender
EGr 13 TV-L
§ 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG
eigene wiss Qualifizierung Timlng
Arbeitsvertrag 05.11.2015
 TZ 15 % Befristung 01.01.16 – 31.12.16 = 1 J
 Zweck-/Kalender
 EGr 12 TV-L
§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG  vorübergehender Bedarf Timlng
Arbeitsvertrag 18.01.2017
TZ 20 % Befristung 01.02.17 – 31.12.17 = 11 M
Zweck-/Kalender
EGr 12 TV-L
§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf Timlng
Arbeitsvertrag 31.01.2018
TZ 20 % Befristung 01.02.18 – 31.12.20 = 2 J 11 M
Zweck-/Kalender
EGr 11 TV-L
§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG vorübergehender Bedarf
Qualitätssicherung in Studium + Lehre
Das große und das kleine Arbeitsverhältnis waren somit zuletzt befristet bis 31.12.2020.
Mit Schreiben vom 02.08.2020 (Bl. 63 ff. d. A.) bat die Klägerin um Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Mit Schreiben vom 11.08.2020 (Bl. 67 d. A.) bat die Beklagte um etwas Geduld bezüglich der Antwort.
Mit E-Mails vom 01. und 07.10.2020 (Bl. 68 d. A.) bat die Klägerin um einen kurzfristigen Gesprächstermin bezüglich ihrer Bitte um Entfristung.
Es folgte eine anwaltliche Geltendmachung mit Schreiben vom 06.11.2020 (Bl. 70 f. d. A.).
Am 27.11.2020 fand in dieser Angelegenheit ein Gespräch statt, wegen dessen Teilnehmern und des Inhalts auf das von der Beklagten erstellte Protokoll (Bl. 72 f. d. A.) Bezug genommen wird.
Mit der Klage vom 19.01.2021, die am 20.01.2021 eingegangen ist, verfolgt die Klägerin die Entfristung ihrer beiden Arbeitsverträge und einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag.
Die Klägerin trägt vor, sie sei seit Beginn ihrer Tätigkeit ununterbrochen mit dem Auf-und Ausbau sowie der Vermarktung der Online Self-Assessments (Studienorientierungsphase) betraut gewesen. Daneben habe sie seit Mai 2014 das Seminar „TimING. Zeit- und Selbstmanagement für ingenieurwissenschaftliche Studierende im ersten Semester“ (Studieneingangsphase) betreut. Bei diesen beiden Tätigkeiten zusammengenommen handele es sich um eine Daueraufgabe der Studienberatung zur Qualitätsverbesserung des Studiums. Die Befristung ihrer Arbeitsverhältnisse sei rechtsunwirksam. Sie habe einen Anspruch auf Entfristung aus § 242 BGB, weil die fortgesetzten Befristungen sich nach der Rechtsprechung des BAG als institutioneller Rechtsmissbrauch darstellten. Die Beklagte habe auch gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB verstoßen. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei möglich gewesen und nur deshalb abgelehnt worden, weil die Klägerin ihre Entfristung angestrebt habe. Im Übrigen handele es sich bei ihr nicht um wissenschaftliches Personal im Sinne des WissZeitVG.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 12.10.2016 nicht mit Ablauf des 31.12.2020 beendet worden ist.
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung im Arbeitsvertrag vom 31.01.2018 nicht mit Ablauf des 31.12.2020 beendet worden ist.
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin entsprechend ihren Arbeitsverträgen vom 12.10.2016, in der Fassung des Änderungsvertrages vom 04.12.2019, sowie vom 31.01.2018 zu unveränderten Bedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Bestandsschutzanträge zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, bei den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten handele es sich nicht um eine Daueraufgabe, sondern um zeitlich begrenzte Zusatzaufgaben. Diese Zusatzaufgaben seien im Rahmen von zeitlich befristeten Projekten angefallenen, für die sich die Beklagte jeweils um Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beworben habe. Im Wesentlichen handele es sich um zwei aufeinander folgende geförderte Drittmittelprojekte. Bei dem ersten Projekt (Ausgangsprojekt) habe es sich gehandelt um das Projekt „Verbund: Entwicklung eines Programms zur Flexibilisierung individueller Studienverläufe und Förderung hochschultypübergreifender Lehrkooperationen; Teilvorhaben FH J.; Förderkennzeichen: 01PL12074A“.
Bei dem Folgeprojekt habe es sich gehandelt um das Projekt „Verbund: Studieren im Verbund Uni/FH. Programm zur Flexibilisierung individueller Studienverläufe und Förderung hochschultypübergreifender Lehrkooperationen; Teilvorhaben E.-A.-Hochschule J.“ sowie das Projekt „Weiterentwicklung eines studiengangübergreifenden integrativen Studienmodulangebots und Ausbau eines studierendennahen kontinuierlichen Qualitätssicherungssystems in Studium und Lehre“.
Daneben sei die Klägerin in zwei Projekten mit zeitlich untergeordnetem Umfang beschäftigt gewesen. Dies sei zum einen das Projekt TimING gewesen und zum anderen das Projekt „Weiterentwicklung eines studiengangübergreifenden integrativen Studienmodulangebots und Ausbau eines studierendennahen kontinuierlichen Qualitätssicherungssystems in Studium und Lehre“ (QS-System). Auf die grafische Darstellung der Beklagten (Bl. 83 d. A.) wird Bezug genommen. Die von der Klägerin durchgeführten Tätigkeiten seien nur Teilaspekte der geförderten Drittmittelprojekte. Für jedes Projekt lägen die befristeten Förderbescheide vor. Daraus ergebe sich zwingend, dass keine Daueraufgabe vorliege. Die Befristung sei rechtswirksam, weil jeweils ein sachlicher Grund für die Befristung gegeben sei.
Ein institutioneller Rechtsmissbrauch des Befristungsrechts liege auch unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG nicht vor.
Ein Teil der Arbeitsverträge der Klägerin sei nach dem WissZeitVG befristet gewesen. Daraus ergebe sich eine Verlängerung der zeitlichen Grenze für den institutionellen Rechtsmissbrauch.
Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB sei nicht gegeben. Es liege schon keine Benachteiligung der Klägerin vor, weil es keine Maßnahme gegeben habe, die ihre Rechtsposition verschlechtert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen dazugehörenden Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 08.03.2021 und 27.10.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
Die zuletzt erfolgte Befristung des großen Arbeitsverhältnisses ist rechtsunwirksam.
Gegen die Befristung des kleinen Arbeitsverhältnisses bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nur im aktuellen Umfang des großen Arbeitsverhältnisses.
Der Antrag zu 1. ist begründet.
Die Befristung im Arbeitsvertrag vom 12.10.2016 ist rechtsunwirksam. Dieses „große“ Arbeitsverhältnis hat nicht mit Ablauf des 31.12.2020 geendet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrages auf ihre sachliche Rechtfertigung hin zu prüfen. Diese Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle beruht darauf, dass die Parteien mit dem Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages ihre rechtlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt haben. Die Wirksamkeit der vorangegangenen befristeten Arbeitsverträge ist daher nicht mehr zu überprüfen.
Nach der neueren Rechtsprechung des BAG ist bei Kettenbefristungen in der Regel von einem indizierten Rechtsmissbrauch unter anderem dann auszugehen, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 10 Jahre überschreitet. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (BAG Urteil vom 26.10.2016 – 7 AZR 135/15).
Bei Anwendung dieser Grundsätze erscheint die Befristung des großen Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2020 rechtsunwirksam.
Von einem indizierten Missbrauch des Befristungsrechts ist auszugehen, weil das große Arbeitsverhältnis insgesamt in dem Zeitraum vom 23.08.2010 bis zum 31.12.2020 und damit über 10 Jahre und 4 Monate bestanden hat. Bei seiner Entscheidungsfindung hat das Gericht zu Gunsten der Beklagten angenommen, dass für die einzelnen Befristungen aufgrund der geförderten Drittmittelprojekte jeweils ein sachlicher Grund für die Befristung gegeben war. Nach Auffassung der Kammer kommt es jedoch nicht darauf an, dass in den Arbeitsverträgen als Befristungsgrund mal vorübergehender Bedarf nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG angegeben worden ist und in anderen Arbeitsverträgen der Sachgrund für die Befristung auf das WissZeitVG gestützt worden ist. Maßgeblich ist für das Gericht ausschließlich der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag vom 12.10.2016. In diesem Arbeitsvertrag ist wiederum auf vorübergehenden Bedarf nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG abgestellt worden. Der Streit über die Frage, ob die Klägerin überhaupt als wissenschaftliches Personal im Sinne des WissZeitVG zählt und der sich aus dem WissZeitVG ergebende sachliche Grund vorgelegen hat, kann dahinstehen. Für die Entscheidung des Rechtsstreites ist lediglich der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag maßgebend. Eine Verlängerung der Zeitgrenze für den indizierten Rechtsmissbrauch ergibt sich nach der Auffassung des Gerichts ebenfalls nicht daraus, dass in der Vergangenheit Befristungen nach dem WissZeitVG vorgenommen worden sind. Bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages am 12.10.2016 mussten die Parteien erkennen, dass die Klägerin für mehr als 10 Jahre ununterbrochen befristet beschäftigt werden sollte.
Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Die von der Beklagten vorgetragenen rechtlichen und tatsächlichen Argumente konnten die Kammer nicht von der ausnahmsweisen Wirksamkeit der Befristung überzeugen. Bei seiner Entscheidungsfindung hat das Gericht insbesondere abgestellt auf das Protokoll über das Gespräch am 27.11.2020. Dieses Protokoll ist von der Beklagten selbst erstellt worden und bringt klar zum Ausdruck, dass eine weitere befristete Beschäftigung der Klägerin möglich war und auch tatsächlich angeboten worden ist. Die Beklagte wollte die Befristung des Arbeitsverhältnisses fortsetzen und somit auch für die Zukunft an dem Gestaltungsmittel der Befristung festhalten. Damit hätte sich der nach der Rechtsprechung des BAG angenommene maximale Zeitraum von 10 Jahren weiter verlängert. Mit dem Beharren auf einer derartigen Vertragsgestaltung wird die Beklagte zur Überzeugung der Kammer ihrer Vorbildfunktion als öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber nicht gerecht.
Der Antrag zu 2. ist unbegründet.
Gegen die Wirksamkeit der Befristung des kleinen Arbeitsverhältnisses bestehen nach Auffassung der Kammer keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das kleine Arbeitsverhältnis hat insgesamt in der Zeit vom 19.05.2014 bis 31.12.2020 bestanden. Der Zeitraum umfasst insgesamt 6 Jahre und 7 Monate. Bei dem zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 31.01.2018 handelt es sich erst um die vierte Verlängerung.
Das Gericht geht wiederum zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass für die jeweiligen Befristungen ein sachlicher Grund gegeben gewesen ist. Es handelt sich auch bei dem kleinen Arbeitsverhältnis um Kettenbefristungen. Dabei ist jedoch weder die gelbe, noch die rote Ampel nach der neueren Rechtsprechung des BAG überfahren worden. Ein Rechtsmissbrauch ist daher weder indiziert, noch besteht ein besonderer Anlass, diesen unter Beachtung weiterer Umstände, die von der Klägerin vorzutragen sind, zu prüfen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil nach der Auffassung des Gerichts die 2 Arbeitsverträge rechtlich voneinander zu unterscheiden sind und die Wirksamkeit ihrer Befristung auch jeweils einzeln zu bewerten ist.
Der Antrag zu 3. ist nur teilweise begründet.
Bei dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG um einen unechten Eventualanspruch, der nur zur Entscheidung anfällt, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt worden ist. Diese Voraussetzung ist nur hinsichtlich des großen Arbeitsverhältnisses gegeben. Für das große Arbeitsverhältnis war im Arbeitsvertrag vom 12.10.2016 eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 75 Prozent vereinbart. Dieser Teilzeitumfang ist mit dem Änderungsvertrag vom 04.12.2019 ab dem 01.01.2020 auf 80 Prozent erweitert worden.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Die festgesetzten Kostenquoten entsprechen dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
Der nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes ist für die Bestandsschutzanträge nach § 42 Abs. 2 S. 1 GKG auf den Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts begrenzt. Das Gericht hat für das große Arbeitsverhältnis 3 Verdienste in Höhe von 4.465,27 € und für das kleine Arbeitsverhältnis 3 Verdienste in Höhe von 1.016,07 € zu Grunde gelegt. Für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag hat das Gericht einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von insgesamt 5.481,34 € angenommen.


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