Arbeitsrecht

(Kein Abzug von Beiträgen zur VBL-Pflichtversicherung im Rahmen der Grenzbetragsprüfung bei gesetzlicher Rentenversicherung des Kindes – Einzelfallbezogene Prüfung der Notwendigkeit verfassungskonform einschränkender Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG)

Aktenzeichen  III R 81/09

Datum:
17.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 32 Abs 4 S 2 EStG 2002
Art 3 Abs 1 GG
§ 2 Abs 2 EStG 2002
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

NV: Beiträge des Kindes zur tarifvertraglich vorgesehenen VBL-Pflichtversicherung sind bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht von dessen Einkünften und/oder Bezügen abzuziehen, wenn das Kind gesetzlich rentenversichert ist .

Verfahrensgang

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 27. Oktober 2009, Az: 2 K 429/08, Urteil

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog für ihre im Jahr 1984 geborene Tochter (T) Kindergeld. T absolvierte im Streitzeitraum Januar 2005 bis einschließlich September 2006 eine Ausbildung zur Krankenpflegerin bei einem Klinikverbund. Ab Oktober 2006 stand sie in einem Beschäftigungsverhältnis.
2
Im Jahr 2005 betrug der Bruttoarbeitslohn von T 11.048,79 €, der Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag insgesamt 2.342,59 €. Für die Monate Januar 2006 bis September 2006 belief sich ihr Bruttoarbeitslohn auf 8.264,70 €, der Arbeitnehmeranteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag auf 1.770,56 €.
3
Der Arbeitgeber führte für T Beiträge an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für die Pflichtversicherung (VBLklassik) ab. Diese Pflichtversicherung ist für Beschäftigte von Arbeitgebern, die –wie der Arbeitgeber der T– eine Beteiligungsvereinbarung mit der VBL abgeschlossen haben, tarifvertraglich vorgeschrieben. Die Beiträge der T zu dieser Versicherung beliefen sich für das Jahr 2005 auf 151,98 € und für die Monate von Januar bis September 2006 auf 116,54 €.
4
Mit Bescheiden vom 30. Juli 2008 hob die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für T ab Januar 2005 auf und forderte das für Januar 2005 bis September 2006 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 3.080 € zurück. Nach ihren Berechnungen überstiegen die Einkünfte und Bezüge von T im Jahr 2005 und in den Monaten Januar bis September 2006 den jeweils maßgeblichen Grenzbetrag. Der Einspruch war erfolglos.
5
Das Finanzgericht (FG) hob die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide auf. Zur Begründung führte es aus, die Einkünfte und Bezüge der T lägen für das Jahr 2005 unter dem maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 € und für die Monate Januar bis September 2006 unter dem maßgeblichen anteiligen Grenzbetrag von 5.760 €. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) seien die Beiträge zur VBL von den Einkünften abzusetzen. Diese Beiträge seien den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung vergleichbar, auch wenn die Pflicht zur Beitragszahlung an die VBL nicht gesetzlich geregelt sei. Die Versicherungsbeiträge für T seien auf Grund des Ausbildungsvertrags, nach dem eine tarifliche Ausbildungsvergütung gezahlt werde, an die VBL abzuführen. Da der Arbeitgeber der T der VBL beigetreten sei, handele es sich für die T um eine Pflichtversicherung. Sie könne sich der Pflicht zur Beitragszahlung nicht durch eigene Willensentscheidung entziehen.
6
Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).
7
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben