Arbeitsrecht

Keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten

Aktenzeichen  7 Sa 394/16

Datum:
4.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146708
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 314 Abs. 2, § 323 Abs. 2

 

Leitsatz

Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers, der nach einer unwirksamen verhaltensbedingten Kündigung gestellt wird, kann nicht allein auf erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützt werden. (Rn. 76)

Verfahrensgang

15 Ca 1646/15 2016-07-21 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.07.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Hinsichtlich der Abweisung des Auflösungsantrags wird die Revision zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 64 Absatz 6, 66 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.
Die Berufung ist unbegründet.
Die mit Schreiben vom 20.03.2015 ausgesprochene Kündigung des Beklagten hat das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Sie ist unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, § 1 Absatz 1 KSchG. Insbesondere liegen keine Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen.
Der Beklagte stützt die Kündigung auf das Verhalten der Klägerin. Nach dem Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin wider besseres Wissen und obwohl sie hierzu in der Lage gewesen wäre, es unterlassen, das seit Mai 2013 installierte Zeiterfassungsgerät ordnungsgemäß zu benutzen.
Der Beklagte macht insoweit geltend, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, an dem Terminal, das ihrem Arbeitsplatz am nächsten gewesen sei, „Kommen“ und „Gehen“ zu erfassen und insbesondere Dienstgänge kenntlich zu machen, wenn sie das Südgelände verließ.
Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin gegen diese Vorgaben verstoßen hat.
Sie hat im Zeitraum 08.03.2014 bis 13.05.2014 an 23 Tagen beim Kommen und/oder Gehen nicht an einem Terminal innerhalb des Südgeländes ihre Zeit erfasst, ohne dass sie hierbei die Funktion „Dienstgang“ verwendet hat. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
In diesem Verhalten liegt, unabhängig davon, aus welchem Grund die Klägerin sich außerhalb des Südgeländes aufhielt, zumindest objektiv eine Pflichtverletzung.
Es bestand seitens der Geschäftsleitung der Universitätsverwaltung mit Wirkung ab 01.05.2013 die Anweisung, das Zeiterfassungsgerät entsprechend zu bedienen. Diese Anweisung wurde der Klägerin per e-mail vom 26.04.2013 übermittelt. Auch hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Soweit sich die Klägerin einlässt, sie habe von Anfang an Probleme mit der Zeiterfassung gehabt, ihre Karte habe nicht richtig funktioniert, hat der Beklagte zwar ausgeführt, es gebe keine selektive Fehlfunktion der Karte, die Klägerin sei auch in der Lage gewesen, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen. Dies ergebe sich aus dem nicht bestrittenen Umstand, dass die Klägerin 16.04.2014 die Funktion „Kommen“ gewählt habe.
Es kann letztlich dahinstehen, ob bei der Karte der Klägerin eine Fehlfunktion vorlag, oder ob die Klägerin nicht in der Lage war, das Zeiterfassungsgerät ohne konkrete Anleitung zu bedienen, oder ob die Klägerin lediglich unwillig war, sich mit dem Zeiterfassungsgerät auseinanderzusetzen.
Auch wenn Letzteres der Fall war, kann der Beklagte die Kündigung darauf nicht stützen.
Vor Ausspruch einer auf die unterbliebene oder unrichtige Bedienung des Zeiterfassungsgeräts gestützte Kündigung hätte die Klägerin abgemahnt werden müssen.
Bei der Verpflichtung, das Zeiterfassungsgerät korrekt zu bedienen, insbesondere die darin enthaltenen Funktionen zutreffend zu nutzen, handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis.
Auch die Verletzung nebenvertraglicher Verpflichtungen kann eine verhaltensbedingte Kündigung begründen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass, beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Absatz 2 iVm. § 323 Absatz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 19.11.2015 ‒ 2 AZR 217/15; juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen war eine Abmahnung vorliegend nicht entbehrlich.
Weder sind Ansatzpunkte dafür ersichtlich, insbesondere vom Beklagten nicht vorgetragen, dass die Klägerin ihr Verhalten nicht ändern kann oder will, noch handelt es sich bei dem Vorfall um einen solch schweren Pflichtverstoß, dass ein eventueller weiterer Pflichtverstoß als für den Arbeitgeber auch im Interesse der Belegschaft nicht hinnehmbar anzusehen ist.
Der Pflichtverstoß, der der Klägerin anzulasten ist, stellt nicht einen so schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verstoß dar, dass eine Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt erscheint. Insbesondere behauptet der Beklagte selbst nicht, die Klägerin habe einen Arbeitszeitbetrug begangen.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung dienen lassen.
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, fällt es zwar schwer, anzunehmen, die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen. Auch wenn, worauf sich der Beklagte beruft, neben jedem Terminal eine Bedienungsanleitung hing, war es erforderlich, sich mit dem Gerät auseinander zu setzen. Umgekehrt wäre es bei einiger Geduld für jemanden wie die Klägerin sicher auch möglich gewesen, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen, ohne dass eine Anleitung daneben hing.
Der Beklagte hat es indes unterlassen, die Klägerin vor Ort in das Zeiterfassungsgerät einzuweisen. Hierzu hätte es, nachdem die Klägerin sich bereits vor Ausspruch der Kündigung mehrfach darauf berufen hatte, sie komme mit dem Zeiterfassungsgerät nicht zurecht, erhöhte Veranlassung gegeben.
Erst eine derartige erfolgreiche Anleitung, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen, hätte die Annahme rechtfertigen können, der Klägerin sei gar nicht daran gelegen gewesen, insbesondere ihre Dienstgänge zu erfassen. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin sei unwillig gewesen und eine eventuell fehlende Bereitschaft, das Zeiterfassungsgerät richtig zu bedienen, habe auch durch einen Hinweis auf eine mögliche Kündigung nicht behoben werden können.
Eine einschlägige Abmahnung hat die Klägerin nicht erhalten.
Sowohl die Abmahnung vom 20.01.2014 als auch die vom 24.02.2014 wurden ausgesprochen, weil die Klägerin den Dienst Weg nicht eingehalten und gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern verstoßen habe. Bei der Abmahnung vom 24.02.2014 kam hinzu, dass der Klägerin vorgehalten wurde, sie habe Informationen vorenthalten und Vorgesetzte diskreditiert.
Dass die Klägerin das Zeiterfassungsgerät nicht ordnungsgemäß bediente, stellt einen anderen Pflichtverstoß dar, der einer eigenen Abmahnung bedurfte.
Vorsorglich wird ausgeführt, dass die Kündigung nicht darauf gestützt werden kann, die Klägerin habe ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt bzw. habe bei den nicht dokumentierten Dienstgängen nicht ihr obliegende Aufgaben wahrgenommen.
Als Kündigungsgrund kommt dies bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Personalrat hierzu nicht angehört worden ist. Das Schreiben an den Personalrat vom 21.07.2014 enthält zwar den Hinweis, dass der Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2014 vorgeworfen wurde, sie habe ihre Arbeitszeit nicht ordnungsgemäß erfasst. Es findet sich indes kein Hinweis darauf, die Klägerin habe sich unberechtigt an den Terminals außerhalb des Südgeländes aufgehalten.
Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin unberechtigte Dienstgänge absolviert hat.
Die Klägerin lässt sich dahin ein, sie sei in ihrer Funktion als Mitarbeiterin im Bereich Computational Engineering/PHD/Graduate School of Engineering für Herrn Professor Dr. Gr… tätig gewesen.
Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei zu 50% ihrer Tätigkeit hierfür verantwortlich gewesen, ist dies zwar nicht belegt. Insbesondere geben die Schreiben aus dem Jahr 2009 nicht zwingend Auskunft darüber, wie die Aufgabenverteilung im Jahr 2014 aussah. Aus den übrigen, von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich indes, dass die Klägerin jedenfalls zu einem Viertel ihrer Arbeitszeit für Herrn Professor Dr. Gr… tätig war.
So ergibt sich zum einen aus der e-mail von Herrn Professor Dr. Gr… vom 19.08.2014, dass die Klägerin „von Anfang an“ im Umfang von einer Viertelstelle Koordinatorin sowie verantwortlich für das Bewerbungsverfahren und zuständig für die nichtfachliche Betreuung der PHD-Studierenden war. Dies wird bestätigt durch das Schreiben des Dekans vom 12.05.2015 an Herrn Professor Dr. Gr…, mit dem diese Zusammenarbeit aufgekündigt wurde.
Aus den Unterlagen, deren Richtigkeit der Beklagte nicht bestreitet, ist zu folgern, dass die Klägerin jedenfalls auch für Herrn Professor Dr. Gr… zuständig bzw. in dessen Aufgabenbereich tätig war. Es wäre Sache der Fakultätsverwaltung gewesen, die verschiedenen fachlichen Zuständigkeiten zu koordinieren und insoweit Klarheit zu schaffen, wie dies nunmehr durch die Entscheidung des Fakultätsvorstands erfolgt ist.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klägerin zwar, indem sie Dienstgänge im Zeiterfassungsgerät nicht erfasste, gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat, die Kündigung indes wegen des Fehlens einer einschlägigen Abmahnung sozial nicht gerechtfertigt ist.
Das Arbeitsverhältnis war auch nicht auf Antrag des Beklagten aufzulösen, § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Kündigung bereits aus formellen Gründen unwirksam ist.
Es liegt jedenfalls ein Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG nicht vor.
Danach ist das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers seitens des Gerichts aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Dem Arbeitgeber ist es auch nicht verwehrt, personenbedingte Gründe als Auflösungsgrund geltend zu machen. Die Gründe, die eine dem Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer sei gefährdet. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung. Diese verlangt eine Berücksichtigung aller Umstände, die für oder gegen die Prognose sprechen, eine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht mehr zu erwarten. Bei dieser Gesamtabwägung sind auch Tatsachen zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Fehlzeiten des Arbeitnehmers vorträgt. Dies gilt insbesondere, soweit der Arbeitgeber Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit aufgetretenen Krankheitszeiten darlegt und Umstände vorträgt, die für einzelne Zeiträume Zweifel an einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit aufkommen lassen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 23.06.2005 ‒ 2 AZR 256/04; juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte einen Auflösungsgrund nicht vorgebracht.
Der Beklagte macht zum einen geltend, es ziehe sich wie ein roter Faden durch das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin hindurch, dass sie sich nicht an die Dienstanweisungen ihres Arbeitgebers halte. Ihr Verhalten Vorgesetzten gegenüber müsse als illoyal bezeichnet werden. Die Klägerin scheue sich nicht, Ansehen und Autorität ihrer Vorgesetzten zu beschädigen und diese und andere Führungspersonen des Dekanats gegeneinander auszuspielen, nur um ihre Position durchzusetzen.
Dieser Sachvortrag kann die beantragte Auflösung nicht begründen.
Der Beklagte bezieht sich ersichtlich auf das Verhalten der Klägerin, das zu den Abmahnungen vom 20.01.2014 und vom 24.02.2014 geführt hat. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin sich nach Erhalt der letzten Abmahnung in der gerügten Weise verhalten hat bzw. sich in Zukunft so verhalten werde. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Klägerin das Zeiterfassungsgerät nicht ordnungsgemäß bedient hat, zwar, wie bereits ausgeführt, einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar. Dieser Verstoß hat indes nicht ein Gewicht, das mit den Vorwürfen aus den Abmahnungen vergleichbar wäre. Dort ging es um ein Verhalten, das sich aus Arbeitgebersicht gegen die persönliche Integrität der Vorgesetzten richtete und Ausfluss von Illoyalität war. Diese Qualifikation ist bei der nicht ordnungsgemäßen Bedienung des Zeiterfassungsgeräts nicht gegeben. Ihr fehlt das Element des persönlichen Angriffs auf Vorgesetzte.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Fakultätsverwaltung durch die Entscheidung, der Klägerin die Zuständigkeit für die PHD-Programme zu entziehen, das Arbeitsverhältnis auf eine klarere Basis gestellt hat, so dass die Probleme, wie sie in der Vergangenheit zweifelsohne bestanden haben, beispielsweise unfreiwillige Freiräume für die Klägerin, nicht mehr auftreten können.
Schließlich kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht mit den Krankheitszeiten der Klägerin begründet werden.
Zwar sind Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Auflösungsgrund nicht generell ausgeschlossen. Das erkennende Gericht versteht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts indes nicht dahin, dass allein das Vorliegen krankheitsbedingter Fehlzeiten einen Auflösungsgrund darstellen kann, mithin erhebliche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führen können, ohne dass der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen muss, die ihrerseits am Maßstab des § 1 KSchG gerichtlich überprüfbar wäre. Vielmehr kommt nach Auffassung des erkennenden Gerichts Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nur dann als Auflösungsgrund in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die zwar im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit stehen, die aber über die bloße Arbeitsunfähigkeit hinausgehen. Zu nennen wäre hier beispielsweise eine bestehende Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers, die sich im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit offenbart. Andernfalls würde man dem Arbeitnehmer den Schutz des § 1 KSchG und anderer kündigungsrechtlicher Schutzvorschriften nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer, wie hier, schwerbehindert ist und eine Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamts zulässig wäre. Könnte das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen aufgelöst werden, würde dem schwerbehinderten Arbeitnehmer der besondere Kündigungsschutz des SGB IX entzogen.
Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt daher nicht in Betracht.
Vielmehr war die Berufung des Beklagten insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG hinsichtlich der Abweisung des Auflösungsantrags zugelassen.


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