Arbeitsrecht

Keine rückwirkende Prozesskostenhilfe nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mangels Bewilligungsreife

Aktenzeichen  M 24 K 17.5612

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14519
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2, § 166
ZPO § 114, § 117 Abs. 4
AufenthG § 4 Abs. 3
BeschV § 32 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nach übereinstimmender Erledigungserklärung nur ausnahmsweise rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung in Betracht, wenn der Prozesskostenhilfeantrag rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Verfahrens gestellt wurde. Daran fehlt es, wenn die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei die nach § 117 Abs. 4 ZPO verpflichtend vorgesehene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt nicht vorgelegt hat. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers wird abgelehnt.

Gründe

I.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war der Bescheid des Beklagten vom 9. November 2017, mit dem die dem Kläger, einem geduldeten nigerianischen Staatsangehörigen, am 24. März 2017 erteilte und am 16. Juni 2017 mit erstmaliger Erteilung einer Duldung fortgeschriebene Beschäftigungserlaubnis mit Wirkung ab 1. Dezember 2017 wieder entzogen wurde.
Gegen diesen Bescheid, der seinem Prozessbevollmächtigten am 14. November 2017 zugestellt wurde, ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom … November 2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 6. Dezember 2017, Klage erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Beschäftigungserlaubnis zu erteilen. Zugleich beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Schließlich beantragte der Kläger, ihm Prozesskostenkostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, da er nicht in der Lage sei, die Kosten des Verfahrens auch nur zum Teil zu tragen. Die angekündigte Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgte nicht.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 11. Januar 2018 (Aktenzeichen M 24 S 17.5613) wurde die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete sofortige Vollziehung der Ziffer 1 mangels ausreichender Begründung der Anordnung des Sofortvollvollzugs aufgehoben.
Auf einen gerichtlichen Hinweis vom 4. Dezember 2018, dass aufgrund der ursprünglich lediglich befristet bis zum 31. März 2018 erteilten Beschäftigungserlaubnis der Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid wohl zwischenzeitlich das Rechtsschutzbedürfnis fehle, erklärte der Kläger den Rechtsstreit mit Schreiben vom 31. Dezember 2018 für erledigt und beantragte, die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2020 stimmte der Beklagte der Erledigungserklärung der Klagepartei unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu und erklärte den Rechtsstreit ebenfalls für erledigt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte der Verfahren M 24 K 17.5612 und M 24 S 17.5613, sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Die Klagepartei hat mit Schreiben vom … Dezember 2018, der Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 2020 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen und über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Zuständig hierfür ist der Berichterstatter (§ 87a Abs. 3 i.V. m. § 87a Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 VwGO).
2. Maßgebliches Kriterium für die Verteilung der Kosten nach Billigkeit ist im Ausgangspunkt, wer aus der Perspektive des insoweit maßgeblichen Zeitpunkts der Erledigung, vorliegend der 1. August 2018, den Rechtsstreit voraussichtlich gewonnen hätte (BVerwG, B. v. 24.03.1998 – 1 C 5/96 – juris Rn. 2). Allerdings können im Zusammenhang mit § 161 Abs. 2 VwGO auch andere Kriterien als die voraussichtlichen Erfolgsaussichten herangezogen werden, insbesondere der Umstand, ob und aus welchen Gründen ein Verfahrensbeteiligter das zur Erledigung führende Ereignis bewirkt hat. Wenn etwa eine Behörde aus eigenem Willensentschluss das erledigende Ereignis herbeigeführt hat und sich damit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, spricht dies dafür, ihr die Verfahrenskosten aufzuerlegen; für diesen Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für die Erledigung des Rechtsstreits ist auch erheblich, ob die Gründe für das Handeln der Behörde ausschließlich in ihrer Sphäre gelegen haben (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.1991 – 7 C 16/89 – NVwZ 1992, 787 ff).
Billigem Ermessen entspricht es danach im vorliegenden Fall, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die im Bescheid zu Grunde gelegten Ermessenserwägungen, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 nochmals umfangreich ergänzt hat (§ 114 Satz 2 VwGO). Der Beklagte konnte den Widerruf der Beschäftigungserlaubnis ermessensfehlerfrei auf migrationspolitische Erwägungen stützen, insbesondere auf die geringe Anerkennungsquote bei Asylbewerbern aus Nigeria. Auch konnte die geringe individuelle Bleibeperspektive des Klägers berücksichtigt werden, die sich aus dem Umstand ergab, dass der Asylantrag des Klägers bereits vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war, auch wenn der Kläger gegen den Bescheid des BAMF Klage erhoben hatte. Schließlich konnte auch ermessenfehlerfrei in die Erwägungen der Umstand eingestellt werden, dass die Identität des Klägers nicht geklärt war. Die persönlichen Interessen des Klägers wurden bei der Entscheidung bei Zugrundelegung der mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2017 ergänzten Ermessenserwägungen in die Entscheidung eingestellt und abgewogen.
3. Es handelt sich nicht um eine asylrechtliche Streitigkeit, da keine Vorschrift des AsylG inmitten steht. Die Frage der Beschäftigungserlaubnis richtet sich vorliegend nach § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Beschäftigungsverordnung (BeschV).
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Zuständig für diese Entscheidung ist der Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 VwGO.
5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers hat keinen Erfolg. Zuständig für diese Entscheidung ist der Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 166 VwGO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist dabei bereits dann gegeben, wenn ein Obsiegen der Partei ebenso wahrscheinlich ist wie ihr Unterliegen. Die Erfolgsaussichten des gerichtlichen Verfahrens müssen im Zeitpunkt der Bewilligungsreife als offen zu beurteilen sein (BayVGH, B.v. 23.10.2005 – 10 C 04.1205 – juris).
Vorliegend ist eine weitere Rechtsverfolgung zwar gerade nicht mehr beabsichtigt, da die Parteien die Hauptsache durch übereinstimmende Erklärungen für erledigt erklärt haben. In diesen Fällen kann ein Kläger seinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe zwar ausnahmsweise weiterverfolgen und rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung Prozesskostenhilfe erhalten. Hierzu ist jedoch erforderlich, dass der Prozesskostenhilfeantrag rechtzeitig und vollständig vor dem Abschluss des Verfahrens gestellt wurde (BayVGH, B.v. 10. Februar 2016- 10 C 15.849 – juris Rn. 2). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, da der Kläger bis heute die nach § 117 Abs. 4 ZPO verpflichtend vorgesehene und vom Bevollmächtigten des Klägers in der Klage angekündigte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat.
Liegen somit die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vor, scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO aus.

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