Arbeitsrecht

Kindergeld für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebende Kinder

Aktenzeichen  S 18 KG 19/17

Datum:
18.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55743
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BKGG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 5
SGB III § 28 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu vorher gehört.
Das Sozialgericht Nürnberg ist örtlich zuständig gem. § 57 Abs. 3 SGG. Die Klage ist dennoch nur teilweise zulässig, materiell-rechtlich jedoch unbegründet.
1. Unter Ziff. 1 begehrt der Kläger Kindergeld im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Dieser Klageantrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der streitige Bescheid vom 10.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.06.2017 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG, auch nicht in Verbindung mit koordinierendem europäischen Sozialrechts.
Gemäß § 1 Abs. 1 BKGG ist derjenige anspruchsberechtigt, Kindergeld nach diesem Gesetz für seine Kinder zu erhalten, wer nach § 1 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und
1. in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch steht oder versicherungsfrei nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ist oder
2. als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes erhält oder als Missionar der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3. eine nach § 123 a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes oder § 20 des Beamtenstatusgesetzes bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene Tätigkeit ausübt oder
4. als Ehegatte eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitgliedstaates die Staatsangehörigkeit eines EU/EWR-Mitgliedstaates besitzt und in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Der Kläger ist als Altersrentner zwar dem Grunde nach gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III anspruchsberechtigt. Die Kinder haben jedoch alle ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt auf den Philippinen und damit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind daher vom Bezug von Kindergeld nach § 2 Abs. 5 BKGG ausgeschlossen gewesen (BT-Drucksache 13/1558, Seite 165 zu § 2 Abs. 5 (BKGG); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Januar 2005 – L 13 KG 13/04 -, juris). Denn gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 BKGG werden Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, nicht berücksichtigt. Damit besteht kein Rechtsanspruch auf Kindergeld nach dem BKGG als nationale Vorschrift.
Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG in Verbindung mit den Vorschriften des koordinierenden europäischen Sozialrechts.
Der persönliche Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist gem. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 nicht eröffnet, denn der Kläger als deutscher Staatsbürger hat seinen Wohnsitz außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union.
Die Regelung, dass Deutsche, die selber mit ihren Kindern außerhalb Europas wohnen, verstößt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG). Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 06. Juli 2004 – 1 BvR 2515/95 -, Rn. 29, juris). Weder aus dem allgemeinen Gleichheitssatz noch aus anderen Verfassungsnormen ergibt sich die Verpflichtung für den Gesetzgeber, im Ausland lebende Kinder deutscher Staatsangehöriger generell bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 1994 – 1 BvR 1105/91 -, Rn. 2, juris). Gegen die grundsätzliche Abhängigkeit der Kindergeldberechtigung vom Wohnsitz des Kindes bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279; BFH-Urteil vom 07.04.2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351).
2. Die Klageanträge 2 und 3 sind als allgemeine Feststellungsklage bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abzulehnen.


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