Arbeitsrecht

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel – Tarifsukzession – Tarifpluralität – ergänzende Vertragsauslegung – Chefarztvergütung

Aktenzeichen  5 AZR 696/09

Datum:
9.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 242 BGB
§ 305 Abs 1 S 1 BGB
§ 1 Abs 1 TVG
Art 3 Abs 1 GG
§ 2 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA
§ 4 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA
§ 17 Abs 2 TVÜ-VKA
§ 19 Abs 2 TVÜ-VKA
Anl 1 Entgeltgr 15Ü TVÜ-VKA
§ 16 Buchst d TV-Ärzte/VKA
§ 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA
§ 51 Abs 1 S 1 TVöD BT-K
§ 51 Abs 3 TVöD BT-K
Anl 1a Teil I VergGr I BAT
§ 3 Buchst i BAT
§ 2 Abs 1 S 1 TVÜ-Ärzte/VKA
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Oberhausen, 18. Dezember 2008, Az: 2 Ca 314/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 13. August 2009, Az: 13 Sa 127/09, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. August 2009 – 13 Sa 127/09 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA) zuzüglich eines Aufschlags von 12,20301 % beanspruchen kann.
2
Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der 1948 geborene Kläger ist bei ihr seit 1. September 1996 als leitender Arzt (Chefarzt) der Klinik für Unfallchirurgie beschäftigt.
3
Im Arbeitsvertrag vom 9. Februar 1996 vereinbarten die Parteien ua.:
        
„§ 1        
        
Dienstverhältnis           
        
…     
        
Das Dienstverhältnis ist bürgerlich-rechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die Paragraphen 7-10, 13, 14, 37 Abs. 1, 38, 48, 52, 66 und 70 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.2.1961 sowie die vom Krankenhaus erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
        
…     
        
§ 8      
        
Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich und Einräumung des Liquidationsrechts           
        
1.    
Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT (VKA), d. h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie Zulage nach dem Zulagentarifvertrag für Angestellte, eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung, zahlbar jeweils am Letzten eines Monats für den abgelaufenen Monat auf ein von dem Arzt eingerichtetes Bankkonto.
        
2.    
Der Arzt erhält ferner:
        
        
a)    
das Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen bei denjenigen Kranken, die diese Leistungen gewählt, mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben;
        
        
b)    
das Liquidationsrecht für das Gutachterhonorar bei Aufnahme zur Begutachtung, sowie die gesonderte Berechnung eines Gutachterhonorars neben dem Pflegesatz nach dem Pflegekostentarif des Krankenhauses in der jeweils gültigen Fassung.
        
…“   
        
        
4
Seit der Ersetzung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (im Folgenden: BAT) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: TVöD) zum 1. Oktober 2005 vergütet die Beklagte den Kläger nach Maßgabe dieses Tarifvertrags. Der Kläger erhält Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü der Anlage 1 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 und bezog im Zeitraum August 2006 bis Mai 2008 eine Grundvergütung von 5.743,27 Euro brutto.
5
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2007 machte der Kläger rückwirkend ab August 2006 Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA geltend.
6
Mit seiner Klage hat der Kläger für den Zeitraum August 2006 bis Mai 2008 die Differenz zwischen den Entgeltgruppen IV TV-Ärzte/VKA zuzüglich eines Aufschlags von 12,20301 % iHv. 7.293,20 Euro brutto bzw. 7.699,26 Euro brutto ab 1. April 2008 und der von der Beklagten gezahlten Vergütung iHv. 5.743,27 Euro brutto sowie die Feststellung begehrt, dass sich seine Vergütung mit Wirkung vom 1. Juni 2008 nach der Entgeltgruppe IV Stufe 1 der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West des TV-Ärzte/VKA in der jeweiligen Fassung zuzüglich 12,20301 % bemisst. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seit 1. August 2006 richte sich seine Vergütung nach dem TV-Ärzte/VKA. § 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrags enthalte eine dynamische Verweisung. Mangels Fortführung des BAT sei eine Regelungslücke entstanden, die durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. In Betracht kämen der TVöD und der TV-Ärzte/VKA. Dieses Konkurrenzverhältnis sei unter adäquater Bewertung der Interessenlage der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu Gunsten des TV-Ärzte/VKA zu lösen. Die Vergütung habe sich an dessen Entgeltgruppe IV zu orientieren und aufgrund des zu den Oberärzten einzuhaltenden Abstands einen Aufschlag von 12,20301 % zu enthalten.
7
Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Interesse, beantragt,
        
1.    
festzustellen, dass sich seine Vergütung als Chefarzt und Leiter der Unfallchirurgie des Evangelischen Krankenhauses O mit Wirkung vom 1. Juni 2008 nach der Entgeltgruppe IV Stufe 1 der Entgelttabelle für das Tarifgebiet West des TV-Ärzte/VKA in der jeweiligen Fassung zuzüglich 12,20301 % bemisst;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.824,88 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 756,73 Euro seit dem 1. Juli 2007 und 1. August 2007 sowie aus weiteren jeweils 1.549,93 Euro seit dem 1. September 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007, 1. Januar 2008, 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008 und aus jeweils weiteren 1.955,99 Euro seit dem 1. Mai 2008 und dem 1. Juni 2008 zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nur einen Anspruch auf Vergütung nach dem TVöD. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei mangels einer Regelungslücke nicht möglich. Zudem sei der TV-Ärzte/VKA nicht der sachnähere Tarifvertrag.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


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