Arbeitsrecht

Kleine dynamische Bezugnahmeklausel – Tarifsukzession – Tarifpluralität – ergänzende Vertragsauslegung – Chefarztvergütung

Aktenzeichen  5 AZR 384/09

Datum:
9.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 242 BGB
§ 305 Abs 1 S 1 BGB
§ 1 Abs 1 TVG
Art 3 Abs 1 GG
§ 2 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA
§ 4 Abs 1 S 1 TVÜ-VKA
§ 17 Abs 2 TVÜ-VKA
§ 19 Abs 2 TVÜ-VKA
Anl 1 Entgeltgr 15Ü TVÜ-VKA
§ 16 Buchst d TV-Ärzte/VKA
§ 1 Abs 2 TV-Ärzte/VKA
§ 51 Abs 1 S 1 TVöD BT-K
§ 51 Abs 3 TVöD BT-K
Anl 1a Teil I VergGr 1 BAT
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Siegen, 8. Februar 2008, Az: 3 Ca 1428/07, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 17. Februar 2009, Az: 12 Sa 529/08, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2009 – 12 Sa 529/08 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Vergütung nach dem zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) geschlossenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA) beanspruchen kann.
2
Die Beklagte ist Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen und betreibt ein Klinikum. Der 1944 geborene Kläger war bei ihr bzw. ihrem Rechtsvorgänger, dem Kreis S, vom 1. November 1987 bis zum 31. Dezember 2007 beschäftigt, seit 1. Dezember 1989 als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der Radiologischen Abteilung.
3
Im Arbeitsvertrag vom 24./28. November 1989 vereinbarten die Parteien ua.:
        
„§ 2   
        
Das Dienstverhältnis richtet sich, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie den vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen in der jeweils gültigen Fassung.
        
…       
        
        
        
        
§ 4     
        
Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT, d.h., Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung.
        
        
        
§ 5     
        
(1)     
Neben der Vergütung nach § 4 steht Herrn Dr. N als Chefarzt der Radiologischen Abteilung das Liquidationsrecht für die von ihm erbrachten Leistungen bei denjenigen Kranken zu, die gemäß § 7 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 21.08.1985 (BGBl. I S. 1666) und § 6 der Allgemeinen Vertragsbedingungen des Kreiskrankenhauses S die gesondert berechenbaren ärztlichen Leistungen gewählt und dies mit dem Krankenhaus vereinbart und in Anspruch genommen haben. Die Einnahmen aus dem Liquidationsrecht sind kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt.
        
…“    
        
4
Nach der Ersetzung des Bundes-Angestelltentarifvertrags (im Folgenden: BAT) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (im Folgenden: TVöD) zum 1. Oktober 2005 vergütete die Beklagte den Kläger nach Maßgabe dieses Tarifvertrags. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 15 Ü der Anlage 1 zum Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 in Höhe von 5.625,00 Euro brutto.
5
Mit Schreiben vom 21. März 2007 machte der Kläger rückwirkend ab August 2006 Vergütung nach Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA in Höhe von monatlich 6.500,00 Euro brutto geltend.
6
Mit seiner als Feststellungsklage erhobenen, in der Berufungsinstanz auf Zahlung umgestellten Klage hat der Kläger für den Zeitraum August 2006 bis Dezember 2007 die Differenz zwischen der Entgeltgruppe IV TV-Ärzte/VKA und der erhaltenen Vergütung in Höhe von monatlich 875,00 Euro brutto begehrt. Er hat vorgetragen, im Krankenhaus der Beklagten kämen sowohl der TVöD als auch der TV-Ärzte/VKA zur Anwendung. Letzterer sei der speziellere Tarifvertrag und stehe dem Arbeitsverhältnis der Parteien fachlich und persönlich am nächsten. Wäre bei Abschluss des Arbeitsvertrags absehbar gewesen, dass zu einem späteren Zeitpunkt zwei verschiedene Tarifverträge potentiell Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden könnten, hätten sich die Vertragspartner darauf verständigt, den spezifischen Arzttarifvertrag anzuwenden.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.875,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 875,00 Euro nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, den TV-Ärzte/VKA wende sie auf alle Ärzte, die nicht leitende Abteilungsärzte sind, deshalb an, weil die überwiegende Anzahl der bei ihr beschäftigten Ärzte im Marburger Bund organisiert sei und die einheitliche Anwendung eines Tarifvertrags der Vereinfachung diene. Sie hat die Auffassung vertreten, der TV-Ärzte/VKA sei nicht der speziellere Tarifvertrag. Auch der TVöD in der für sie geltenden durchgeschriebenen Fassung für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (im Folgenden:
TVöD-K) enthalte arztspezifische Regelungen. Die Vergütungsgruppe I BAT sei passgenau durch die Entgeltgruppe 15 Ü TVöD ersetzt worden. Dagegen knüpfe der TV-Ärzte/VKA nicht an die bisherige BAT-Tabellenstruktur an, sondern habe ein völlig neues Eingruppierungskonzept geschaffen.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.


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