Arbeitsrecht

Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Rechtsweg, Verweisung, Zahlung, Chirurgie, Versorgungswerk, Zinsen, Auflage, Land, Rentenversicherungsbeitrag, gesetzlichen Rentenversicherung

Aktenzeichen  S 12 R 765/21

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11935
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

Die Klägerin ist Fachärztin für plastische Chirurgie und war vom 31.01.2014 bis 31.08.2021 bei der Beklagten beschäftigt.
Das am 23.08.2014 von der Klägerin initiierte Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status endete am 22.03.2018 vor dem Landessozialgericht im Wege eines Vergleichsschlusses. Darin wurde festgehalten, dass im Rahmen des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beklagten keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.
Die Klägerin führte ab 27.02.2014 Beiträge zur bayerischen Ärzteversorgung ab und begehrt nun von der Beklagten für die Zeit vom 27.02.2014 bis 31.08.2021 Arbeitgeberbeiträge zur bayerischen Ärzteversorgung in Höhe von 42.093,56 EUR und für die Zeit vom 27.02.2014 bis 31.07.2021 Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 31.644,31 EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Da der Anspruch der Klägerin auf die Arbeitgeberanteile seine Grundlage in § 172a SGB VI und auf den Arbeitgeberzuschuss in § 257 SGB V habe, sei aus der Sicht der Klägerin der Sozialrechtsweg eröffnet. Die Vorschriften würden vom Beschäftigtenbegriff ausgehen und damit hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen auf § 7 SGB IV verweisen. Die Beschäftigung sei zwar regelmäßig Ausfluss eines Arbeitsverhältnisses, unterliege jedoch eigenen sozialrechtlichen Voraussetzungen. Dementsprechend seien für Klagen auf Zahlung der Arbeitgeberbeiträge und des Arbeitgeberzuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig, sondern die Sozialgerichte.
Die Beklagte rügt den Rechtsweg und beantragt eine Verweisung an das Landgericht A-Stadt, da die Klägerin Ansprüche aus einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit zwischen den Parteien geltend mache. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage sei der zwischen den Parteien vereinbarte Honorararztvertrag und daraus folgend die Fragestellung, ob der Klägerin aufgrund dieser – im Honorararztvertrag – vereinbarten Tätigkeit nach den § 172a SGB VI Beitragszuschüsse zum Versorgungswerk bzw. nach § 257 SGB V Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung zustehen. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sei nicht gegeben, da es sich bei dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis der Parteien nicht um ein Arbeitsverhältnis handle. Im Übrigen wird die Klage von der Beklagten für unbegründet gehalten.
Der Rechtsstreit ist an das sachlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen.
Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 29.01.2013 (Az. L 18 R 773/12 B), wonach für die gerichtliche Durchsetzung der Zahlung des Zuschusses zu einem Rentenversicherungsbeitrag durch den Arbeitgeber des Angehörigen eines berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten und nicht zu den Sozialgerichten eröffnet ist (siehe auch Dankelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Auflage 2021, Stand: 01.04.2021, § 172a SGB VI, Rn. 19).
Dies muss zur Vermeidung divergierender Entscheidung und einer nicht gewollten Aufspaltung des Rechtsweges auch für die Beitragszuschüsse für die private Kranken- und Pflegeversicherung gelten. Insoweit wurde die ursprünglich angedachte Abtrennung des Teils des Rechtsstreits, welcher den potentiellen Anspruch der Klägerpartei aus § 257 SGB V betrifft, nicht vorgenommen.
Es handelt sich vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, sondern um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus einem behaupteten Arbeitsverhältnis, § 2 Abs. 1 Nr. 3a) ArbGG. Die für die Entscheidung wesentliche Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und bürgerlicher Streitigkeit erfolgt nach der wahren Natur des anzuwendenden Rechts und dem sich daraus ergebenden Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits. Maßgeblich ist der von der Klägerin unterbreitete Streitgegenstand. Danach geht es um die Zahlung von Beitragszuschüsse zum Versorgungswerk und zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Die in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 172a SGB VI und § 257 SGB V sind materiell Normen des (bürgerlichen) Arbeitsrechts, die systemfremd im SGB VI bzw. SGB V enthalten sind (siehe LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2013, aaO).
Aus der Sicht des Gerichts ist Tatbestandsvoraussetzung für die geltend gemachten Ansprüche das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft. Das Vorliegen dieser Eigenschaft wird von der Klägerpartei zumindest durch die Geltendmachung des Anspruchs und die Wortwahl im Klageschriftsatz behauptet, so dass das Arbeitsgericht über das Vorliegen dieser Eigenschaft zu entscheiden hat.
Die Kostenentscheidung bleibt nach § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.


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