Aktenzeichen 10 AZR 636/11
§ 307 Abs 1 S 2 BGB
§ 308 Nr 4 BGB
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
§ 307 Abs 2 Nr 1 BGB
§ 307 Abs 2 Nr 2 BGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG München, 17. März 2010, Az: 7 Ca 10953/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 30. März 2011, Az: 10 Sa 486/10, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. März 2011 – 10 Sa 486/10 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. März 2010 – 7 Ca 10953/09 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Leistungsbonus für das Jahr 2008.
2
Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten und der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften. Die Klägerin ist für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr tätig gewesen, zuletzt in Altersteilzeit mit einer Arbeitsphase bis zum 31. August 2008 und mit anschließender Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der letzte Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält auszugsweise nachstehende Regelungen:
„II.
1. Vergütung
Die Mitarbeiterin erhält ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt und Leistungsbonus zusammensetzt. Die genaue Höhe des Grundgehalts ergibt sich aus dem Begleitschreiben zu diesem Vertrag.
…
2. Leistungsbonus
Darüber hinaus erhält die Mitarbeiterin einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Leistungsbonus wird jeweils mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt.
…
IV.
…
6. Betriebsvereinbarungen
Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“
3
Das in II 1 des Dienstvertrags in Bezug genommene Begleitschreiben vom 29. Juni 2001 hat auszugsweise nachstehenden Inhalt:
„Ab diesem Zeitpunkt setzt sich Ihr Gehalt aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:
Grundgehalt:
Ihr jährliches Grundgehalt beträgt DM 126.000,00 brutto. Es wird in zwölf monatlichen Teilbeträgen von DM 10.500,00 ausgezahlt.
…
Leistungsbonus:
Durch Ihre Leistung beeinflussen Sie auch die Höhe Ihres Gehalts:
Ihr Leistungsbonus kann zwischen 0 bis 200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur Zeit bei DM 29.000,00 brutto liegt.
Gesamtgehalt:
Je nach Höhe Ihres Leistungsbonus wird Ihr Gesamtgehalt deshalb zwischen DM 136.500,00 brutto und DM 194.500,00 brutto liegen.“
4
Die Vereinbarung der Parteien über „die Umwandlung des Vollzeitdienstverhältnisses in ein Altersteilzeitdienstverhältnis“ sieht die Zahlung des anteiligen Leistungsbonus entsprechend der vereinbarten durchschnittlichen Teilzeitquote mit weiteren Maßgaben vor.
5
Über das Vergütungssystem verhalten sich mehrere Betriebsvereinbarungen. In der Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 11. Februar 1999 zwischen der B AG und dem Betriebsrat der B AG (nachfolgend: BV 1999) heißt es:
„Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass die leistungsbezogene Komponente im Vergütungssystem der Bank weiter verstärkt werden soll. Hierzu sollen einzelne bisher als fix geltende Gehaltsbestandteile dem Leistungsbonus zugeschlagen werden. Eine Senkung der Gesamtgehaltssumme der Bank ist mit dieser Flexibilisierung nicht verbunden. Im Übrigen soll mit der Neuordnung des Gehaltssystems dessen Vereinfachung und Vereinheitlichung für alle Mitarbeiter erreicht werden.
…
3.
Tarifmitarbeiter
Das tarifliche Grundgehalt wird zukünftig 13,25 mal gezahlt. Das 13. Monatsgehalt wird wie bisher gezwölftelt auf die monatliche Zahlung des Grundgehalts aufgesetzt. Die restlichen 0,25 des Monatsgehalts werden als Sonderzahlung mit dem Dezembergehalt vergütet.
0,75 eines Monatsgehalts werden flexibilisiert und der jeweiligen Einheit als erhöhter Gesamtbetrag auf den Leistungsbonus zur Verfügung gestellt. Leistungszulagen werden im Regelfall auf die Jahressumme umgerechnet und als Erhöhungsbetrag dem individuellen freiwilligen Leistungsbonus zugeschlagen. Die Gesamtsumme der der Einheit zur Verfügung stehenden Leistungsboni erhöht sich entsprechend.
…“
6
Die BV 1999 wurde ersetzt durch die Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 5. September 2001, geschlossen zwischen der HV Bank AG und dem Gesamtbetriebsrat (nachfolgend: BV 2001). Diese verhält sich über den Leistungsbonus wie folgt:
„…
III.
Der Leistungsbonus
Die Leistung des Mitarbeiters wird auch über den Leistungsbonus honoriert. Sie wird auf der Basis der individuellen Leistung und des Teamverhaltens bewertet. Dabei spiegelt sich die Leistung maßgeblich in der Zielerreichung wider. Einflussfaktoren wie Marktsituation, Organisation, Team, Führungskraft und persönliche Voraussetzungen sind darüber hinaus zu berücksichtigen.
…
Für die Höhe des Leistungsbonus ist neben der Leistung und dem Teamverhalten auch der Erfolg des Unternehmens in dem jeweiligen Geschäftsjahr maßgeblich. Seitens der Bank wird angestrebt, das für das jeweilige Geschäftsjahr zur Verfügung stehende Leistungsbonusbudget rechtzeitig vor Beginn der Mitarbeitergespräche bekannt zu geben. Der Leistungsbonus bemisst sich jeweils aus einem fixierten Basiswert. Sofern die Ziele nicht erreicht wurden, beträgt er zwischen 0 und unter 75 % des Basiswertes. Sofern die Ziele erreicht wurden, hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen Bonus in Höhe von mindestens 75 % des Basiswertes (Regelbandbreite 75 % bis unter 150 %). Sofern die Ziele deutlich übertroffen wurden, hat er einen Anspruch auf mindestens 150 % des Basiswertes (Regelbandbreite 150 % bis 200 %).
Die Festlegung der Bonushöhe innerhalb der dargestellten Bandbreiten liegt in der Verantwortung der unmittelbaren Führungskraft.
…
Der Leistungsbonus wird jeweils für die Leistung des vorangegangenen Kalenderjahres neu festgelegt und im ersten halben Jahr des laufenden Jahres ausgezahlt.
…“
7
Die BV 2001 wurde durch die „Betriebsvereinbarung zur flexiblen Vergütung und zum Mitarbeitergespräch“ vom 13. Oktober 2005 ersetzt (nachfolgend: BV 2005). Diese regelt ua. Folgendes:
„B.
Flexible Vergütung
I.
Die zwei Vergütungskomponenten
Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)Bonus (im Folgenden Bonus genannt).
II.
Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen
1.
Tarifmitarbeiter
Das Festgehalt der tariflich vergüteten Mitarbeiter besteht entsprechend dem jeweils gültigen Tarifvertrag für das private Bankgewerbe aus 12 Monatsgehältern und einer tariflichen Sonderzahlung, die jeweils im Dezember ausgezahlt wird.
Der Basiswert des Bonus beträgt für Tarifmitarbeiter 1,25 Grundgehälter. Abhängig von seiner Leistung und dem zur Verfügung stehenden Budget kann der Mitarbeiter damit ein Gesamtjahresgehalt von maximal 15,50 Grundgehältern erhalten.
Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und Bonus zeitanteilig vergütet. Dies gilt auch bei einem unterjährigen Wechsel von bzw. in ein ruhendes Arbeitsverhältnis oder (bezogen auf den Bonus) bei erfolgter Freistellung.
…
C.
Mitarbeitergespräch
…
IV.
Zielerreichung/Gesamtbewertung
Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.
…
V.
Festlegung der individuellen Höhe des Bonus
Die Höhe des individuellen Bonus hängt zum einen von der Höhe des jährlichen Bonustopfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom Gesamtbankerfolg bestimmt.
Darüber hinaus honoriert der Bonus auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen Bonus ist damit – neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank – auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.
…
D.
Schlussbestimmungen
Die Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie ersetzt die Betriebsvereinbarung Flexibles Vergütungssystem vom 05.09.2001, …“
8
Die Klägerin erhielt für die Geschäftsjahre 2001 bis 2007 Boni von 6.200,00 Euro bis 16.000,00 Euro brutto.
9
Die H Bank AG geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Sie wies im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro und die H-Gruppe insgesamt einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Die H-Gruppe erhielt in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristige Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der H Bank AG selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand in einem Mitarbeiterbrief mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.
10
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2008 ein anteiliger Leistungsbonus zu. Sie habe vereinbarte persönliche Ziele voll erreicht und leicht übertroffen; selbst wenn das Unternehmensergebnis für das Jahr 2008 negativ gewesen sei, rechtfertige dies nicht eine vollständige Streichung des Bonus.
11
Sie hat auf Grundlage des vereinbarten Basiswerts und nach den Maßgaben der Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis den ihr ihrer Auffassung nach zustehenden Bonus errechnet.
12
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.336,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen.
13
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Milliardenverluste sei ermessensfehlerfrei kein Bonustopf für das Jahr 2008 zur Verfügung gestellt worden.
14
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.