Arbeitsrecht

Leistungsverfügung eines Profi-Sportlers auf Mitwirkung seines Arbeitgebers bei der Lizenzerteilung

Aktenzeichen  24 Ga 13/20

Datum:
22.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
SpuRt – 2021, 105
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 935, § 940
BGB § 241 Abs. 2, § 611 Abs. 1, § 611a

 

Leitsatz

1. Kann ein Profi-Sportler (hier: Eishockeyspieler in der DEL) seiner arbeitsvertraglich auferlegten Verpflichtung, einen Lizenzvertrag abzuschließen, ohne Mitwirkung des Arbeitgebers nicht nachkommen, kann er im Wege der einstweiligen (Leistungs-) Verfügung verlangen, dass der Arbeitgeber den notwendigen Antrag zur Erteilung einer Lizenz für die kommende Saison stellt. (Rn. 19 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Weigerung des Profi-Sportlers, “freiwillig” einer von allen anderen Spielern anlässlich der COVID-19-Pandemie akzeptierten Gehaltsumwandlung in eine variable Vergütung zuzustimmen, begründet für den Verein nicht das Recht zur Suspendierung dieses Spielers. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Verfügungsbeklagte hat bei der … GmbH & Co. KG einen Antrag auf Erteilung einer regulären Lizenz für den Verfügungskläger für die Saison 2020/2021 zu stellen.
2. Die Verfügungsbeklagte und der Verfügungskläger tragen je ½ der Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 10.000,00 festgesetzt.

Gründe

Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten verlangen, dass diese einen Lizenzantrag bei der … GmbH & Co. KG für die Saison 2020/2021 für den Verfügungskläger stellt, weshalb der Verfügungsklage stattgegeben wurde.
I.
Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Ziffer 3a ArbGG. Das erkennende Gericht ist örtlich zuständig gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit den §§ 12, 17 ZPO.
II.
Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung ist begründet. Die Einstweilige Verfügung war gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 935, 940 ZPO zu erlassen.
1. Dem Kläger steht als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 611 Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen die Verfügungsbeklagte auf Antragstellung der geforderten Lizenz zu. Die Verpflichtung ergibt sich darüber hinaus aufgrund der bestehenden Fürsorgepflicht nach den §§ 611 a, 241 Abs. 2 BGB. Die sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht jedes Vertragspartners auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen, kann grundsätzlich zu der Verpflichtung des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken (BAG vom 24.09.2009 – 8 AZR 444/08).
a) In jedem Arbeitsverhältnis besteht die Nebenpflicht des Arbeitgebers, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragspartner nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Hierzu gehört im vorliegenden Fall, dass die Verfügungsbeklagte, wie in den vorangegangenen Jahren, die Beantragung der Spieler-Lizenz bei der Ligagesellschaft für den Verfügungskläger übernimmt. Der Verfügungskläger ist nach § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrages als Lizenzspieler im Sinne der Spielordnung der … GmbH & Co. KG angestellt. Schon hieraus ergibt sich, dass der Arbeitsvertrag mit einer Lizenz des Klägers bei der Ligagesellschaft verknüpft ist, da ansonsten ein Arbeitsvertrag als „Lizenzspieler“ nicht möglich wäre. In § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages ist dann weiter geregelt, dass sich der Spieler verpflichtet, mit der Ligagesellschaft einen Lizenzvertrag für die Dauer dieses Arbeitsvertrages abzuschließen. Aus dieser Pflicht des Spielers resultiert die Verpflichtung der Arbeitgeberin, das auf ihrer Seite Erforderliche zum Erhalt des Lizenzvertrages zu unternehmen. Schließlich ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Ziffer a) des Arbeitsvertrages, wonach Bedingung für die Wirksamkeit dieses Vertrags ist, dass ein wirksamer Lizenzvertrag der Ligagesellschaft mit dem Spieler während der gesamten Vertragsdauer besteht, dass für den Verfügungskläger der Erhalt der Lizenz von besonderer Wichtigkeit für die Möglichkeit seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachkommen zu können, ist.
b) Dieser dem Kläger im Arbeitsvertrag auferlegten Verpflichtung, einen Lizenzvertrag abzuschließen, kann der Verfügungskläger ohne Mitwirkung der Verfügungsbeklagten nicht nachkommen. Zwar behauptet die Verfügungsbeklagte, die Beantragung der Lizenz obliege dem Spieler und Lizenznehmer. Dem folgt das Gericht nicht. Zum einen ergibt sich aus dem vorgelegten Antrag auf Lizenzerteilung vom 01.08.2019, dass die Verfügungsbeklagte als DEL-Club für den Verfügungskläger für die Saison 2019/2020 die Lizenz beantragt hat. Auch hat die Verfügungsbeklagte den Vortrag des Verfügungsklägers, wonach zu Saisonbeginn die Verfügungsbeklagte jeweils sich verschiedene Unterlagen von den Spielern unterzeichnen ließ und dann die Lizenzbeantragung übernommen hat, nicht bestritten. Unbestritten hat die Verfügungsbeklagte auch für die aktuelle Saison 2020/2021 für die aktiven Spieler die Beantragung der Lizenzen, wie in den Vorjahren, übernommen.
c) Die Verfügungsbeklagte war nicht berechtigt, den Verfügungskläger bei der Beantragung der Spieler-Lizenzen außen vor zu lassen.
aa) Ein solches Recht der Verfügungsbeklagten ergibt sich nicht aus der erfolgten Suspendierung; das Gericht geht davon aus, dass für die erfolgte Suspendierung keine ausreichenden Gründe, die die Suspendierung rechtfertigen würden, gegeben sind. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht M. – Kammer I. – (10 Ca 931/20) begründet die Verfügungsbeklagte die Suspendierung im Wesentlichen damit, dass sie aufgrund der Vorgabe der Ligagesellschaft gezwungen gewesen sei, den Kläger aufgrund seiner Weigerung, der von allen anderen Spielern akzeptierten Gehaltsumwandlung von 25 % in eine variable Vergütung zuzustimmen, gezwungen gewesen sei, Schritte gegen den Kläger einzuleiten. Das Gericht ist hierzu der Auffassung, dass die von der Verfügungsbeklagten genannten Gründe eine Suspendierung des Klägers nicht rechtfertigen, da zum einen, wie die Verfügungsbeklagte selbst betont, eine Vereinbarung freiwillig gewesen wäre, und zum anderen der von der Ligagesellschaft geforderte Einspareffekt durch eine Suspendierung nicht zu erreichen war.
bb) Ein Recht der Verfügungsbeklagten, von der Verpflichtung zur Beantragung der Spieler-Lizenz abzusehen, ergibt sich auch nicht aus der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung vom 08.12.2020. Nach derzeitigem Stand ist nicht von der Wirksamkeit dieser Kündigung auszugehen. Zum einen erging hierzu eine die Kündigung für vorläufig unwirksam erklärende Einstweilige Verfügung (Arbeitsgericht München – Kammer Ingolstadt – 10 Ga 16/20). Zum anderen hat die Verfügungsbeklagte im vorliegenden Verfahren Kündigungsgründe nicht benannt und bei Berücksichtigung des Vortrags der Parteien in dem genannten Verfügungsverfahren vor der 10. Kammer, wonach die Kündigungserklärungsfrist nicht eingehalten ist, spricht derzeit nichts für die Wirksamkeit der Kündigung.
2. Der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Ein solcher liegt vor, wenn objektiv die Besorgnis besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne eine alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Anordnungen im Wege der Einstweiligen Verfügung müssen auf einen vorläufigen Rechtsschutz gerichtet sein. Das summarische Erkenntnisverfahren soll grundsätzlich nicht zur Befriedigung des Anspruchs und zur Vorwegnahme der Hauptsache führen. Eine Ausnahme wird bei sogenannten Leistungsverfügungen gemacht, wenn der Gläubiger auf die sofortige Anspruchserfüllung zur Abwendung wesentlicher Nachteile angewiesen ist. Angesichts des Ausnahmecharakters Einstweiliger Verfügungen müssen schwerwiegende Beeinträchtigungen drohen, deren Hinnahme dem Antragsteller bei Abwägung beiderseitiger Interessen auch nicht für einen vorübergehenden Zeitraum bis zum Abschluss der ersten Instanz zumutbar ist. Ein derartiger schwerwiegender Nachteil liegt zwar grundsätzlich nicht bereits bei einer zeitweiligen Verhinderung der Beschäftigung, die für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig zu machen wäre (LAG Köln vom 26.08.1992, 2 Sa 624/92). Vorliegend ergibt sich die besondere Dringlichkeit aber daraus, dass der Verfügungskläger als Lizenzspieler in der höchsten Spielklasse des professionell ausgeübten Eishockey-Sports in Deutschland auf die Lizenzerteilung angewiesen ist, um seinen Beruf ausüben zu können. Die Spielsaison 2020/2021 hat am 17.12.2020 begonnen und der Kläger hat bei einem Zuwarten auf eine Entscheidung in einer Hauptsache keine Möglichkeit, am Spielbetrieb ohne Erhalt einer Lizenz teilzunehmen. Das Gericht sieht dabei durchaus, dass die Lizenzerteilung von der Liga-Gesellschaft auch abgelehnt werden kann, doch ohne die Antragstellung durch die Verfügungsbeklagte ist zur Überzeugung des Gerichts überhaupt keine Möglichkeit zum Erhalt der Lizenz gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung im Urteil basiert auf § 91 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Kosten für die Rücknahme des Antrags II. waren dem Verfügungskläger aufzuerlegen.
IV.
Die Streitwertentscheidung im Urteil basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Das Gericht erachtet den doppelten Ansatz des Ausgangsstreitwerts für angemessen.
V.
Gegen diese Entscheidung steht der Verfügungsbeklagten das Rechtsmittel der Berufung entsprechend der nachfolgenden ausführlichen Rechtsmittelbelehrung zum Landesarbeitsgericht München zu. Der Verfügungskläger kann sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung einlegen.


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