Arbeitsrecht

Nachwirkung eines Firmentarifvertrages

Aktenzeichen  5 Sa 712/21

Datum:
16.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17301
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVG § 4 Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 Ca 112/21 2021-09-09 Endurteil ARBGROSENHEIM ArbG Rosenheim

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim – Kammer Traunstein – vom 09.09.2021, Az.: 5 Ca 112/21 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, so dass das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage zurückzuweisen war.
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts entfaltet der Zukunftstarifvertrag III nach seiner Beendigung gem. Ziff. VI eine Nachwirkung, so dass es bei der – von der generellen tariflichen Regelung abweichenden – Regelung des Zukunftstarifvertrages III verbleibt, nach der die Hälfte des 13. Monatseinkommens erfolgsorientiert und damit nur bei einem positiven Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten zu zahlen ist. Da unstreitig im Jahr 2020 die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Zahlung des erfolgsorientierten Anteils nicht vorlagen, steht dem Kläger über die bereits erhaltene, hälftige Zahlung des 13. Monatseinkommens der streitgegenständliche erfolgsabhängige Anteil nicht zu, so dass das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen war.
1. Grundsätzlich gilt gem. § 4 Abs. 5 TVG, dass Tarifverträge nach ihrer Beendigung nachwirken. Auch Befristung und auflösende Bedingungen führen als Geltungsende zur Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG (Löwisch/Rieble § 1 TVG, Rn 1566). Mit der Nachwirkung verhindert das TVG im Interesse der Tarifvertragsparteien und ihrer Mitglieder, dass der Tarifvertrag ersatzlos endet. Auf diesen Überbrückungsschutz können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich verzichten, indem sie im Tarifvertrag selbst dessen Nachwirkung von vornherein ausschließen, befristen oder sachlich beschränken (Löwisch/Rieble § 4 TVG, Rn. 858, m.w.N.).
Auch für den Fall, dass die Tarifparteien bei einer Befristung oder auflösenden Bedingungen keine Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVTG wünschen, z.B., weil sie im Fall der Befristung eine Geltung nur für einen Sanierungszeitraum gewollt haben oder weil die auflösende Bedingung zugleich die Rückkehr zu einem anderen Tarifvertrag bedeuten soll, müssen sie die Nachwirkung eindeutig ausschließen. Eine ergänzende Tarifauslegung mit Blick auf die Bedeutung des Beendigungsgrundes kommt nicht in Betracht (Löwisch/Rieble § 1 TVG, Rn 1566).
2. Vorliegend sieht der Zukunftstarifvertrag III keinen ausdrücklichen Ausschluss einer Nachwirkung für den Fall vor, dass wegen des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen die auflösende Bedingung gem. Ziff. VI greift und der Tarifvertrag mit sofortiger Wirkung endet. Im Gegenteil regeln die Schlussbestimmungen in Ziff. VII eine Nachwirkung „der Tarifverträge“, also des Zukunftstarifvertrages III und des Werktarifvertrages nach deren Beendigung „bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden“.
Ob diese Regelung auch die Beendigung aufgrund der auflösenden Bedingung im Fall des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen meint, ist durch Auslegung zu ermitteln.
2.1 Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchst. zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr. vgl. BAG 13.7.2021 – 3 AZR 363/20, Rn. 23; BAG 21.1.2020, 3 AZR 73/19, Rn. 27, jeweils m.w.N).
2.2 Ausgehend vom Wortlaut des Zukunftstarifvertrages III enthält Ziff. VII unter der Überschrift „VII. Inkrafttreten“ zunächst eine Regelung hierzu und enthält im Weiteren die Regelung einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren bis 31.12.2026 und zur Möglichkeit der Kündigung für beide Parteien mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündbar, erstmals zum 31.12.2026. Ausdrücklich ausgenommen von diesem Datum wird die Beendigung gemäß II. und VI. Sodann folgt eine Regelung zu dem parallel geltenden Werktarifvertrag und sieht für diesen ebenfalls die frühestmögliche Kündigung zum 31.12.2026 mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende vor. Danach folgt in einem eigenen Absatz die Regelung, dass „nach Beendigung der Tarifverträge… ihre Bestimmungen weiter“ gelten „bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden“. Außerdem sieht die Regelung eine Verpflichtung zu Verhandlungen über die zukünftige Gestaltung des Zukunftstarifvertrages sechs Monate vor Ablauf des 31.12.2026 vor, bzw. im Falle einer Kündigung innerhalb von sechs Monaten Verhandlungen. Darüber hinaus sollen Gespräche über die Weiterentwicklung oder Fortführung des Zukunftstarifvertrages III unabhängig von der Laufzeit bei gravierenden wirtschaftlichen Veränderungen und der damit verbundenen Ergebnislage geführt werden.
2.3 Nach dem Wortlaut und der Systematik gelten die unter Ziff. VII getroffenen Regelungen, die typische Abschlussbestimmungen enthalten, grundsätzlich für den ganzen Tarifvertrag. Dies trifft ohne Weiteres für das Inkrafttreten zu und auch für die Regelungen zur Mindestlaufzeit und Kündigung, da ansonsten die Tarifparteien die Regelungen der Ziff. II (Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung) und Ziff. VI (auflösende Bedingung für den Fall von betriebsbedingte Kündigung) nicht ausdrücklich ausgenommen hätten.
Die sodann getroffene Regelung zur Nachwirkung folgt in einem eigenen Absatz und sieht die Weitergeltung der Tarifverträge nach ihrer Beendigung vor, bis sie durch eine andere Vereinbarung ersetzt werden. Der Wortlaut der Regelung enthält damit keinen Zusammenhang der geregelten Nachwirkung mit dem Fall, dass der Tarifvertrag durch Kündigung beendet wird. Insbesondere auch im Hinblick darauf, dass der Tarifvertrag anschließend sehr wohl differenzierte Regelungen zu Verhandlungen oder Gespräche trifft, je nachdem, ob eine Kündigung ausgesprochen wurde, oder nicht, ist nach dem Wortlaut davon auszugehen, dass die Nachwirkung für alle Fälle der Beendigung des Tarifvertrages ausdrücklich gewollt war, ohne Differenzierung, ob die Beendigung aufgrund einer ordentlichen Kündigung, einer außerordentliche Kündigung gem. Ziff. II oder dem Eintritt der auflösenden Bedingung gem. Ziff. VI beruht. Auch die Tatsache, dass unabhängig von der Laufzeit des Zukunftstarifvertrages III bei gravierenden wirtschaftlichen Veränderungen und der damit verbundenen Ergebnislage, Gespräche über dessen Weiterentwicklung oder Fortführung stattfinden sollen und damit gerade auch in dem hier eingetretenen Fall der sofortigen Beendigung aufgrund der wegen der wirtschaftlichen Lage ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen, spricht für die gewollte Nachwirkung und Kontinuität der Regelungen, die aus der parallelen Geltung der beiden Tarifwerke (Werktarifvertrag und Zukunftstarifvertrag III) besteht. Aus den getroffenen Regelungen wird deutlich, dass die Tarifparteien ausreichend Zeit haben wollten, bei Fortgeltung der bestehenden Regelungen über eine Anschlussregelung zu verhandeln. Damit ist die getroffene Regelung als Klarstellung dahingehend zu verstehen, dass die Tarifparteien die ohnehin gesetzliche in § 4 Abs. 5 TVG vorgesehene Nachwirkung ausdrücklich wollten.
2.4 Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Entstehungsgeschichte der Tarifverträge, die eindrucksvoll zeigt, dass sich gerade im Hinblick auf den Ausschluss der Nachwirkung die Regelungen nach und nach geändert haben, um die parallele Geltung der beiden Tarifverträge sicherzustellen und eine praktikable, verlässliche Regelung durch die Tarifparteien zu ermöglichen: Anerkennungstarifvertrag/ Werktarifvertrag auf der einen Seite, der die Einbeziehung der wesentlichen tariflichen Vergütungsleistungen aus dem MTV und TV 13 vorsah und den Ergänzungstarifvertrag/ Sanierungstarifvertrag/Zukunftstarifvertrag I-III auf der anderen Seite, die jeweils Modifikationen insbesondere auch hinsichtlich der Wochenarbeitszeit und des 13. Monatseinkommens enthielten.
Die ersten Regelungen wurden in Form des „Werktarifvertrages (Anerkennungstarifvertrag)“ vom 12.03.2004, erstmals kündbar zum 31.12.2006 und dem Ergänzungstarifvertrag vom 12.03.2004 mit Beendigung gemäß seiner Ziffer II „ohne Nachwirkung“ am 31.12.2006 getroffen.
Am 20.12.2005 vereinbarten die Tarifvertragsparteien als Ablösung des Ergänzungstarifvertrages den Sanierungstarifvertrag, der eine erstmalige Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.2008 vorsah und außerdem auch die erstmalige Kündigungsmöglichkeit des Werktarifvertrages zum 31.12.2008 regelte. Hier wurden also die Kündigungsmöglichkeiten beider Tarifverträge in den Sanierungstarifvertrag aufgenommen. Gemäß Ziffer IX Abs. 1 sollte der Sanierungstarifvertrag nach der Beendigung wiederum keine Nachwirkung haben. Allerdings sah der Sanierungstarifvertrag nun erstmals eine Regelung parallel zu Ziff. VI des streitgegenständlichen Zukunftstarifvertrages III vor: in Ziffer VIII wurde der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen geregelt (Satz 1) und für den Fall des Ausspruchs solcher Kündigungen eine sofortige Beendigung des Tarifvertrages vereinbart (Satz 2). Ziff. VIII Satz 3 regelte sodann ausdrücklich den Ausschluss einer Nachwirkung.
Nachdem bis September 2008 noch keine Einigung über einen Folgetarifvertrag erzielt worden war, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 29.09.2008 den Werktarifvertrag, um zu verhindern, dass dieser ohne den Zusatztarifvertrag Wirksamkeit behält. Mit dem Werkvertrag wären zum 31.12.2008 damit alle tariflichen Leistungen entfallen.
Am 29.10.2008 wurde sodann der „Zukunftstarifvertrag“ abgeschlossen, der in Ziffer VIII nunmehr eine Nachwirkung vorsah und eine Kündigungsmöglichkeit frühestens zum 31.12.2013 und damit eine erhebliche längere Laufzeit. Allerdings auch hier mit Ausnahme der Beschäftigungssicherungsklausel, die wiederum, wie schon der Sanierungstarifvertrag, für den Fall der Beendigung durch Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen eine sofortige Beendigung vorsah. In dieser Klausel, die ansonsten dem Wortlaut derjenigen des Sanierungstarifvertrags vom 20.12.2005 entsprach, war der letzte Satz über die Nachwirkung weggefallen. Für den Werktarifvertrag wurde die gleiche Kündigungsfrist frühestens zum 31.12.2013 vereinbart. Dies zeigt eindrücklich, dass die Parteien für die Zukunft verhindern wollten, dass wegen einer fehlenden Nachwirkung des Zukunftstarifvertrages, sei es wegen des Ausspruchs von betriebsbedingten Kündigungen oder wegen einer sonstigen Beendigung, die Beklagte sich gezwungen sieht, den Werktarifvertrag zu kündigen. Bei der nunmehr aufgrund der vorgenommenen Änderungen sogar ausdrücklich geregelten Nachwirkung des Zukunftstarifvertrages bestand diese Notwendigkeit nicht mehr, so dass die Tarifparteien eine langfristige Kontinuität der Regelungen erreichen konnten.
Auf diesen Tarifvertrag folgte der Zukunftstarifvertrag II vom 22./25.03.2014, der nunmehr als Änderung eine Nachwirkung für beide Tarifverträge in Ziffer VIII vorsah und eine Mindestlaufzeit zum 31.12.2016 wieder mit Ausnahme der sofortigen Beendigung für den Fall des Ausspruchs betriebsbedingter Beendigungskündigungen.
Der Zukunftstarifvertrag III vom 02.12.2016 sah dann eine feste Laufzeit von zehn Jahren vor mit einer erstmaligen Kündigungsmöglichkeit zum 31.12.2026 wiederum mit Ausnahme des Falles betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Für diesen Fall blieb es wortgleich bei der sofortigen Beendigung des Tarifvertrages. Ebenso wortgleich mit dem vorherigen Zukunftstarifvertrag II wird eine Nachwirkung wiederum für beide Tarifverträge geregelt. Auch hier haben die Tarifparteien durch die Kombination von Nachwirkung und langer Mindestlaufzeitihren Wunsch nach langfristiger Kontinuität in der parallelen Geltung beider Regelungen zum Ausdruck gebracht. Auch in der Entstehungsgeschichte der Tarifverträge wird daher deutlich, dass sich die Nachwirkung auf alle Fälle einer Beendigung des Zukunftstarifvertrages III beziehen soll.
3. An dieser Auslegung ändert sich auch nichts durch die Anwendung der Rechtsprechung des BAG zu einem möglichen konkludenten Ausschluss der Nachwirkung durch die Tarifparteien. Es kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend der umstrittenen Rechtsprechung des BAG (16.5.2012, 4 AZR 366/10) eine konkludente Vereinbarung aus den Interessen der Tarifparteien geschlossen werden kann, auch wenn der regelnde Ausschluss der Nachwirkung seinen Niederschlag nicht in der Tarifurkunde gefunden hat (insoweit ablehnend: Löwisch/Rieble § 4 TVG, Rn. 863f, m.w.N.), da ein vergleichbarer Fall hier nicht gegeben ist.
Entgegen der vom Kläger wiederholt vorgetragenen Behauptung, dass die Einschränkungen hinsichtlich des 13. Monatseinkommens und der Wochenarbeitszeit von der Arbeitgeberseite erkauft waren durch die Beschäftigungssicherung und bei deren Wegfall demnach auch die Einschränkungen selbst keinen weitergehenden Bestand haben können, ist so nicht zutreffend.
Zunächst ist festzuhalten, dass erst der Abschluss des Werktarifvertrags zugunsten der Arbeitnehmer zu der Anwendung der günstigen Regelungen des Metalltarifs geführt hat, was ansonsten aufgrund der fehlenden Tarifbindung der Arbeitgeberseite nicht der Fall gewesen wäre. Der gleichzeitig abgeschlossene Ergänzungstarifvertrag, wie auch in der Folge der Sanierungstarifvertrag und die Zukunftstarifverträge IIII haben die tariflichen Leistungen im Gegenzug in einigen Punkten jeweils beschränkt – insbesondere die höhere Wochenarbeitszeit und den erfolgsabhängigen Teil des 13. Monatseinkommens. Die Entstehungsgeschichte der Tarifverträge zeigt, wie dieses Regelungen ineinandergreifen und auch, dass für die Arbeitgeberseite in keinem Falle der Metalltarif ohne Einschränkungen gelten sollte.
Eine Beschäftigungssicherung war zunächst beim Ergänzungstarifvertrag vom 12.03.2004 gar nicht vorgesehen. Der „Preis“ für die Einschränkungen des Metalltarifs war damit im vorliegenden Fall die Zusage der Leistungen selbst, ohne die es natürlich auch der Einschränkungen nicht bedurft hätte.
Anders lag der Sachverhalt bei der Entscheidung BAG 16.05.2012, 4 AZR 366/10. Dort ging es um eine Reduzierung der Kosten aus einem an sich anzuwendenden Verbandstarifvertrag durch zeitlich begrenzte Anhebung der dort vereinbarten Wochenarbeitszeit – im Wesentlichen ohne Entgeltausgleich – bei gleichzeitig vereinbarter Beschäftigungssicherung durch den zeitlich begrenzten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Eine Nachwirkung hätte in diesem Falle dazu geführt, dass zwar die Beschäftigungssicherung entfallen wäre, aber das als Ausgleich für einen befristeten Kündigungsverzicht vorgesehene Entgeltopfer der Arbeitnehmer unbefristet fortbestanden hätte. Das BAG ist in diesem speziellen Falle dazu gekommen, dass nach dem gemeinsamen Willen der Tarifvertragsparteien eine Nachwirkung konkludent ausgeschlossen werden sollte, weil ihr Regelungswille dahin ging, zeitlich nur befristete Regelungen unter Ausschluss der Nachwirkung zu treffen. Dies folge aus den in der Vereinbarung miteinander in Ausgleich gebrachten wechselseitigen Interessen.
Vorliegend ist die Beschäftigungssicherung erstmals im Sanierungstarifvertrag vom 20.12.2005 aufgenommen worden bei ansonsten gleichbleibender Konstruktion der parallel laufenden Regelungen von Werktarifvertrag und Sanierungstarifvertrag. Mit der Beschäftigungssicherung ist also ein weiteres Ziel hinzugekommen, ohne das die Regelung allerdings nicht obsolet gewesen wäre, denn der Fortbestand des Werktarifvertrages war für die Tarifparteien gleichermaßen wichtig.
Dies hat sich in der Folge eindrucksvoll in der weiteren Entwicklung der Tarifverträge gezeigt. Der Sanierungstarifvertrag sollte gem. Ziffer IX Abs. 1 nach Beendigung zum 31.12.2008 keine Nachwirkung haben. Ebenso war die Nachwirkung bei einer sofortigen Beendigung des Tarifvertrages bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen ausdrücklich ausgeschlossen. Nachdem bis September 2008 noch keine Einigung über einen Folgetarifvertrag erzielt worden war, kündigte die Beklagte sodann mit Schreiben vom 29.09.2008 den Werktarifvertrag, um zu verhindern, dass dieser ohne den Zusatztarifvertrag Wirksamkeit behält. Daraufhin wurde bei den Zukunftstarifverträgen eine Nachwirkung ausdrücklich vorgesehen und auch der Ausschluss der Nachwirkung für den Fall einer sofortigen Beendigung wegen des Ausspruchs betriebsbedingter Kündigungen gestrichen. Dies belegt, dass es sich nicht um eine Nachlässigkeit der Tarifparteien handelt, die zu einer ihren Interessen zuwiderlaufenden Regelung führt. Vielmehr war die Nachwirkung aufgrund des Zusammenspiels von Werkvertrag und Zukunftstarifvertrag ausdrücklich gewollt, um eine Fortgeltung des Werkvertrages – gerade auch zugunsten der Arbeitnehmer – zu sichern. Ein Wille der Tarifparteien, konkludent entgegen dem Wortlaut des Zukunftstarifvertrages III die Nachwirkung bei Eintritt der auflösenden Bedingung gem. Ziff. VI auszuschließen, ist nicht ersichtlich.
4. Der in seiner Nachwirkung fortgeltende Zukunftstarifvertrag III ist auch nicht durch eine andere Abmachung gem. § 4 Abs. 5 TVG ersetzt worden. In welchem Umfang eine „andere Abmachung“ einen nach § 4 V TVG nachwirkenden Tarifvertrag in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ersetzen soll, bestimmt sich nach dem in ihr zum Ausdruck kommenden Regelungswillen, der durch Auslegung zu ermitteln ist (BAG 16.05.2012, 4 AZR 366/10).
Aufgrund der voranstehenden Ausführungen zur Auslegung nach Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Tarifverträge wird ohne Weiteres auch ersichtlich, dass es sich entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht bei dem Werktarifvertrag nicht um einen ablösenden Tarifvertrag i.S. des § 4 Abs. 5 TVG handeln kann. Vielmehr handelt es sich um parallellaufende Regelungswerke, die ineinandergreifen und zusammen die von den Tarifparteien gewollte Gesamtregelung ergeben.
5. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts der Zukunftstarifvertrag III nachwirkt und der Kläger nach den dort immer noch wirksam festgelegten Regelungen keinen Anspruch auf Auszahlung des zweiten Teils des 13 Monatseinkommens hat, weil die dort genannten erfolgsbezogenen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Dem Rechtsstreit kommt über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zu, sodass für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung bestand. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG der Kläger hingewiesen wird, zulassen sollte.


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