Aktenzeichen 5 Sa 434/20
TVÜ-VKA §§ 29 ff
Leitsatz
Verfahrensgang
8 Ca 8870/18 2020-02-26 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 26.02.2020, Az.: 8 Ca 8870/18 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Einstufung in die EG 9b Stufe 6 statt Stufe 5 der neuen Entgeltordnung TVöD-VKA und dementsprechende Bezahlung.
1. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf das Zusammenspiel von §§ 29 b Abs. 4 Satz 2 und 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine höhere Einstufung setzt daher voraus, dass er bei seiner Überleitung zum 01.01.2017 über eine Stufenlaufzeit verfügt hat, die er gem. § 29 c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA als Beschäftigter der sog. „kleinen 9“ in die neue EG 9a mitnehmen konnte. Nur dann kommt eine Höhergruppierung rückwirkend zum 01.01.2017 in Betracht, die gem. § 29 b Abs. 4 Satz 2 TVÜ-VKA als Ausnahme von der grundsätzlichen Regelung in § 29 b Abs. 2 S. 1 TVÜ-VKA i.V.m. des § 17 Abs. 4 Satz 2 TVöD in der bis zum 28. Februar 2017 geltenden Fassung unter Anrechnung der in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe, hier EG 9b erfolgt. Wären auf diese Weise die Zeiten einer Tätigkeit des Klägers in der Endstufe 5 der „kleinen 9“ von mehr als fünf Jahren als Stufenlaufzeit für die Stufenzuordnung in der EG 9b zu berücksichtigen gewesen, hätte dies eine Einstufung bereits zum 01.01.2017 in die EG 9b Stufe 6 zur Folge gehabt.
2. Eine solche anrechenbare Stufenlaufzeit für die Höhergruppierung bestand für den Kläger nicht.
2.1 Zunächst ist mit dem Arbeitsgericht und den Parteien nach dem Wortlaut des Tarifvertrages davon auszugehen, dass die Regelung des § 29b TVÜ-VKA eine bereits erfolgte Überleitung voraussetzt und diese zunächst zum 01.01.2017 gem. der speziellen Regelung in § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA in die EG 9a Stufe 6 erfolgt ist.
Für die Auslegung von Tarifnormen ist genauso, wie für die Auslegung von Gesetzesnormen zunächst vom Wortlaut auszugehen. Außerdem ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Für die bei Zweifeln darüber hinaus mögliche Heranziehung weiterer Auslegungskriterien (Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages) gibt es keinen Zwang zu einer bestimmten Reihenfolge (BAG 14.08.1991, 4 AZR 649/90 und BAG 12.09.1984, 4 AZR 336/82, NZA 1985, 160).
Für die Anwendung von § 29b TVÜ-VKA auf der Basis einer bereits nach den einschlägigen Vorschriften stattgefundenen Überleitung spricht die Formulierung in §§ 29 Abs. 1 S. 2 und 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA „… sind … übergeleitet“. Entsprechend dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt nach der automatischen Überleitung sodann für eine nach den neuen Eingruppierungsregelungen berechtigte Höhergruppierung die Notwendigkeit eines Antrages gem. § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA.
Die auf Antrag des Klägers erfolgte Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 ist daher in Vergleich zu setzen mit der betragsmäßigen Überleitung in die EG 9a Stufe 6 und nicht mit der bis 31.12.2016 geltenden Eingruppierung in EG 9 Stufe 5 („kleine 9“). Im Verhältnis zu der EG 9a Stufe 6 ist die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 auf einer niedrigeren Stufe erfolgt, so dass grundsätzlich § 29b Abs. 4 S. 2 TVÜVKA zur Anwendung kommt und hiernach die in der bisherigen Stufe zurückgelegte Stufenlaufzeit auf die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe angerechnet wird.
2.2 Entgegen der Ansicht des Klägers bestand dennoch für ihn keine anrechenbare Stufenlaufzeit i.S. dieser Regelung, die er mitnehmen konnte.
2.2.1 Der Kläger hatte nach seiner Überleitung zum 01.01.2017 in die EG 9a Stufe 6 in dieser Stufe rein faktisch keine Stufenlaufzeit vorzuweisen. Bei einer rückwirkenden Höhergruppierung zum 01.01.2017 gab es keinen Zeitraum, den der Kläger in dieser Entgeltgruppe zurückgelegt hat.
2.2.2 Zudem konnte der Kläger auf der Stufe 6 als Endstufe der EG 9a gem. § 16 Abs. 1 TVöD-VKA keine Stufenlaufzeit zurücklegen. Das ergibt sich aus dem Begriff „Stufenlaufzeit“ und dem Tarifzusammenhang.
Was unter „Stufenlaufzeit“ zu verstehen ist, ist in § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöDVKA umschrieben. Darin heißt es, dass die Beschäftigten „die jeweils nächste Stufe … nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit)“ erreichen. Unter „Stufenlaufzeit“ sind dementsprechend Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe zu verstehen, die zum Erreichen der nächst höheren Stufe führen, also quasi zwischen zwei Stufen liegen. Bei Erreichen einer Endstufe ist ein weiterer Aufstieg innerhalb der jeweiligen Entgeltgruppe nicht mehr möglich. Wenn es keine nächste Stufe mehr gibt, kann auf dieser Stufe (Endstufe) auch keine Stufenlaufzeit zurückgelegt werden. Gem. § 16 Abs. 1 TVöD-VKA ist die Stufe 6 die Endstufe der EG 9a.
2.2.3 In die Stufe 6 der EG 9a konnte der Kläger auch gem. § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA keine Stufenlaufzeit mitbringen, die er zuvor in der EG 9 Stufe 5 (Endstufe) zurückgelegt hatte. Zwar sieht § 29c Abs. 3 S. 1 TVÜ-VKA für Beschäftigte der Entgeltgruppe 9, für die gem. des Anhangs zu § 16 (VKA) TVöD in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung die Stufe 5 Endstufe ist, grundsätzlich vor, dass sie unter Mitnahme der in ihrer Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit in die Stufe der Entgeltgruppe 9 a übergeleitet werden, deren Betrag dem Betrag ihrer bisherigen Stufe entspricht. Diese Regelung fand auch auf den Kläger als Beschäftigten der sog. „kleinen 9“ gem. I. Abs. 1 c) des Anhangs zu § 16 (VKA) in der vom 01.01.2010 bis 31.12.2016 gültigen Fassung Anwendung und er wurde betragsmäßig in die Stufe 6 (Endstufe) der EG 9a übergeleitet. Allerdings war der Kläger zuvor bereits in Stufe 5 und damit in der Endstufe der „kleinen 9“ eingruppiert, in der es aus den unter 2.2.2 genannten Gründen keine Stufenlaufzeit mehr gibt.
Es ist entgegen der Ansicht des Klägers unschädlich, dass der Wortlaut keine eigene Regelung für die Stufe 5 enthält. Da es in einer Endstufe keine Stufenlaufzeit geben kann, scheidet eine Mitnahme dieser nicht vorhandenen Stufenlaufzeit ohnehin aus. Daher kommt eine Mitnahme der Stufenlaufzeit nur für die Stufen 1-4 in Betracht (s. auch Burger-Spengler/Dick, TVöD AT § 17, Rn 34; BeckOK TVöD-Felix TVöD-AT § 17 Rn. 101). Dementsprechend enthält auch § 29c Abs. 3 S. 4 TVÜVKA nur eine Regelung dafür, dass für den Fall, dass in der bisherigen Stufe 4 eine über vier Jahre hinausgehende Stufenlaufzeit zurückgelegt wird, diese auf die Stufenlaufzeit in der Stufe 5 der EG 9a angerechnet wird. Eine Regelung für die Anrechnung von Stufenlaufzeiten, die sich auf eine Endstufe bezieht, wie z.B. die bisherige Stufe 5 der „kleinen 9“ oder die Regelendstufe – die Stufe 6 -, findet sich folgerichtig im Tarifvertrag und in den Überleitungsregelungen nicht. Diese Systematik bestätigt, dass eben in der bisherigen Stufe 5 keine „Stufenlaufzeiten“ bis zum Erreichen der nächsten Stufe zurückgelegt werden konnten.
2.3 Gründe für eine Unwirksamkeit der tariflichen Regelungen bestehen nicht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, entsteht für den Kläger hierdurch auch kein Nachteil, da er zunächst betragsmäßig in die EG 9a Stufe 6 und damit ebenfalls in die Endstufe übergeleitet worden ist. Vielmehr hat der Kläger durch die Höhergruppierung in die EG 9b Stufe 5 nun erstmalig die Chance, nach Ablauf der Stufenlaufzeit in der Stufe 5 eine Gehaltserhöhung durch den Stufenaufstieg in die Endstufe 6 zu erhalten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen, da die streitgegenständliche Frage der Bedeutung des Begriffs „Stufenlaufzeit“ im Bereich des TVöD-VKA von grundsätzlicher Bedeutung ist.