Aktenzeichen 9 AZR 111/13
§ 10 Abs 1 AÜG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Brandenburg, 24. April 2012, Az: 2 Ca 1365/11, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 16. Oktober 2012, Az: 7 Sa 1182/12, Urteil
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2012 – 7 Sa 1182/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten vor allem darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. August 2008 ein Arbeitsverhältnis besteht.
2
Die Beklagte betreibt Krankenhäuser. Die Klägerin wurde von einer Agentur für Gesundheitsfachberufe (G GmbH), die über eine unbefristet erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, zum 1. August 2008 als Krankenschwester eingestellt. Der Arbeitsvertrag nimmt auf die vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen mit den Mitgliedsgewerkschaften des DGB geschlossenen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Bezug. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin der Beklagten als Leiharbeitnehmerin überlassen.
3
Die Klägerin meint, ihr Einsatz bei der Beklagten sei nicht vorübergehend iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, sodass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die Beklagte nutze in rechtsmissbräuchlicher Weise die Arbeitnehmerüberlassung, um eigenen Arbeitskräftebedarf auf Dauer zu günstigeren tariflichen Bedingungen abzudecken. Selbst wenn eine echte Überlassungskonstruktion anzunehmen wäre, würde es sich um einen institutionellen Rechtsmissbrauch iSv. § 242 BGB handeln. Der durch die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (im Folgenden: Leiharbeitsrichtlinie) bezweckte Mindestschutz für Arbeitnehmer würde verfehlt, wenn die Beklagte sich ihren typischen Arbeitgeberpflichten entziehen könnte.
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Im Revisionsverfahren hat die Klägerin behauptet, die aktuelle Koalition von CDU, CSU und SPD habe eine Gesetzesänderung in Aussicht gestellt, derzufolge nach dem Ablauf einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ein Arbeitsverhältnis zum Entleiherunternehmen angeordnet werde. In der Übergangsphase bis zur Umsetzung des gesetzgeberischen Vorhabens bleibe es der Rechtsprechung überlassen, die Sanktionierung der verbotenen Dauerüberlassung unter Einbeziehung dieser Planungen und unter Zugrundelegung der Leiharbeitsrichtlinie vorzunehmen.
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Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht beantragt
1.
festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten seit dem 1. August 2008 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem sie bei der Beklagten als examinierte Krankenschwester angestellt ist,
2.
die Beklagte – für den Fall des Obsiegens in der II. Instanz – zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als examinierte Krankenschwester zu beschäftigen,
3.
a)
die Beklagte zu verurteilen, ihr in entsprechender Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einer examinierten Krankenschwester zu erteilen, die in der Zeit seit August 2008 als examinierte Krankenschwester beschäftigt gewesen ist,
und
b)
die Beklagte nach Erteilung der Auskunft zu 3. a) zu verurteilen,
aa)
die sich aufgrund der Auskunft ergebende, noch zu bestimmende Differenzvergütung für die Zeit seit dem 1. August 2008 nachzuzahlen, welche sich berechnet aus dem regelmäßigen tariflichen Entgelt einer examinierten Krankenschwester abzüglich der bereits bezogenen Vergütung; die nachzuzahlenden Beträge sind mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem 31. Tage seit Fälligkeit zu verzinsen,
und
bb)
ihr über die Differenzvergütung hinaus beginnend ab dem 1. August 2008 diejenigen sonstigen noch zu bestimmenden Arbeitsbedingungen zu gewähren, die eine examinierte Krankenschwester der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2011 bezogen hat.
6
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag ua. die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Klägerin habe in einem weiteren Verfahren die Feststellung begehrt, dass die G GmbH als ihre Arbeitgeberin verpflichtet sei, ihr die Arbeitsbedingungen des Einsatzbetriebs zu gewähren. Wenn die Klägerin selbst von einem Arbeitsverhältnis mit der G GmbH ausgehe, fehle das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren.
7
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter mit den Maßgaben, dass im Antrag zu 1. das Wort „ungekündigtes“ entfällt und die Anträge zu 2., 3. Buchst. a) und b) nur für den Fall gestellt werden, dass dem Antrag zu 1. stattgegeben wird. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.