Arbeitsrecht

Pflichtenkollision bei befristetem Sonderurlaub zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses und Möglichkeit der Rückkehr ins Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  11 Sa 941/16

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110908
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TzBfG § 14 Abs. 1
BGB § 162 Abs. 2
GG Art. 12
SUrlV § 13

 

Leitsatz

1. Die auflösende Bedingung, wonach bei Wiederaufleben des ruhenden Beamtenverhältnisses, das Arbeitsverhältnis endet, ist wegen eines sachlichen Grundes, nämlich gesicherte Rückkehrmöglichkeit ins Beamtenverhältnis und Vermeidung einer Pflichtenkollision, gerechtfertigt.
2. Die Aufzählung im Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG ist nur beispielhaft und soll weder andere von der Rechtsprechung bisher anerkannte, noch weitere Gründe für Befristungen oder auflösende Bedingungen ausschließen (ebenso BAG BeckRS 2006, 42677). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die anschließende Weiterbeschäftigung im Rahmen des Beamtenverhältnisses im Einzelfall mit einer Verringerung der Vergütung verbunden sein mag, bleibt maßgeblich, dass über das Beamtenverhältnis und das damit verbundene Alimentationsprinzip eine Absicherung besteht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 Ca 4324/16 2016-10-18 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 23 Ca 4324/16) vom 18.10.2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Sie ist daher zulässig.
II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Aufgrund der in § 4 Abs. 3 Anlage 1 zum MTV C. enthaltenen auflösenden Bedingung, dem Wiederaufleben des Beamtenverhältnisses infolge der Beendigung der Sonderurlaubserteilung, hat das Arbeitsverhält nis der Klägerin zur Beklagten wirksam geendet. Insoweit wir zunächst auf die zutreffende Begründung des Urteils des Arbeitsgerichtes Bezug genommen.
1. Die auflösende Bedingung hat auch wirksam zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt.
a) Tarifliche Bestimmungen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt einer auflösenden Bedingung führen, müssen den Anforderungen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle genügen. Sie sind dazu nach Möglichkeit gesetzes- und verfassungskonform und damit gegebenenfalls geltungserhaltend auszulegen (vgl. BAG Urteil v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12; Urteil v. 23.02.2000 – 7 AZR 891/98). Deshalb ist auch für eine auflösende Bedingung, wie für den Fall einer Befristung, ein Sachgrund erforderlich. Soweit ein Sachgrund im Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht genannt ist, hindert dies nicht die Wirksamkeit des Sachgrundes. Die Aufzählung dort ist nur beispielhaft und soll weder andere von der Rechtsprechung bisher anerkannte, noch weitere Gründe für Befristungen oder auflösende Bedingungen ausschließen (vgl. BAG Urteil v. 15.03.2006 – 7 AZR 332/05). Die auflösende Bedingung, wie Befristung, aufgrund eines Sachgrundes, der nicht im Katalog genannt ist, ist daran zu bemessen, ob die Rechtfertigung für die Befristung den Wertungsmaßstäben der Befristungskontrolle entspricht (vgl. BAG Urteil v. 25.05.2005 – 7 AZR 402/04).
b) Grundsätzlich ist anerkannt, dass die Befristungskontrolle und das Erfordernis eines Sachgrundes insbesondere dazu dienen, zu verhindern, dass zwingende Regelungen des Kündigungsschutzes durch die Vereinbarung von Befristungen umgangen werden. Dabei kommen auflösende Bedingungen häufig dann zum Tragen, wenn es um Gründe in der Person des Arbeitnehmers geht (vgl. z. B. BAG Urt. v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12 zur fehlenden Erwerbsfähigkeit). Die Sachgründe im Befristungsrecht gehen aber – das zeigt der Katalog des § 14 Abs. 1 TzBfG – darüber hinaus. Dies unterscheidet daher auch den vorliegenden Fall von dem in der Entscheidung des BAG vom 21.04.2016 (2 AZR 609/15), in dem es einzig um eine personenbedingte Kündigung ging.
a) In der Rechtsprechung des BAG ist es aber anerkannt, dass ein sachlicher Befristungsgrund insbesondere auch im Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber bei gesicherter Rückkehrmöglichkeit des Arbeitnehmers in dieses Arbeitsverhältnis liegen kann. Dies gilt erst recht, wenn der beim neuen Arbeitgeber befristet Beschäftigte in einem Beamtenverhältnis steht (vgl. BAG Urteil v. 25.05.2005 – 7 AZR 402/04; Urteil v. 06.12.2000 – 7 AZR 641/99; Urteil v. 28.08.1996 – 7 AZR 849/95). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass anders als bei Mitarbeitern, denen aufgrund der Befristung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht und die daher gegebenenfalls erhebliche Nachteile dadurch erleiden, dass sie dann nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stehen, im vorliegenden Fall die Situation nicht gleichgelagert ist und ein entsprechendes Schutzbedürfnis deswegen nicht besteht, weil die Mitarbeiter durch das Fortbestehen des Beamtenverhältnisses hinreichend abgesichert sind. Dass im Einzelfall dies auch mit einer Verringerung der Vergütung verbunden sein mag, ändert jedoch nichts daran, dass über das Beamtenverhältnis und das damit verbundene Alimentationsprinzip die Absicherung jedenfalls besteht.
Des Weiteren ist zwar der Klägerin zuzugeben, dass ein Mitarbeiter nicht aufgrund des Beamtenverhältnisses gehindert ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil er entweder auch die Beendigung des Beamtenverhältnisses betreiben könnte oder sogar entgegen dem Beamtenverhältnis und der daraus entstehenden Pflichten das Arbeitsverhältnis weiterhin erfüllen könnte. Eine rechtliche Unmöglichkeit hinsichtlich der Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis tritt daher durch das Wiederaufleben des Beamtenverhältnisses nicht ein, selbst wenn dieses grundsätzlich Vorrang vor dem Arbeitsverhältnis haben sollte (vgl. BAG Urteil v. 21.04.2016 – 2 AZR 609/15). Des Weiteren ist nach dieser Rechtsprechung auch eine Prognose dahingehend, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall das Beamtenverhältnis und dessen Pflichten vorrangig erfüllen wird, nicht gerechtfertigt. Aber nicht außer Acht zu lassen bleibt der Umstand, dass durch die Beendigung des Sonderurlaubs und das Wiederaufleben des Beamtenverhältnisses eine Pflichtenkollision zwischen den zwei Rechtsverhältnissen entsteht. Dies zeigt die o. g. Entscheidung des BAG. Auch das Verhindern einer solchen Pflichtenkollision kann im Interesse des Arbeitgebers wie aber auch der Klägerin einen entsprechenden Sachgrund für eine auflösende Bedingung liefern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl im Interesse des Arbeitgebers das Verhindern einer derartigen Pflichtenkollision liegt, weil er die Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis wegen der Kollision mit den Pflichten aus dem Beamtenverhältnis nicht von Haus aus erwarten kann, insbesondere dies im Hinblick auf ein langjährigen Beamtenverhältnis sogar eher als unwahrscheinlich erscheint. Darüber hinaus hindert eine solche auflösende Bedingung aber auch überhaupt im Interesse der Klägerin das Entstehen einer Pflichtenkollision. Die Klägerin kommt nicht in den Zwang, sich zwischen den Rechten und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis und dem Arbeitsverhältnis entscheiden zu müssen. Damit berücksichtigt die auflösende Bedingung nicht nur Interessen des Arbeitgebers, sondern auch solche der Klägerin. Das Vermeiden einer solchen Pflichtenkollision ist daher durchaus als Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG anerkennenswert (vgl. auch LAG Niedersachsen Urteil v. 23.06.2016 – 5 Sa 1072/15).
c) Dem Sachgrund steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass, wie von Seiten des Klägers behauptet, die Beklagte auf die Entscheidung der E. AG hinsichtlich der Verweigerung eines weiteren Sonderurlaubs Einfluss nehmen könnte oder die Herbeiführung der Bedingung im Belieben der Beklagten stünde. Anders als in dem von Seiten des Klägers erwähnten Fall, den das Bundesarbeitsgericht mit dem Urteil vom 04.12.1991 entschieden hat (7 AZR 344/90), hat die Beklagte keine grundsätzliche Einflußnahmemöglichkeit auf die Entscheidung der E. AG. Dies kann auch nicht etwa aus den Unterlagen, auf die die Klägerin verwiesen hat, (Schreiben der E. AG vom 22.03.2016) geschlossen werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die E. AG und die dortige Einheit HR Business Services als konzernweite Personalabteilung auch für die Beklagte tätig geworden ist und insofern auch im Auftrag der Beklagten bestimmte Angebote unterbreiten durfte bzw. Forderungen stellen konnte. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Beklagte schon im Interesse der Klägerin die E. AG als Dienstherren des Beamtenverhältnisses darüber informieren musste, dass die Beschäftigungsmöglichkeit nach Auffassung der Beklagten für die Klägerin wegfallen würde, weil die E. AG insoweit aufgrund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht gehalten war, dann keine weitere Sonderbeurlaubung auszusprechen, sondern die Klägerin im Rahmen des Beamtenverhältnisses weiter zu beschäftigen (vgl. insoweit auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 16.03.2016 – 4 S 2679/15).
Selbst wenn die Mitteilung über den fehlenden Arbeitsplatz faktisch die Nichtverlängerung der Beurlaubung ausgelöst hat, so entscheidet die E. AG doch autonom über die Verlän gerung. Soweit also ein Sachgrund für die Bedingung vorgelegen hat, ist es ausreichend, dem mutwillig und treuwidrig herbeigeführten Bedingungseintritt über den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB zu begegnen. Damit können auch im Hinblick auf Art. 12 GG etwaig bestehende Bedenken gegen die Wirksamkeit der auflösenden Bedingung unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Umgehung des Kündigungsschutzes hinreichend berücksichtigt werden. So wie im Einzelfall bei der Befristung trotz Sachgrundes die einzelne Befristung sittenwidrig sein kann, kann auch trotz des Sachgrundes der unbestreitbar bestehenden Pflichtenkollision und Möglichkeit der Rückkehr ins Beamtenverhältnis, die Herbeiführung der Bedingung unbeachtlich sein. Damit besteht aber ein ausreichendes Korrektiv, um Entscheidungen nach dem „Belieben“ des Arbeitgebers zu vermeiden. Angesichts der bestehenden Umstrukturierungssituation und des Wegfalls des ursprünglichen Arbeitsplatzes der Klägerin sowie auch der mit dem Gesamtbetriebsrat getroffenen Regelungen bestehen aber keine Anhaltspunkte für ein willkürliches oder treuwidriges Vorgehen der Beklagten, also dass nach Anlass, Zweck oder Beweggrund die Mitteilung an die E. AG treuwidrig wäre. Denn etwaige Beschäftigungsmöglichkeiten bleiben somit Mitarbeitern vorbehalten, die anders als die Klägerin einen Bestandsschutz durch die Rückkehrmöglichkeit ins Beamtenverhältnis nicht haben. Gleiches gilt insbesondere auch wegen der zutreffender weise bereits vom Arbeitsgericht angesprochenen Wertungen des PostPersRG. Dessen Sinn ist der flexible Einsatz der Beamten. Diese Flexibilität muss aber auch im Falle der Rückkehr in das Beamtenverhältnis bestehen, selbst wenn das PostPersRG grundsätzlich nur das Beamtenverhältnis betrifft.
Da somit die auflösende Bedingung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist und die auflösende Bedingung unstreitig eingetreten ist, hat dies zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht daher nicht. Somit war daher die Berufung zurückzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
3. Gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG wurde die Revision zugelassen. Insoweit wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

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