Arbeitsrecht

Rechtmäßige Entziehung einer Arztzulassung

Aktenzeichen  S 43 KA 5093/18

Datum:
8.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53960
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
ZÄ-ZV § 27, § 32 Abs. 1 S. 1
SGB V § 15 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom15.11.2018, der alleiniger Streitgegenstand dieses Verfahrens ist, hält einer rechtlichen Überprüfung stand und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung war die rechtliche Begründetheit der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 21.02.1018, der dem Kläger noch unter anderem wegen fehlender gesundheitlicher Eignung zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung die Zulassung entzog.
Der beklagte weist den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung zurecht gemäß § 27 ZÄ-ZV iVm § 95 Abs. 6 Satz1 SGB V wegen Nichtausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit entzogen hat.
Gemäß § 95 Abs. 6 Satz 1 SGB V ist die Zulassung zu entziehen, wenn der Vertragszahnarzt die vertragszahnärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübt. Dies ist hier der Fall.
Von einer Nichtausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit kann ausgegangen werden, wenn der Vertragszahnarzt wie hier der Kläger die ihm obliegende Hauptpflicht wie die eigenständige Behandlung der Versicherten am Behandlungsstuhl nicht mehr erfüllt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann bereits eine Zulassung nur für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in Anwesenheit eines anderen Vertragsarztes, der in bestimmten Fällen hinzugezogen werden muss, nicht erteilt werden (BSG, Beschluss vom 17.o8.2011, B 6 KA 18/11 B). Die eigenständige Versorgung von Patienten ist nach danach zentraler Bestandteil der vertragsärztlichen Tätigkeit. Die Tätigkeit in freier Praxis iS des § 32 Abs. 1 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte beinhalte neben der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit auch eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht. In dieser Entscheidung sieht es der 6.Senat daher als rechtlich nicht möglich an, einen Vertragsarzt praktisch in die Obhut eines anderen approbierten Arztes zu geben.
Dies Grundsätze sind ohne weiteres auf den hier vorliegenden Einzelfall im vertragszahnärztlichen Bereich zu übertragen. Der Kläger gibt selbst an, dass ihm eine persönliche Behandlung der Patienten seit ca. 11 Jahren nicht mehr möglich ist. Dass er nach seinen Angaben auf Wunsch des Angestellten und/oder des Patienten jederzeit beratend eingreifen kann, ändert nichts daran, dass er die zahnärztliche Behandlung gerade nicht in persönlicher Verantwortung erbringt. Der Kläger hat auf weiteres unstreitig weder die Fähigkeit noch die Ansicht, die Behandlung am Behandlungsstuhl selbst durchzuführen. Dies ist nicht kurzzeitig der Fall, sondern seit einem erheblichen Zeitraum und es gibt keinen Anhaltspunkt, dass sich in Zukunft daran etwas ändert.
Damit übt der Kläger einen wesentlichen Bestandteil der zahnärztlichen Tätigkeit nicht aus, er kann keinerlei unmittelbare zahnärztliche Beteiligung an der Durchführung der abgerechneten BEMA-Leistungen aufweisen, als sie die manuelle Behandlung am Behandlungsstuhl betreffen, sondern hängt in einem Kernbereich der zahnärztlichen Tätigkeit von anderen Personen ab. Dies kommt aus Sicht der fachkundig mit einem Zahnarzt besetzten Kammer einer Nichtausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit gleich.
Die von der Klage zitierten bestehenden Möglichkeiten für den Vertragszahnarzt und damit auch für den Kläger, angestellte Ärzte oder Assistenten in seiner Praxis zu beschäftigen, stellen lediglich eine Modifizierung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB 5iVm § 32 Abs. 1 Satz 1 ZÄ-ZV normierten Gebots der persönlichen Leistungserbringung dar, sie können dieses Gebot aber nicht vollständig ersetzen (vgl. § 95 SGB V Kommentierung Pawlita, jurisPK-SGB V, 3.Auflage 2016, RN 439ff). Sie sind umgekehrt durchwegs als Ausnahmen des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung gestaltet und zu verstehen. „Eine dauerhafte Übernahme der vertragszahnärztlichen Tätigkeit durch insbesondere, wie vorliegend Assistenten, widerspricht dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung“ (Bay LSG, Beschluss vom 13.07.2018, L 12 KA 5010/18 B ER). So besteht für Leistungen, die nicht durch den Vertrags(zahn) arzt persönlich erbracht werden, ein Anspruch auf Vergütung nur, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung vorliegen (BSG, Urteil vom 21.03.2018, B 6 KA 47/16 R). Lediglich die Kontrolle bzw. die Möglichkeit einer ergänzenden Befundung/Diagnostik/Planung auf Wunsch der angestellten Zahnärzte oder der Patienten nach Mitgestaltung der Behandlung durch den Kläger kann die persönliche Leistungserbringung durch diesen im Kernbereich der zahnärztlichen Tätigkeit nicht ersetzen, wie der Beklagte zutreffend in seiner Entscheidung ausführt.
Dass den Kläger angesichts seiner gesundheitlichen Situation daran keinerlei Verschulden trifft, kann an der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Zulassung nichts ändern. Dies steht dem Entzug der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit nicht entgegen. So ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG für die Zulassungsentziehung wegen gröblicher Verletzung vertragsärztlicher Pflichten ein Verschulden nicht Voraussetzung, auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (vgl. BSG vom 05.11.2003 B 6 KA 54/03 B oder BSG vom 28.10.2015, B 6 KA 36/15 B).
Das Ruhen der Zulassung als mildere Maßnahme gegenüber der Entziehung als ultima ratio unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt hier nicht in Betracht. Eine Wiederaufnahme der vertragszahnärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist ist nicht zu erwarten und wird von der Klage auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm 154 Absatz 1 VwGO.

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