Arbeitsrecht

Rechtmäßigkeit eines Ruhensbescheids zur Berücksichtigung einer im Rahmen der Tätigkeit für eine zwischen- oder überstaatliche Einrichtung (NEFMA/NETMA) zugewandten, nicht an den Dienstherrn abgeführten Kapitalabfindung

Aktenzeichen  M 21 K 18.1464

Datum:
17.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22670
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 14, § 69c
BeamtVG aF § 55 Abs. 1, § 56
BewG § 14 Abs. 1 S. 4
SVG § 55b

 

Leitsatz

1 Welche Fassung der für die Versorgung relevanten Vorschriften jeweils Anwendung findet, ergibt sich grundsätzlich aus den zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung eines Beamten geltenden Übergangsregelungen des BeamtVG (ebenso BVerfG BeckRS 2017, 113913). (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist ein Beamter zwischen April 1991 und Januar 1996 (4 Jahre und 304 Tage) sowie zwischen März 1997 und September 2001 (4 Jahre und 183 Tage) unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge zur Tätigkeit im öffentlichen Dienst der NATO beurlaubt gewesen, hat er insgesamt neun Jahre im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung vollendet. (redaktioneller Leitsatz)
3 § 14 BeamtVG betrifft die Ermittlung der Höhe des Ruhegehalts im Zuge der Versorgungsfestsetzung, sodass die Regelung bei einer Ruhensanordnung von vornherein nicht greift. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, die als Verpflichtungsklage stehen gelassen worden ist, obwohl der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 3 VwGO) auf die alleinige Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (vgl. nur BayVGH, B.v. 8.12.2016 – 14 ZB 16.1645 – juris) hingewiesen hatte, ist in ihrem Verpflichtungsteil unzulässig.
Als Anfechtungsklage ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 7. November 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Welche Fassung der für die Versorgung relevanten Vorschriften jeweils Anwendung findet, ergibt sich grundsätzlich aus den zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung eines Beamten geltenden Übergangsregelungen des BeamtVG (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – juris Rn. 8).
Im Fall des Klägers ist die maßgebliche Übergangsregelung § 69c in der Fassung vom 24. Februar 2010, die ab 1. Juli 2009 gilt.
Nach § 69c Abs. 5 Satz 1 BeamtVG findet § 56 BeamtVG Anwendung, soweit Zeiten im Sinne des § 56 BeamtVG erstmals nach dem 1. Januar 1999 zurückgelegt werden. Dieser Verweis greift für den Kläger nicht, weil er nach dem 1. Januar 1999 nicht erstmals Zeiten im Sinne des BeamtVG zurückgelegt hat.
Somit ist für ihn § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG einschlägig. Diese Norm bestimmt, dass im Übrigen § 56 BeamtVG in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung (BeamtVG 1992) anzuwenden ist, es sei denn, die Anwendung des § 56 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (BeamtVG 1994) ist für den Versorgungsempfänger günstiger.
Bei der Anwendung des § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG bleibt zwar § 85 Abs. 6 BeamtVG unberührt (§ 69c Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 BeamtVG). Aus dieser Klarstellung folgt für den Kläger aber nichts, weil § 85 Abs. 6 BeamtVG für ihn tatbestandlich nicht einschlägig ist.
Mit dem Inkrafttreten der achten auf den 31. Dezember 2002 folgenden Anpassung nach § 70 BeamtVG gilt § 69c Abs. 5 Satz 2 insbesondere mit der Maßgabe, dass in der jeweils anzuwendenden Fassung des § 56 Abs. 1 BeamtVG an die Stelle der Zahl „1,875“ die Zahl „1,79375“ tritt (§ 69c Abs. 5 Satz 4 BeamtVG).
Nach § 69c Abs. 5 Satz 5 BeamtVG gilt § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG (in der Fassung vom 19. November 2010, gültig ab 1. September 2009 bis 10. Januar 2017, a.F.) entsprechend. Das bedeutet, dass Kapitalbeträge nach Satz 4, also Kapitalbeträge die an Versorgungs statt gezahlt werden, um die Vomhundertsätze der allgemeinen Anpassungen nach § 70 BeamtVG zu erhöhen oder zu vermindern sind, die sich nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Kapitalbeträge bis zur Gewährung von Versorgungsbezügen ergeben (§ 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG a.F.). Der Verrentungsbetrag nach Satz 4 errechnet sich bezogen auf den Monat aus dem Verhältnis zwischen dem nach Satz 8 dynamisierten Kapitalbetrag und dem Verrentungsdivisor, der sich aus dem zwölffachen Betrag des Kapitalwerts nach der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG ergibt.
Somit ist für sämtliche Zeitphasen, die der Kläger im öffentlichen Dienst der NATO zurückgelegt hat, die Günstigerprüfung nach § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG insbesondere mit der Modifikation des § 69c Abs. 5 Satz 4 BeamtVG maßgeblich.
Gemessen an diesen Vorgaben des einfachen Versorgungsrechts sind der Ruhensbescheid vom 7. November 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 19. März 2014 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Beklagte hat die im Fall des Klägers erforderliche Günstigerprüfung ohne Rechtsfehler durchgeführt.
Entsprechend § 69c Abs. 5 Satz 4 BeamtVG hat die Beklagte bei der Berechnung des Ruhensbetrags einen Minderungssatz von 1,79375 zu Grunde gelegt, denn die achte auf den 31. Dezember 2002 folgende Anpassung nach § 70 BeamtVG, von der § 69c Abs. 5 Satz 4 BeamtVG spricht, ist am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (vgl. VGH BW, U.v. 17.12.2015 – 4 S 1211/14 – juris Rn. 85 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte auch rechtmäßig gehandelt, soweit sie bei der Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1992 volle neun Jahre des Klägers im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst zu Grunde gelegt hat.
Der Kläger ist unstreitig zwischen 2. April 1991 und 31. Januar 1996 (4 Jahre und 304 Tage) sowie zwischen 17. März 1997 und 16. September 2001 (4 Jahre und 183 Tage) unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge zur Tätigkeit im öffentlichen Dienst der NATO beurlaubt gewesen.
Demnach hat er auf den ersten Blick scheinbar jeweils am Stück insgesamt nur sieben ganze Jahre im öffentlichen Dienst der NATO vollendet. So ist aber bei der Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1992 nicht zu rechnen. Dass sich nur die „vollendeten“ Jahre der jeweiligen Verwendungsperioden ruhegehaltsmindernd auswirken, ordnet § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1992 als vereinfachende Berechnungsregel, nach der Bruchteile des Vomhundertsatzes oder eines Jahres, die sich aus der Berücksichtigung eines Zeitraums von weniger als 365 Tagen ergeben könnten, außer Betracht bleiben sollen, weder ausdrücklich noch sinngemäß an (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 28/99 – juris Rn. 13).
Auch die Gesetzessystematik gebietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere mit Blick auf die Ermittlung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 BeamtVG), dass die Zeiten mehrerer Verwendungsperioden zusammengerechnet und erst dann die „vollendeten“ Jahre ermittelt werden. Für eine versorgungsrechtliche Privilegierung des Beamten, der bei mehrfacher Verwendung für insgesamt denselben Zeitraum bei zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen tätig war wie ein Beamter, dessen einmalige Verwendung ebenfalls diese Dauer erreicht, findet sich im Übrigen keine sachliche Rechtfertigung, die den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 28/99 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
Somit hat die Beklagte angesichts der Zeiträume, während derer der Kläger zur Tätigkeit im öffentlichen Dienst der NATO beurlaubt war, mit Recht angenommen, dass er insgesamt neun Jahre im öffentlichen Dienst einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung vollendet hat.
Rechtmäßig nach einfachem Versorgungsrecht ist der Ruhensbescheid vom 7. November 2013 auch insoweit, als die Ruhensberechnung entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten einen Endzeitpunkt für die Anrechnung nach Maßgabe der statistischen Lebenserwartung enthält. Dieses Erfordernis hat das Bundesverwaltungsgericht aus der gesetzlichen Systematik des Ruhens abgeleitet (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – juris Rn. 18). Dass die Beklagte diesem Erfordernis entsprochen und gerade nicht etwa – wie im soeben zitierten Fall des Bundesverwaltungsgerichts – angenommen hat, die Versorgungsbezüge des Klägers ruhten rechnerisch bis zu seinem Tod – folgt aus Anlage 1 Nr. 2.1 und Anlage 4 des Ruhensbescheids. Aus letzterer ergibt sich insbesondere, dass der Kapitalwert nach der am 2. Oktober 2012 veröffentlichten Sterbetafel 2009/2011 des Statistischen Bundesamts unter Berücksichtigung von Zwischenzinsen und Zinseszinsen mit 5,5 vom Hundert errechnet worden ist.
Der Ruhensbescheid ist etwa auch insofern rechtmäßig, als er den Umfang des Ruhens der erdienten Versorgung nicht nach der Höhe des Kapitalbetrags bestimmt, er keine zeitliche oder betragsmäßige Begrenzung der Ruhensanordnung vorsieht, er mit einem Zinssatz von 5,5% verrentet und als durch ihn nicht bei jeder Neuberechnung eines monatlichen Verrentungsbetrags von Kapitalbeträgen aufgrund gesetzlicher Änderungen diejenigen monatlichen Beträge in Abzug gebracht werden, die bereits vor diesem Zeitpunkt wegen der Anrechnung auf die Versorgung einbehalten worden sind.
Entsprechende, verfassungsrechtlich begründete Anforderungen hatte zwar das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 2 C 25.09 – juris Rn. 21 ff; U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – juris Rn. 17 ff.) für Ruhensregelungen, die den vorliegenden vergleichbar sind, formuliert. Diese Anforderungen sind aber nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – juris) hinfällig. Das Bundesverfassungsgericht hat das mit den Regelungen des § 55b SVG in den Fassungen vom 5. März 1987 bzw. vom 18. Dezember 1989 verbundene Risiko einer Versorgungskürzung nach Aufzehrung der Kapitalabfindung als verfassungsgemäß angesehen und dabei zugleich ausdrücklich insbesondere das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.1.2011 – 2 C 25.09 – verworfen, soweit es dieser verfassungsrechtlichen Bewertung entgegensteht (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – juris Rn. 85, 89, 100 ff.).
Die Argumente der Klägerbevollmächtigen, der Kläger habe einen Mindestanspruch in Höhe der vollen Pension nach Besoldungsgruppe A4 und § 14 BeamtVG müsse in seinem Fall verfassungskonform ausgelegt werden, vermögen vor dem Hintergrund der vorstehenden, verfassungsrechtlichen Darlegungen nicht zu überzeugen.
Der Hinweis auf § 14 BeamtVG geht auch einfachrechtlich fehl, weil diese Vorschrift die Ermittlung der Höhe des Ruhegehalts im Zuge der Versorgungsfestsetzung betrifft, um die es bei der streitgegenständlichen Ruhensanordnung nicht geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

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