Aktenzeichen 32 Ca 8286/19
Leitsatz
Tenor
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht B-Stadt verwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit Wirkung ab 01.09.2014 zur Organgeschäftsführerin der Beklagten bestellt und war aufgrund eines Geschäftsanstellungsvertrages vom 22.04.2014/30.04.2014 und eines anschließenden Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 30.10.2017 (Anlage K1, Bl. 7-19 d.A.) seit 01.09.2014 als Organgeschäftsführerin der Beklagten tätig.
Ziffer 15.6 des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 30.10.2017 lautet: „Für Streitigkeiten aus und in Verbindung mit dieser Vereinbarung ist der Arbeitsrechtsweg eröffnet.“
Mit Schreiben vom 11.07.2019 (Anlage K2, Bl. 20 d.A.) legte die Klägerin ihr Amt als Geschäftsführerin nieder.
Mit Schreiben vom 23.07.2019 (Anlage K 5, Bl. 23 d.A.), das die Klägerin am 23.07.2019 erhielt, kündigte die Beklagte unter Beifügung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses (Anlage K6, Bl. 24 d.A.) und unter Hinweis auf die Amtsniederlegung der Klägerin das „Geschäftsführeranstellungsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung“.
Gegen diese Kündigung reichte die Klägerin am 30.07.2019 über das beA beim Arbeitsgericht B-Stadt Klage ein.
Mit Beschluss vom 27.08.2019 (Sitzungsprotokoll Seite 2, Bl. 34 d.A.) räumte das Gericht den Parteien Gelegenheit ein, hinsichtlich des zulässigen Rechtswegs Stellung zu nehmen, und wies drauf hin, dass § 2 Abs. 4 ArbGG an § 2 Abs. 1 Satz 3 ArbGG anknüpft, der vorliegend aufgrund der Amtsniederlegung durch die Klägerin aber nicht mehr einschlägig ist.
Mit Klageerweiterung vom 26.09.2019 (Vorabtelefax Bl. 35-55 d.A., Original Bl. 56-76 d.A., keine Einreichung über das beA) klagt die Klägerin den Zielbonus für das Jahr 2018 gemäß Ziffer 5.2 des Geschäftsführeranstellungsvertrages ein.
Hinsichtlich der Ausführungen der Klägerin zum Rechtsweg wird auf Bl. 5 und Bl. 57-60 d.A., hinsichtlich der Ausführungen der Beklagten zum Rechtsweg wird auf Bl. 81-83 d.A. Bezug genommen.
II.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht zulässig. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist (§ 13 GVG).
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht schon nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen. Die Klägerin hatte das Amt der Geschäftsführerin vor Zugang der außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages niedergelegt. Damit entfiel die für Organgeschäftsführer geltende Sperrwirkung dieser Rechtsnorm.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eröffnet.
Der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich nicht allein dadurch, dass er abberufen wird oder sein Amt niederlegt. Das Anstellungsverhältnis wird dadurch nicht zum Arbeitsverhältnis und der Organvertreter nicht zum Arbeitnehmer. Die Gerichte für Arbeitssachen sind deshalb nur zuständig, wenn es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG handelt (BAG Beschluss vom 21.01.2019 – 9 AZB 23/18, Rdnr. 16 ff.).
Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die Klägerin nicht Arbeitnehmerin der Beklagten ist.
Die bloße Behauptung der Klägerin, das Vertragsverhältnis der Parteien sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, begründet nicht die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG. Es handelt sich bei der Klage nicht um einen Sicnon-Fall.
Die Klägerin greift die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.07.2019 unabhängig davon an, ob das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Dienstverhältnis einzuordnen ist. Sie stellt die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zur Überprüfung. Der Erfolg der Klage ist damit nicht von ihrer Arbeitnehmerstellung abhängig. Die Klägerin könnte im vorliegenden Rechtsstreit auch dann obsiegen, wenn die Kündigung eines Dienstverhältnisses in Rede stünde. Auch bei Bestehen eines freien Dienstverhältnisses wäre die Wirksamkeit der Kündigung am Maßstab des § 626 BGB zu überprüfen.
Die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt.
Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtende befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag in Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet (vgl. BAG vom 24.11.2005 – 2 AZR 614/04 – Rn. 18).
Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Berücksichtigt man dies, kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 4 ArbGG eröffnet.
Nach dieser Bestimmung können auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des Privatrechts und Personen, die kraft Gesetzes zu deren Vertretung berufen sind, vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden.
Eine derartige Rechtswegvereinbarung können mithin auch eine GmbH und ihr Organgeschäftsführer schließen.
Der Gesetzeswortlaut knüpft – anders als die Vereinbarung der Parteien in Ziffer 15.6 des Geschäftsführeranstellungsvertrages – nicht an den Geschäftsführeranstellungsvertrag und das Dienstverhältnis an, sondern an die die kraft Gesetzes bestehende Organstellung.
Beginn und Ende der Organstellung und Beginn und Ende des Geschäftsführeranstellungsvertrages bzw. des Dienstverhältnisses können auseinanderfallen.
Die Organstellung endet u.a. – wie vorliegend – durch Amtsniederlegung.
Mit dem Ende der Organstellung entfällt eine Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 4 ArbGG. Ob auch der Geschäftsführeranstellungsvertrag beendet ist, ist nach dem Gesetzeswortlaut ohne Belang. Für eine das Ende der Organstellung zeitlich überschreitende Rechtswegvereinbarung bietet § 2 Abs. 4 ArbGG keine Rechtsgrundlage.
Dieses Ergebnis wird durch eine systematische Auslegung gestützt: § 2 Abs. 4 ArbGG knüpft an § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG an (Germelmann u.a., ArbGG, 9. Aufl. 2017, § 2 Rn. 131), wonach Personen, die kraft Gesetzes zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, keine Arbeitnehmer sind, und somit gemäß § 2 Abs. 1, 2 ArbGG nicht der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen unterfallen.
Beide Regelungen bilden ein normatives Paar. Beide Bestimmungen zusammen regeln, dass für Vertretungsorgane juristischer Personen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist, es sei denn das Vertretungsorgan und die juristische Person vereinbaren diesen Rechtsweg.
Beide Normen stimmen im relevanten Wortlaut überein. In beiden Bestimmungen ist die Organstellung Tatbestandsvoraussetzung. Beide knüpfen ausschließlich an den Bestand dieser Organstellung an und nicht an den Bestand des dieser Organstellung zugrundeliegenden Vertrages bzw. Rechtsverhältnisses. Damit schaffen sie auch jeweils ein eindeutig bestimmbares Ende ihrer Geltung, nämlich den Wegfall der Organstellung.
Mit dem Wegfall der Organstellung entfällt die hieran anknüpfende Sperre des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) und zugleich die ebenfalls an die Organstellung anknüpfende Möglichkeit (§ 2 Abs. 4 ArbGG), diese Sperre durch Vereinbarung des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu überwinden.