Arbeitsrecht

Rückkehrpflicht, Unzuverlässigkeit, Verwaltungsgerichte, Widerruf der Genehmigung, Widerrufsverfahren, Beförderungsauftrag, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Widerspruchsverfahren, Kostenentscheidung, Widerspruchsbescheid, Rechtsmittelbelehrung, Mietwagenverkehr, Mietwagengenehmigung, Mietwagenunternehmer, Prozeßbevollmächtigter, Streitwertfestsetzung, Genehmigungsurkunde, Prozeßkostenhilfeverfahren, Streitwertkatalog, Anhörungsverfahren

Aktenzeichen  M 23 K 20.1954

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7707
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Widerruf der vier Genehmigungen zum Verkehr mit Mietwagen ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
Die zuständige Genehmigungsbehörde hat die Genehmigung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PBefG zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 PBefG nicht mehr vorliegen. Somit ist die Genehmigung zu widerrufen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Genehmigungsinhabers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person vorliegen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG). Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris Rn. 14). § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG konkretisiert dies dahingehend, dass die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmers insbesondere nicht mehr gegeben ist, wenn in seinem Verkehrsunternehmen trotz schriftlicher Mahnung die der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften nicht befolgt werden oder den Verpflichtungen zuwidergehandelt wird, die dem Unternehmer nach diesem Gesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften obliegen. Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Genehmigungsinhabers stellen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) insbesondere schwere Verstöße gegen Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes oder der auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsverordnungen dar. Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann sich auch aus einer Häufung von im Einzelnen weniger schwerwiegenden Verstößen ergeben (BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 11 CS 17.2555 – juris Rn. 8; B.v. 20.3.2020 – 11 CS 20.181 – juris Rn. 15).
Maßgeblich für die Beurteilung durch das Gericht ist dabei die Sach- und Rechtslage, wie sie zu dem Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestand (BVerwG, B.v. 25.10.1996 -11 B 53/96 – juris; BayVGH, U.v. 7.5.2018 – 11 B 18.12 – juris Rn. 19), bei einem – wie hier – gesetzlich vorgesehenen Widerspruchsverfahren also der Zeitpunkt der Entscheidung durch die Widerspruchsbehörde.
Vorliegend sind hinreichende Tatsachen vorhanden, die eine Zuwiderhandlung gegen wesentliche Vorschriften des PBefG begründen. So hat die Beklagte zu Recht mehrere Verstöße gegen § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG angenommen. Danach hat der Mietwagen nach Ausführung des Beförderungsauftrags unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Einem dem Verkehr mit Taxen vorbehaltenen „Bereithalten am potentiellen Kunden“ ohne vorherigen Beförderungsauftrag soll durch das Rückkehrgebot entgegengewirkt werden. Hierbei handelt es sich um ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum Taxiverkehr. Das Rückkehrgebot soll auf wirksame Weise unterbinden, dass Mietwagen nach Beendigung eines Beförderungsauftrags taxiähnlich auf öffentlichen Straßen und Plätzen bereitgestellt werden und dort Beförderungsaufträge annehmen. Die Rückkehrpflicht soll verhindern, dass ein Mietwagen, ohne dass er von einem konkreten Beförderungsauftrag in Anspruch genommen wird, an beliebiger Stelle anhält und damit die Gefahr entsteht, dass er für jeden vorbeikommenden Beförderungsinteressenten oder für die bei der Zentrale eingehenden Aufträge aus dem betreffenden Bezirk zur Verfügung steht (BGH, U.v. 30.4.2015 – I ZR 196/13 – juris Rn. 22). Damit dient das Gebot der Rückkehrpflicht auch dem Schutz der Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs, an dem ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit besteht. Bei der Rückkehrpflicht handelt es sich um eine Kardinal- bzw. Hauptpflicht des Mietwagenunternehmers. Wer vorsätzlich oder fahrlässig hiergegen verstößt, handelt ordnungswidrig (§ 61 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. g PBefG). Wird dem Gebot der sog. Rückkehrpflicht zuwidergehandelt, liegt bereits ein Verstoß vor, der bei auftretender Häufung die Zuverlässigkeit des Betreibers im oben beschriebenen Sinn grundsätzlich in Zweifel ziehen und einen Widerruf rechtfertigen kann (VG München, B.v. 20.12.2019 – M 23 S 19.5895 – juris Rn. 28).
Dies zugrunde gelegt, ist die Beklagte vorliegend rechtsfehlerfrei von der Unzuverlässigkeit des Klägers wegen mehrfacher Verstöße gegen die Rückkehrpflicht ausgegangen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Begründungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid, der das Gericht unter Verzicht auf eine ergänzende Darstellung der Entscheidungsgründe folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO), und lediglich ergänzend ausführt:
Dem vorliegenden Widerrufsverfahren sind bereits zwei vom Landratsamt im Januar und März 2018 ausgesprochene und bestandskräftig gewordene Abmahnungen – ebenfalls u.a. wegen Verstößen gegen die Rückkehrpflicht – vorausgegangen. Substantiierte Einwendungen gegen die von der Beklagten angenommenen und belegten anlassgebenden Verstöße hat der Kläger nicht vorgetragen, vielmehr es bei einem allgemeinen Bestreiten belassen.
Angesichts der von der Beklagten beispielhaft in einem kurzen Zeitraum von wenigen Monaten aufgeführten Verstöße gegen die Rückkehrpflicht vermag sich der Kläger vorliegend auch nicht dadurch zu exkulpieren, er habe seine Fahrer auf die Rückkehrpflicht hingewiesen und sie erforderlichenfalls abgemahnt oder ihnen gekündigt. Denn es ist ihm offenbar gleichwohl nicht gelungen, Verstöße in seinem Unternehmen zu unterbinden, sodass jedenfalls von einem Organisations- und Überwachungsverschulden des Klägers auszugehen ist. Der Kläger hat es offenbar bis zuletzt zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht vermocht, seinen Betrieb den gesetzlichen Anforderungen entsprechend zu organisieren. Dies zeigt beispielhaft der zuletzt dokumentierte Verstoß vom 2. Oktober 2019, als ein Fahrer des Klägers ohne Fahrtauftrag jenseits des Betriebssitzes zu später Abendstunde vor einer Diskothek festgestellt worden war. Wesentlich belegt der Kläger seine eigene Unzuverlässigkeit bzw. die Einstellung zu den sein Gewerbe betreffenden Vorschriften aber selbst, indem er im laufenden behördlichen Widerrufsverfahren die ihm vorgehaltenen Verstöße gegen die Rückkehrpflicht lapidar als nicht „hinreichend schwerwiegend“ bewertet. Damit gibt der Kläger zum Ausdruck, dass er der gesetzlichen Rückkehrpflicht nicht die für eine Zuverlässigkeit gebotene Bedeutung beimisst. Auch dies lässt das Gericht erheblich daran zweifeln, dass der Kläger bei seinen Angestellten tatsächlich auf die Einhaltung der Rückkehrpflicht genügend hingewirkt hat und hinwirken wird.
Die vorliegenden Erkenntnisse über die mehrfachen Verstöße gegen das Rückkehrgebot reichen nach einer Gesamtschau, auch mit zwei bestandskräftigen und einschlägigen Abmahnungen, zur Annahme der Unzuverlässigkeit aus. Schon aufgrund dieser durch das Gesamtverhalten des Klägers offenbarten Unzuverlässigkeit kommt es daher weder auf die weiteren von der Beklagten angeführten Verstöße oder auf einzelne Ordnungswidrigkeiten an, noch darauf, ob die vom Kläger verwendete Applikation unter Verstoß gegen § 49 Abs. 4 Satz 2 PBefG erfolgt, wie dies der Bundesgerichtshof bereits zu der Applikation „Uber Black“ festgestellt hatte (BGH, U.v. 12. Dezember 2018 – I ZR 3/16 – juris Rn. 34).
Auch erweist sich der Widerruf im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG als verhältnismäßig mit Blick auf die Abwehr von Gefahren für die Rechtsordnung und die Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes, an dem ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit besteht. Der Umstand, dass der Widerruf zu weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen für den Kläger und dessen Personal führt, gibt keinen Anlass, hiervon abzusehen. Der Kläger hat trotz zweifacher Abmahnung gegen die Rückkehrpflicht verstoßen. Ergibt sich – wie hier – aus fortlaufenden Verstößen des Genehmigungsinhabers gegen die Rückkehrpflicht dessen Unzuverlässigkeit, dient der Widerruf öffentlichen Interessen und steht grundsätzlich mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Einklang. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen kann die Entziehung der Genehmigung wegen Unzuverlässigkeit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.1996 – 11 B 53.96 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.10.2009 – 11 CS 09.680 – juris Rn. 24 f.; B.v. 17.1.2018 – 11 CS 17.2555 – juris Rn. 14; B.v. 20.3.2020 – 11 CS 20.181 – juris Rn. 19). Ein solch atypisch gelagerter Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Er ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Widerruf den Kläger wirtschaftlich hart trifft. Dies ist beim Widerruf von Genehmigungen zum Verkehr mit Taxen oder Mietwagen für den Betroffenen regelmäßig der Fall. Indem der Gesetzgeber den Widerruf jedoch nicht in das behördliche Ermessen gestellt hat, hat er die Abwägung insoweit antizipiert und zum Ausdruck gebracht, dass er die öffentlichen Interessen bei Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen grundsätzlich höher bewertet als die wirtschaftlichen Interessen des Genehmigungsinhabers (BayVGH, B.v. 20.3.2020 – 11 CS 20.181 – juris Rn. 19).
Nachdem die Beklagte den Widerruf der vier Genehmigungen rechtmäßig ausgesprochen hat, dürfte die Beklagte auch die Herausgabe der Genehmigungsurkunden nach § 17 Abs. 5 Satz 1 PBefG fordern.
Der Bescheid ist auch im Hinblick auf die Ziffer 4 bestimmt genug. Soweit sich die darin getroffene Zwangsgeldandrohung formal auf Ziffer 2 bezieht, ist dies unschädlich, da aus dem Wortlaut der Ziffer 4 und auch der Bescheidsbegründung ausdrücklich hervorgeht, dass eine Zuwiderhandlung gegen Ziffer 3 gemeint ist. Das offensichtliche Schreibversehen ist damit für die Rechtmäßigkeit der Anordnung unschädlich.
Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben