Arbeitsrecht

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs – Rechtsreferendar – Zweites Juristisches Staatsexamen – Unterhaltsbeihilfe – Arbeitsentgelt

Aktenzeichen  B 11 AL 6/20 R

Datum:
12.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:120521UB11AL620R0
Normen:
§ 157 Abs 1 SGB 3
§ 158 SGB 3
§ 14 Abs 1 S 1 SGB 4
§ 60 BBesG
Spruchkörper:
11. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Lüneburg, 20. Juni 2017, Az: S 39 AL 162/15, Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 14. Juli 2020, Az: L 7 AL 121/18, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1
Das Revisionsverfahren betrifft die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) zwischen dem 8. und 30.9.2015 wegen der Fortzahlung von Unterhaltsbeihilfe nach Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens ruhte.
2
Der Kläger absolvierte ab dem 2.9.2013 ein Rechtsreferendariat in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zum Land Niedersachen. Er bestand das zweite juristische Staatsexamen am 7.9.2015. Am 8.9.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen bescheinigte die letztmalige Auszahlung eines “beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts” für den Zeitraum vom 1. bis zum 7.9.2015 in Höhe von 260,73 Euro sowie ein “Arbeitsentgelt über das Beschäftigungsverhältnis hinaus” für die Zeit “bis einschließlich: 30.09.2015 (856,70 €)” (Arbeitsbescheinigung vom 23.9.2015).
3
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Alg wegen des Ruhens des Alg-Anspruchs des Klägers für den Zeitraum vom 8. bis zum 30.9.2015 gemäß § 157 SGB III ab (Bescheid vom 1.10.2015). Der Kläger habe vom Arbeitgeber noch bis einschließlich 30.9.2015 Arbeitsentgelt erhalten. Solange ruhe der Anspruch. Mit gesondertem Bescheid bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für den Zeitraum vom 1.10.2015 bis zum 30.9.2016 (Bescheid vom 2.10.2015).
4
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 1.10.2015 zurück (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2015). Es sei zusätzlich zum bescheinigten Arbeitsentgelt in Höhe von 260,73 Euro für den Zeitraum vom 1. bis zum 7.9.2015 Arbeitsentgelt auch für die Zeit bis einschließlich 30.9.2015 in Höhe von 856,70 Euro gezahlt worden. Die Gesamtsumme in Höhe von 1117,43 Euro entspreche dem seit Juni 2015 erhaltenen monatlichen Arbeitsentgelt.
5
Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.6.2017). Der Anspruch auf Alg ruhe gemäß § 157 Abs 1 SGB III. Die Ausbildung des Klägers habe mit dem Tag der Bekanntgabe des Bestehens der zweiten Staatsprüfung geendet, dem Kläger habe aber auch für die Zeit nach Beendigung der Ausbildung bis zum Monatsende die den Referendaren gewährte Unterhaltsbeihilfe zugestanden. An der somit für den gesamten Monat vom Land Niedersachsen geschuldeten Unterhaltsbeihilfe, die einem Arbeitsentgelt iS des § 157 Abs 1 SGB III entspreche, ändere sich auch nichts dadurch, dass der Kläger aufgrund der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ab dem 8.9.2015 nicht mehr zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei.
6
Das LSG hat auf die vom SG zugelassene Berufung das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Änderung der Bescheide der Beklagten vom 1. und 2.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2015 verpflichtet, dem Kläger Alg für die Zeit vom 8.9.2015 bis zum 30.9.2015 in Höhe von kalendertäglich 25,49 Euro zu bewilligen (Urteil vom 14.7.2020). Der Alg-Anspruch habe zwischen dem 8.9. und 30.9.2015 nicht geruht. § 157 Abs 1 SGB III erfasse nur Ansprüche, die sich auf Zeiträume beziehen, in denen faktisch keine Beschäftigung ausgeübt werde, jedoch rechtlich ein Arbeitsverhältnis bestehe. Für den Streitzeitraum habe der Kläger aber aufgrund der mit dem Bestehen des zweiten juristischen Staatsexamens eingetretenen Beendigung nicht in einem Ausbildungs- bzw Arbeitsverhältnis gestanden. Für den streitigen Zeitraum seien auch nicht die Ruhensvoraussetzungen des § 158 SGB III erfüllt.
7
Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 157 Abs 1 SGB III iVm § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass von § 157 SGB III nur Ansprüche umfasst sein könnten, die sich auf Zeiträume bezögen, in denen faktisch keine Beschäftigung ausgeübt werde, jedoch rechtlich ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. § 157 SGB III bezwecke, den Bezug von Doppelleistungen auszuschließen. Zweck der Unterhaltsbeihilfe sei aber die Sicherung der finanziellen Lebensgrundlage für einen besonderen Personenkreis für einen jeweils von vorneherein begrenzten Zeitraum ab Ausscheiden aus dem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis bis zum Ende des laufenden Monats.
8
Die Beklagte beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2020 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2017 zurückzuweisen.
9
Der Kläger hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben