Arbeitsrecht

Ruhestandsversetzung, Keine dauernde Dienstunfähigkeit, Anderweitige Verwendung nicht möglich, Suchpflicht erfüllt

Aktenzeichen  M 5 K 20.1083

Datum:
6.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18684
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 26
BayBG Art. 65, 66

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom … September 2019 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom … Februar 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 2 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) i.V.m. Art. 65 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) und in den Ruhestand zu versetzen ist, da eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.
1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
Als dienstunfähig kann nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Hierzu bestimmt Art. 65 Abs. 1 BayBG, dass Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG angesehen werden können, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden.
Für die Annahme einer Dienstunfähigkeit reicht es jedoch nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Damit setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. zu § 42 BBG a.F.: BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73/08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 14).
Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG ist von der Versetzung in den Ruhestand zwingend abzusehen, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, d.h. dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Mit Wirkung zum 7. Dezember 2018 wurde aus der zuvor geltenden „Soll“-Vorschrift eine zwingende Norm. Danach wird nicht in den Ruhestand versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (Art. 1 Nr. 7, Art. 8 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenstatusgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes sowie weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 29.11.2018, BGBl. I S. 2232; vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2022, § 26 BeamtStG Rn. 4).
Gemäß § 26 Abs. 3 BeamtStG kann unter Beibehaltung des übertragenen Amtes dem Beamten ohne seine Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 46.08 – juris; U.v. 26.3.2009 – 2 C 73/08 – BVerwGE 133, 297, juris; BayVGH, B.v. 11.1.2012 – 3 B 10.346- juris).
Die vorgenannten Vorschriften begründen die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen, dem Beamten gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwendung (einschließlich der Verwendung nach § 26 Abs. 3 BeamtStG) von Amts wegen ernsthaft und gründlich zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Das wurde durch die Neufassung des § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG unterstrichen. Ohne die so verstandene gesetzliche Suchpflicht könnte der Dienstherr über die Geltung des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien er sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 15 zu Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F.; BayVGH, B.v. 2.10.2014 – 3 ZB 12.1740 – juris Rn. 4). Das übereinstimmende Interesse aller Dienstherren an der vollen Nutzung der knappen personellen Ressourcen des öffentlichen Dienstes und an der Realisierung der von den Beamtinnen und Beamten eingegangenen Verpflichtung zur vollen Dienstleistung bis zum Erreichen der Altersgrenze rechtfertigt diese Regelung. Die zuständigen Dienststellen müssen im Fall der Dienstunfähigkeit vor einer Versetzung in den Ruhestand als ultima ratio zunächst umfassend Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung prüfen (BT-Drs. 780/06, S. 57 f. zu § 27 BeamtStG a.F.). Die Suche nach einem anderen Amt muss dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ in effektiver Weise zur Umsetzung verhelfen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4; U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 29.4.2014 – 3 CS 14.273 – juris Rn. 28).
Der Dienstherr ist von der Suchpflicht nur dann entbunden, wenn feststeht, dass der Beamte generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist; deren Zweck kann dann von vornherein nicht mehr erreicht werden (BVerwG, B.v. 6.11.2014 – 2 B 97/13 – NVwZ 2015, 439, juris Rn. 13; U.v. 5.6.2014 – 2 C 22/13 – BVerwGE 150, 1, juris Rn. 34).
Die Suche nach einer Verwendungsmöglichkeit muss sich regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn sowie auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) voraussichtlich neu zu besetzen sind. Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss unter Wahrung des Personaldatenschutzes den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 17 f.; B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4). Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, ggf. auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Zur Suchpflicht gehört des Weiteren eine Nachfrage bei einer anderen Behörde, wenn diese eine Abfrage unbeantwortet lässt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 29.4.2014 – 3 CS 14.273 – juris Rn. 28).
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 26 Abs. 3 BeamtStG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 20).
Für die Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung kommt es materiell-rechtlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1, Rn. 10; U.v. 16.10.1997 – 2 C 7/97 – BVerwGE 105, 267; BayVGH, B.v. 12.8.2005 – 3 B 98.1080 – juris; VG München, U.v. 13.2.2019 – M 5 K 17.3644 – juris Rn. 24).
2. Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand durch den Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin war zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids vom … Februar 2020 dienstunfähig, da eine anderweitige Verwendung der Klägerin nicht möglich war.
a) Die streitgegenständliche Ruhestandsversetzung ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde die Klägerin ordnungsgemäß angehört und die Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz gem. § 178 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) beteiligt.
b) Auch in materieller Hinsicht ist die Ruhestandsversetzungsverfügung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, obwohl bei der Klägerin nach dem amtsärztlichen Gutachten vom … Juli 2018 genug Leistungsfähigkeit vorhanden war, um den Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten zu können. Denn eine anderweitige – auch geringerwertige – Verwendung der Klägerin im Bereich des Beklagten ist nicht möglich. Der Beklagte ist seiner Suchverpflichtung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG in ausreichendem Maße nachgekommen.
In dem der Verfügung zugrundeliegenden Gesundheitszeugnis der MUS vom … Juli 2018 ist festgehalten, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin weiterhin in einem Ausmaß vorhanden seien, dass die Klägerin die im Tätigkeitsprofil gestellten Anforderungen nicht in vollem Umfang erfüllen könne. Es bestünden auch keine realistischen Aussichten auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten Monate, auch für einen späteren Zeitpunkt sei das grundsätzlich ganz ausgeschlossen. Eine dauernde Dienstunfähigkeit liege jedoch nicht vor. Vielmehr sei nach wie vor genug Leistungsfähigkeit vorhanden, dass die Klägerin ihren Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten könne. Aus medizinischer Sicht sei es der Beamtin möglich, für eine Beschäftigung im Verwaltungsbereich bei einer anderen Behörde eine Umschulungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme abzuleisten. Gegenüber anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten bestünden aus neuropsychologischer Sicht qualitativ keine Bedenken, sofern sie nicht in der JVA seien, die Klägerin sich der Tätigkeit gewachsen fühle und sie in M. bleiben könne.
Eine solche anderweitige Verwendung konnte für die Klägerin jedoch – trotz intensiver Suche – nicht aufgetan werden, sodass sie in den Ruhestand zu versetzen war.
aa) Die konkreten Suchbemühungen des Beklagten genügen den oben dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung. Der Beklagte hat dargelegt, dass er ernsthaft und gründlich nach einer anderweitigen Verwendung für die Klägerin gesucht hat. So hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz in drei gesonderten Schreiben (Juni 2016, Januar 2017, August 2018) an die Geschäftsbereiche des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit den Oberlandesgerichten B., N. und M. sowie sämtliche Bayerische Staatsministerien, oberste Dienstbehörden, die Staatskanzlei und den Obersten Rechnungshof unter Darstellung der vorhandenen Leistungsfähigkeit sowie der persönlichen Verhältnisse und der Vorbildung der Klägerin Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung angefragt. Die dargelegten Ausführungen zur Person, den beruflichen Erfahrungen und dem bisherigen dienstlichen Werdegang der Klägerin haben den angefragten Ressorts eine hinreichende Einschätzung erlaubt, ob die Klägerin für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt. Die Suchanfragen umfassten zudem den gesamten Bereich des Beklagten und erstreckten sich auf Dienstposten, die frei waren oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) voraussichtlich neu zu besetzen sind. Auch sind die Anfragen jeweils mit der Bitte um Prüfung erfolgt, ob die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme und Übertragung einer geringwertigeren Tätigkeit besteht. Eine probeweise Übernahme der Klägerin im Rahmen einer Abordnung zum Zwecke der Erprobung ist ausdrücklich angeboten worden.
Auf sämtliche Anfragen erhielt das Bayerische Staatsministerium der Justiz von jeder angeschriebenen Behörde eine schriftliche Absage. In der Bayerischen Steuerverwaltung wurde eine Verwendung der Klägerin im Rahmen eines einwöchigen Praktikums geprüft. Ein Wechsel konnte jedoch nicht realisiert werden, da das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zu der Einschätzung kam, dass die Klägerin weder persönlich noch fachlich für eine Verwendung in der Bayerischen Steuerverwaltung geeignet sei. Auch die Klägerin konnte sich eine diesbezügliche Verwendung nicht vorstellen.
Darüber hinaus hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Rahmen dialogischer Bemühungen zusätzlich mehrfach konkrete Einzelanfragen bei anderen Behörden gestellt, nachdem die Klägerin Stellenausschreibungen vorgelegt hatte, die aus ihrer Sicht für eine weitere Verwendung in Betracht gekommen wären.
Der Beklagte ist seiner Suchpflicht daher ausreichend nachgekommen. Die Vornahme weitergehender dialogischer Bemühungen war nicht erforderlich.
bb) Soweit die Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass es beim Beklagten zahlreiche freie Stellen gebe, die Ablehnungen der Behörden pauschal und ohne inhaltliche Begründung erfolgt seien und das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Rahmen dialogischer Bemühungen nachfassen hätte müssen, kann sie damit nicht durchdringen. Zwar hat die Klägerin einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung; eine voraussetzungslose Verpflichtung für die Geschäftsbereiche des Beklagten, die Klägerin zu übernehmen, besteht allerdings nicht. Vielmehr steht dem aufnehmenden Geschäftsbereich ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob die zu einer anderweitigen Verwendung angebotene Beamtin für eine Verwendung im dortigen Verantwortungsbereich geeignet ist. Allein das jeweilige Ressort ist in Anbetracht der grundlegenden Kenntnis der Anforderungen und Abläufe seines Geschäftsbereichs befähigt, eine fundierte Einschätzung hinsichtlich der Eignung der Klägerin für einen Dienstposten zu treffen. Wenn im Rahmen dieser Eignungseinschätzung die angefragten Behörden zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin für eine Verwendung nicht geeignet ist und das Bayerische Staatsministerium der Justiz dies ohne weitere Nachfrage zur Kenntnis nimmt, ist dagegen rechtlich nichts zu erinnern. Im Sinne eines effektiven und vertrauensvollen Geschäftsablaufs innerhalb der Behörden des Beklagten durfte das Bayerische Staatsministerium der Justiz davon ausgehen, dass das mitgeteilte Ergebnis einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung entspricht. Gegenteilige Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte war daher nicht verpflichtet, weitere Nachfragen anzustellen oder dialogische Bemühungen dahingehend aufzunehmen, aus welchem Grund eine anderweitige Verwendung bei den angefragten Stellen nicht möglich war. Dies ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn die Suchanfrage von einer angefragten Behörde unbeantwortet bleibt (BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.
cc) Auch gegen die Nichtgenehmigung der Teilnahme der Klägerin am Beschäftigungslehrgang I ist rechtlich nichts zu erinnern. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat die Ablehnung damit begründet, dass die Klägerin als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene schon nicht der Zielgruppe dieses Lehrgangs angehöre. Der Beschäftigungslehrgang I stelle daher keine geeignete Qualifizierungsmaßnahme für den Erwerb einer neuen Befähigung als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene dar. Es erschließe sich auch nicht, inwiefern sich die Chancen auf eine anderweitige Verwendung durch diese Fortbildung erhöhen würden. Zudem habe zum Zeitpunkt der Beantragung der Genehmigung des Beschäftigungslehrgangs I keine konkrete Tätigkeit für die Klägerin im Raum gestanden, sodass eine bestimmte Qualifizierung für eine bestimmte neue Befähigung nicht angezeigt gewesen sei. Denn Ausbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen für Bedienstete des Beklagten würden individuell und auf die Bedürfnisse der jeweils aufnehmenden Dienststelle zugeschnitten sowie unter der Voraussetzung einer grundsätzlich vorhandenen und festgestellten Eignung für die künftige Tätigkeit ermöglicht. Die Ablehnung der Übernahme durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sei aufgrund von Zweifeln an der persönlichen Eignung erfolgt. Weitere dialogische Bemühungen seien daher nicht angezeigt gewesen. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
dd) Auch die Tatsache, dass seit der letzten Suchanfrage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bereits anderthalb Jahre vergangen waren, steht der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung vorliegend nicht entgegen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung ist der Erlass des Widerspruchsbescheides, hier der … Februar 2020. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass für die Klägerin weder aktuell noch in absehbarer Zeit eine andere Verwendungsmöglichkeit besteht. Welche Anforderungen an die Aktualität einer Abfrage zu stellen sind, ist dabei stets vom Einzelfall abhängig. Wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass möglicherweise eine zum Zeitpunkt der ersten Abfrage noch nicht verfügbare Stelle nunmehr mit dem betroffenen Beamten besetzt werden könnte, ist in jedem Fall eine neue Abfrage durchzuführen (SächsOVG, U.v. 30.10.2018 – 2 A 479/15 – juris Rn. 28), in allen anderen Fällen wird man hingegen davon ausgehen dürfen, dass eine durchgeführte Abfrage mehrere Monate lang ihre Gültigkeit behält (VG Kassel, U.v. 18.6.2020 – 1 K 2834/18.KS – juris Rn. 60).
Zwar liegt zwischen der letzten Suchanfrage und dem Erlass des Widerspruchsbescheids ein nicht unerheblicher Zeitraum. Anhaltspunkte dafür, dass die Suchanfrage nicht mehr aktuell genug ist, bestehen jedoch nicht. Denn im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass nicht nur diese eine, sondern insgesamt drei Suchanfragen durchgeführt worden sind (Juni 2016, Januar 2017, August 2018). Alle drei Suchanfragen verliefen erfolglos. Darüber hinaus ist der Beklagte auch konkreten Stellenvorschlägen der Klägerin im Rahmen dialogischer Bemühungen nachgegangen. Ein bei der Steuerverwaltung durchgeführtes Praktikum scheiterte, nachdem sich die Klägerin eine Tätigkeit dort nicht vorstellen konnte. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine erneute Abfrage zu einem anderen Ergebnis führen könnte, insbesondere gibt es keine Hinweise, dass eine zum Zeitpunkt der durchgeführten Abfragen noch nicht verfügbare Stelle nunmehr mit der Klägerin besetzt werden könnte. Aus diesem Grund erscheint eine weitere Abfrage nicht erfolgsversprechend. Die Suchanfrage war daher vorliegend ausreichend aktuell für die Ruhestandsversetzungsverfügung. Der Beklagte hat alles getan, um seiner Suchverpflichtung nachzukommen.
3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erübrigt sich daher. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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