Arbeitsrecht

Schadensersatz, Berufung, Revision, Vertretungszwang, Urlaubsabgeltung, Einspruch, Einspruchsfrist, Unterschrift, Verwerfung, form, Frist, Zahlung, Nachweis, Technik, Kosten des Berufungsverfahrens, Zulassung der Revision, gesetzlichen Form

Aktenzeichen  8 Sa 310/20

Datum:
28.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22313
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 130 Nr. 6 ZPO

 

Leitsatz

Begründete Berufung gegen die Verwerfung des Einspruchs durch das Arbeitsgericht mit Zurückverweisung an das Arbeitsgericht, da ein rechtzeitiger und formwirksamer Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Erstgerichts in Gestalt eines sog. „Computerfaxes“ gegeben war.

Verfahrensgang

7 Ca 6237/19 2020-07-21 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 21.07.2020, Az. 7 Ca 6237/19, aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Arbeitsgericht Nürnberg zurückverwiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufungsbegründung muss die Anfechtungserklärung und die Berufungsanträge enthalten. Aus der Begründung muss ersichtlich sein, inwieweit der Berufungskläger das Urteil anficht und welche Abänderungen er beantragt. Dazu bedarf es nicht unbedingt bestimmt gefasster Anträge, wenn nur die innerhalb der Frist eingegangenen und zulässigerweise in Bezug genommenen Schriftsätze ein bestimmtes Begehren eindeutig aufzeigen. So genügt der bloße Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung.
II. Die Berufung ist begründet. Das Erstgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass gegen das Versäumnisurteil vom 23.06.2020 kein formwirksamer Einspruch im Sinne der §§ 341, 130 Nr. 6 ZPO innerhalb der Einspruchsfrist eingelegt worden ist. Die mit Endurteil vom 21.07.2020 erfolgte Verwerfung des Einspruchs als unzulässig war somit rechtsfehlerhaft. Auf die Berufung der Beklagten war das Endurteil aufzuheben und auf Antrag des Beklagtenvertreters zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Nürnberg zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Ein ordnungsgemäßer fristgerechter Einspruch kann auf verschiedene Arten eingelegt werden. Zwar verlangt die Rechtsprechung für bestimmende fristwahrende Schriftsätze, insbesondere für Rechtsmitteleinlegung, grundsätzlich die handschriftliche Unterschriftsleistung des Urhebers. Jedoch sind unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses im Rahmen des Prozessrechts hiervon aufgrund der technischen Entwicklung der Telekommunikationsmittel in erheblichem Umfang Ausnahmen zugelassen worden. So hat die Rechtsprechung bereits früh die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift und anderer bestimmender Schriftsätze durch Telegramm oder mittels Fernschreiber für zulässig erachtet. Auch die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (BGH, Urteil v. 10.05.2005, Az. XI ZR 128/04 m.w.H., in juris recherchiert). So erfüllt aber bei einer eingehenden Kopie eine eingescannte Unterschrift das Formerfordernis nicht, wenn dieser Schriftsatz mittels normalem Faxgerät versendet wird und nicht unmittelbar aus dem Computer (BayObLG, Urteil v. 14.08.2003, Az. 3Z BR 160/03, in juris recherchiert).
Vorliegend sind drei jeweils selbständige Einlegungsakte gegeben. Ausreichend für die Fristwahrung ist, dass einer dieser Einlegungsakte form- und fristgerecht erfolgt ist.
Zu Recht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass das Einspruchsschreiben vom 03.07.2020, eingegangen per Post am 03.07.2020, keinen formwirksamen Einspruch darstellte. Dieses war nicht handschriftlich unterschrieben, sondern enthielt lediglich eine bildliche Wiedergabe einer handschriftlichen Unterschrift (BAG, Urteil v. 05.08.2009, Az. 10 AZR 692/08, in juris recherchiert). Der Einspruch vom 20.07.2020, diesmal versehen mit einer originalhandschriftlichen Unterschrift, erfolgte jedoch nach Ablauf der Einspruchsfrist. Dieser Einspruch ist auch nicht das nachgereichte Original des am 05.07.2020 per Fax übermittelten Schriftstückes.
Es liegt jedoch mit dem Fax vom 05.07.2020 ein form- und fristgerechter Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 23.06.2020 vor. Hierbei handelt es sich um ein sog. Computerfax. Diesen Einwand, der erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29.01.2021 erhoben wurde, hat die Beklagtenseite – nach Bestreiten des Klägers – und nach entsprechendem Auflagenbeschluss des Berufungsgerichtes substantiiert dargelegt und unter Vorlage, insbesondere des Protokolls über den Versand des Schreibens, unter Beweis gestellt.
Die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss v. 05.04.2000, GmS-OGB 1/98, in juris recherchiert) hat für das sog. Computerfax entschieden, dass es bei der Übermittlung von Schriftstücken, die elektronisch erstellt und versandt werden, ohne dass ein körperliches Originalschriftstück vorhanden ist, eine eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich ist, sondern der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, auch in einem solchen Fall gewahrt werden kann, wenn die Unterschrift gescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der genannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann.
Ein Grund für den Verzicht der eigenhändigen Unterschrift liegt darin, dass die Technik der Übermittlung den Verzicht erfordert. Bei einem Computerfax, d.h. einem Schriftsatz, der unmittelbar aus dem Computer kommt und nicht nur mit Hilfe eines normalen Faxgerätes versandt wurde, ist nur eine eingescannte Unterschrift oder eine Unterschrift per Pad möglich. Ein Computerfax stellt gerade nicht die Fernkopie eines körperlich vorhandenen Schriftstückes dar, sondern einen unmittelbar aus einem Computer über die Nutzung eines Telefonanschlusses versendeten Text. Denknotwendigerweise kann ein solcher Text nicht unmittelbar mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen werden, sondern mit einer eingescannten Unterschrift. Anders ist es bei einem mittels Faxgerät übermittelten Schriftsatz, bei dem dieser zuvor ohne Weiteres von dem Ersteller persönlich unterschrieben werden könnte.
Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist somit nicht eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im Textverarbeitungsprogramm befindliche Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, kann auch im Fall einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspricht ein bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt ist (OLG München, Beschluss v. 11.09.2003, Az. 2 Bs 880/03, m.w.H.; GmS-OGB v. 05.04.2000, a.a.O.).
Zwar bezog sich die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ausdrücklich auf Prozesse mit Vertretungszwang. Ein solcher besteht vor dem Arbeitsgericht nicht. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes können jedoch an die Schriftlichkeit keine strengeren Anforderungen gestellt werden, wenn der bestimmende Schriftsatz durch Computerfax der Partei selbst mit deren eingescannter Unterschrift erfolgt. Somit gilt dies auch, wenn es sich um die Rechtsmitteleinlegung einer nicht anwaltlich vertretenen Privatperson handelt (so auch OLG München, Beschluss v. 11.09.2003, a.a.O.). Beim Computerfax ergibt sich aus der Angabe des Urhebers und der eingescannten Unterschrift eine Vermutung der Authentizität des eingegangenen Schriftstücks. Anhaltspunkte dafür, dass das Computerfax nicht vom Beklagten zu 1) stammt oder nicht willentlich von ihm in den Verkehr gebracht wurde, liegen nicht vor.
Das BAG hat bislang die Frage, ob ein Computerfax mit eingescannter Unterschrift das Schriftformerfordernis erfüllt, ausdrücklich offengelassen. Bei dem vom BAG zu entscheidenden Fall (Urteil v. 05.08.2009, Az. 10 AZR 692/08) handelte es sich gerade nicht um ein Computerfax.
Das Berufungsgericht schließt sich vollinhaltlich der überwiegenden Rechtsprechung an, dass ein bestimmender Schriftsatz mit Computerfax übersandt die gesetzlich erforderliche Schriftform nach § 130 Nr. 6 ZPO dadurch wahrt, dass dieser mit eingescannter Unterschrift des Erklärenden übermittelt wird (so auch LAG Köln, Beschluss v. 10.04.2001, Az. 6 Ta 58/01; BGH, Beschluss v. 14.10.2014, Az. XI ZB 13/13; BGH, Beschluss v. 17.04.2018, Az. XI ZB 4/17, jeweils m.w.H., in juris recherchiert).
Mit dem Computerfax vom 05.07.2020 ist somit die nach § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Schriftform durch die eingescannte Unterschrift des Beklagten zu 1) gewahrt worden. Die Unterschrift eines der Gesellschafter einer GbR reicht hierfür auch aus. Die Gesellschafter einer GbR sind notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil v. 29.01.2001, Az. II ZR 331/00, m.w.H., in juris recherchiert).
Das Verhandeln eines Streitgenossen wird im Falle der Säumnis eines Teils der Streitgenossen auch diesem zugerechnet. Die Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil durch einen Streitgenossen wahrt die Frist auch für den oder die anderen Streitgenossen. Verklagt sind vorliegend die Gesellschafter einer GbR persönlich.
Aus alledem war das Ersturteil aufzuheben und zur weiteren Verhandlung an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.
III. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass.


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