Arbeitsrecht

Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit beabsichtigter Teilzeitarbeit in der Elternzeit

Aktenzeichen  7 Sa 405/21

Datum:
18.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 7. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGRLP:2022:0518.7Sa405.21.00
Normen:
§ 15 Abs 7 BEEG
§ 126 Abs 1 BGB
§ 133 BGB
§ 145 BGB
§ 241 Abs 2 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Mainz, 31. August 2021, 3 Ca 864/20, Urteil

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31. August 2021, Az. 3 Ca 864/20, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung arbeitgeberseitiger Fürsorgepflichten im Zusammenhang mit von der Klägerin beabsichtigter Teilzeitarbeit in der Elternzeit.
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 30. September 2019 ein Arbeitsverhältnis als Projektleiterin. Diesem lag ein Anstellungsvertrag vom 4. März 2015 (Blatt 10 ff. der Akte) zugrunde. Das vereinbarte Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug bei einer 40 Stunden-Woche 4.583,33 € brutto.
In der Zeit vom 26. September 2017 bis zum 25. September 2019 befand sich die Klägerin in Elternzeit.
Mit Schreiben vom 25. September 2017 beantragte die Klägerin Elternzeit bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres des Kindes. In diesem Schreiben heißt es weiter:
„Nach einer 12-monatigen Auszeit (1.- einschließlich 12. Lebensmonat des Kindes) beabsichtige ich in Elternteilzeit, mit 15-20-Arbeitsstunden/Woche, zurückzukommen.
Diese würde ich beispielsweise in einer 3 – 4-Tage Woche (à 5 Stunden/Tag) gestalten, mit der Option von 1 – 2 Tagen Home Office/Woche.“
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 (Blatt 19 der Akte) auszugsweise wie folgt:
„Sie haben uns mit Schreiben vom 25. September 2017 mitgeteilt, dass sie unmittelbar im Anschluss an Ihre Mutterschutzzeiten, bis einschließlich des 24. Lebensmonates des Kindes, Elternzeit nehmen möchten. Wir bestätigen Ihnen dies hiermit wunschgemäß.
Den Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen.“
Mit E-Mail vom 17. Juli 2018,13:04 Uhr (Blatt 21 der Akte) an M. S. bat die Klägerin um eine zeitnahe Rückmeldung und dann auch eine Arbeitsbescheinigung, um den Kitaplatz zu sichern. Frau S. antwortete 18. Juli 2018, 9:19 Uhr per E-Mail (Blatt 20 der Akte), dass der Geschäftsführer keine Möglichkeit bei 15 Wochenstunden sehe. Eine Alternative seitens der Beklagten wären wesentlich mehr Stunden.
Die Klägerin antwortete mit E-Mail vom 20. Juli 2018, 9:42 Uhr (Blatt 20 der Akte) wie folgt:
„das ist natürlich sehr schade, dass wir keine gemeinsame Lösung finden und es auch keine Alternativen (evtl. anderer Bereich?!) bei A. gibt.
Ich komme auch gerne persönlich vorbei, um mit dir und Herrn M. einen Einstieg zu besprechen, wenn es die Sache vereinfacht!
Aber wenn A. keinen Bedarf hat, bitte ich um die Darstellung der dringenden betrieblichen Gründe, weswegen diese Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit abgelehnt wurde (gemäß deiner E-Mail vom 18.7.18) und in dem Fall bräuchte ich eine schriftliche Zustimmung, dass ich während der restlichen Elternzeit anderweitig in Teilzeit arbeiten kann, da ich den bereits schwer organisierten Kita Platz nicht verlieren möchte! Diese Unterlagen benötige ich bis spätestens 25.7.18!“
Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 (Blatt 22 der Akte) teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin mit:
„ich nehme Bezug auf Ihre Anfragen zu Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit in unserem Unternehmen. Derzeit besteht diesseits kein Interesse an einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit über 15 Stunden in der Woche, da nur der Bedarf an Arbeitsleistung über 15 Stunden pro Woche gegeben ist. Im Rahmen von 15 Wochenstunden kann kein Projekt eigenständig übernommen werden. Gerne möchte ich jedoch mit Ihnen eine einvernehmliche Lösung finden und bitte um Mitteilung, ob Sie auch bereit wären, 25-30 Stunden pro Woche zu arbeiten.
Bezugnehmend auf Ihre weitere Anfrage, ob Einverständnis damit besteht, dass Sie bei einem anderen Arbeitgeber in Teilzeit während Ihrer Elternzeit tätig werden, möchte ich mitteilen, dass hiergegen meinerseits nichts einzuwenden ist. Es besteht daher Einverständnis mit Ihrer Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber während der Elternzeit.
Um eine einvernehmliche Lösung zu finden, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.“
Am 19. Oktober 2018 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten statt.
Am 12. November 2018 nahm die Klägerin im Einverständnis seitens der Beklagten bei einem anderen Arbeitgeber innerhalb ihrer Elternzeit ein Arbeitsverhältnis im Umfang von 15 Stunden/Woche als wissenschaftlich-technische Übersetzerin auf, welches sie zum 1. Januar 2019 auf 20 Stunden/Woche aufstockte. Hier erzielte die Klägerin im Rahmen der 15 Stunden-Woche ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.425,00 € sowie im Rahmen einer 20 Stunden-Woche 1.950,00 €.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 19. Dezember 2019 (Blatt 23 ff. der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Bruttoentgeltdifferenz durch die Wahrnehmung der geringer vergüteten Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber in Höhe von 5.903,78 € als Schadensersatz auf. Die Beklagte wies den Anspruch zurück.
Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch mit ihrer am 10. Juni 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 19. Juni 2022 zugestellten Klage weiter.
Die Klägerin hat vorgetragen,
sie habe unter dem Datum 25. September 2017 einen wirksamen Antrag auf Elternteilzeit gemäß § 15 Abs. 1 BEEG gestellt.
Mit Beendigung des 1. Lebensjahres des Kindes sowie der In-Aussichtsstellung eines Kitaplatzes sei sie erneut an die Gegenseite mit dem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit im Umfang von 15 Wochenstunden herangetreten. Diesen Antrag habe sie per E-Mail an Frau M. S. von Ihrem E-Mail-Account bei der Beklagten gestellt und habe daraufhin ein Antwortschreiben erhalten, in dem die Beklagte auf ihren Antrag im Umfang von 15 Stunden tätig zu werden, eingegangen sei.
In dem Gesprächstermin vom 19. Oktober 2018 in den Räumen der Beklagten sei über eine mögliche Elternteilzeit mit Beginn dann am 1. November 2018 mit 15 Wochenstunden gesprochen worden. Es sei in dem Gesprächstermin über mögliche neue Aufgabenfelder für sie während der Elternteilzeit gesprochen worden. Herr Dr. M. habe während des Gesprächs Notizen dazu erstellt. In diesem Termin habe sie nachgefragt, ob ein weiterer Antrag für die Gewährung der Elternteilzeit erforderlich wäre. Dies habe der Geschäftsführer verneint. Am Ende des Gesprächs seien der Geschäftsführer und sie dahingehend verblieben, dass dieser ihr mit Beginn der auf das Gespräch folgenden Woche eine Rückmeldung habe geben wollen. Nachdem keine Rückmeldung erfolgt sei, habe sie eine E-Mail an den Geschäftsführer verfasst, in der sie sich für das Gespräch bedankt habe und den Beginn und Umfang der Tätigkeit formuliert habe.
Neben dem Antrag vom 25. September 2017 habe sie mehrmals auch telefonisch bei der Beklagten nachgefragt, ob ein weiterer formeller Antrag auf Elternteilzeit erforderlich wäre. Dies sei jeweils von der Beklagtenseite verneint worden. Um das gegenseitige Vertrauensverhältnis gerichtet auf die künftige Zusammenarbeit nicht zu gefährden, habe sie mehrfach höflich bei der Beklagte nachgefragt, ob der Antrag auf Elternteilzeit ausreichend sei. Die Auskunft von Seiten der Personalabteilung habe dahingehend gelautet, dass dieser ausreiche. Ein formwirksamer und fristgemäßer Antrag auf Elternteilzeit sei von ihrer Seite damit gestellt worden.
Eine formwirksame und fristgemäße Ablehnung des Elternteilzeitantrages vom 25. September 2017 sei nicht erfolgt. Ebenso wenig seien etwaige dringende betriebliche Gründe für eine Ablehnung des Elternteilzeitantrags benannt worden. Vielmehr habe sie nach dem Gespräch vom 19. Oktober 2018 ein entsprechendes Angebot für einen Elternteilzeiteinsatz bei der Beklagten erwartet.
Durch die Wahrnehmung einer Teilzeittätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber habe sie einer etwaigen Schadensminderungspflicht genügt.
Die Beklagte habe mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 die von ihr beantragte Elternzeit bestätigt. Folglich gehe die Beklagte sehr wohl von einem Antrag aus. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte zum einen vortrage, eine Beschäftigung mit nur 15 Wochenstunden sei nicht möglich gewesen, zum anderen aber den vorangehenden Antrag als unbeachtlich erachte. Damit habe die Beklagte das Vorliegen eines Antrags bejaht. Denn ohne Antrag hätte sie wohl kaum entschieden. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die Gründe für eine Ablehnung der beantragten Elternteilzeit mit 15 Wochenstunden genannt.
Für den Monat Oktober 2018 ergebe sich ein Schaden in Höhe von 1.718,75 € brutto, für die Zeit vom 1. bis 11. November 2018 ein Schaden in Höhe von 630,21 € (1.718,75 € *11/30) und für die Zeit vom 12. bis 30. November 2018 in Höhe von 186,04 € brutto. Im Dezember 2018 errechne sich ein Schaden in Höhe von 293,75 € brutto. In der Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum Austritt am 30. September 2019 ergebe dies einen monatlichen Bruttoverlust in Höhe von je 341,67 €.
Sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, mit unmittelbar 20 Wochenstunden bei ihrem neuen Arbeitgeber zu beginnen. Es sei nicht zutreffend, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht angeboten habe. Weitere, über das Grundentgelt hinausgehende Zahlungen habe sie nicht erhalten.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.903,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
es fehle an einem wirksamen Antrag der Klägerin gemäß § 15 BEEG. Der Antrag vom 25. September 2017 sei unwirksam. Die Klägerin habe auch nicht „mit Beendigung des 1. Lebensjahres des Kindes … per Mail“ einen erneuten, zweiten Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit gestellt. Ein solcher per Mail gestellter Antrag wäre darüber hinaus nicht formwirksam gewesen. Die Klägerin habe zu keinem späteren Zeitpunkt einen erneuten, dritten Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit gestellt. Ein solcher wäre erneut überdies aus mehreren Gründen unwirksam gewesen. So wäre der Antrag unbestimmt und arbeitgeberseits nicht mit einem einfachen „Ja“ annehmbar gewesen. Ferner wäre ein am 19. Oktober 2018 im Rahmen des Gesprächs gestellter mündlicher Antrag mit einer gewünschten Arbeitszeitreduzierung zum 1. November 2018 weder frist- noch formgerecht gemäß § 15 Abs. 7 Nr. 5 BEEG gestellt worden. So bedürfe ein Antrag der Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB und hätte darüber hinaus sieben Wochen vor dem gewünschten Beginn gestellt werden müssen. Schlussendlich sei darauf hinzuweisen, dass gemäß § 15 Abs. 6 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit nur zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beansprucht werden könne, sodass bereits aus diesem Grund ein etwaiger weiterer, dritter Antrag, wäre er denn gestellt worden, ohnehin unzulässig gewesen wäre.
Die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau M. S., könne sich nicht daran erinnern, mit der Klägerin im Juli 2018, mithin nahezu ein Jahr nach dem ersten unwirksamen, schriftlichen Antrag, über den „Wiedereinstieg im Detail“ gesprochen zu haben. Dies werde daher mit Nichtwissen bestritten. Möglicherweise habe die Klägerin die Mitarbeiterin in der Absicht, mit ihr den Wiedereinstieg zu besprechen, kontaktiert oder versucht zu kontaktieren; ein Gespräch dieses Inhalts sei der Mitarbeiterin jedoch nicht erinnerlich.
Unzutreffend und ausdrücklich zu bestreiten sei, dass die Klägerin „mehrmals auch telefonisch bei der Beklagte nachgefragt habe, ob ein weiterer formeller Antrag auf Elternteilzeit erforderlich wäre“. Neben dem Umstand, dass dieser Vortrag unsubstantiiert sei, hätten solche Nachfragen nicht stattgefunden.
Auch gegenüber dem Geschäftsführer habe die Klägerin nicht nachgefragt, ob es eines erneuten Antrags auf die Gewährung von Elternteilzeit bedürfe. Einen erneuten Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit habe die Klägerin auch gegenüber dem Geschäftsführer nicht gestellt. Dies trage sie auch selbst gar nicht vor. Es sei somit auch nicht über eine mögliche Elternteilzeit mit Beginn am 1. November 2018 mit 15 Wochenstunden gesprochen worden. Unzutreffend sei auch, dass sie der Klägerin nach dem Gespräch vom 19. Oktober 2018 zugesagt habe, sich bei ihr mit Beginn der auf das Gespräch folgenden Woche rückmelden zu wollen. Eine Mail der Klägerin, mit der diese sich für das Gespräch bedankt habe und den Beginn und Umfang der Tätigkeit formuliert habe, sei ihr nicht erinnerlich und werde daher mit Nichtwissen bestritten.
Mangels eines formell wirksamen Antrags auf Reduzierung der Arbeitszeit habe es auch keiner schriftlichen Ablehnung des nicht wirksam gestellten Antrags bedurft. Ungeachtet dessen sei der Klägerin die Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung bei der Beklagten in Teilzeit in Verbindung mit der Genehmigung der Arbeitsaufnahme für einen anderen Arbeitgeber mit Schreiben vom 25. Juli 2018 gewährt worden.
Ihr sei unbekannt, ob die Klägerin nicht auch einer besser entlohnten Tätigkeit hätte nachgehen können. Insofern fehle jeglicher klägerische Vortrag wie beispielsweise über Bewerbungen, Ablehnungen, Vorstellungsgespräche, Gehaltsmöglichkeiten. Insbesondere fehle auch jeglicher Vortrag der Klägerin dazu, warum sie anfänglich nur einer 15-stündigen Tätigkeit nachgegangen sei, mithin aber bereits zum 1. Januar 2019 ihre Arbeitszeit auf 20 Stunden aufgestockt habe.
Die Klägerin habe ferner nach Beginn der Elternzeit bis zu ihrem Ausscheiden durch Eigenkündigung zum 30. September 2019 zu keinem Zeitpunkt der Beklagten gegenüber ihre Arbeitskraft angeboten. Insbesondere für den Fall der klägerseits behaupteten, diesseits bestrittenen, fingierten Genehmigung eines Antrags auf Elternteilzeit hätte die Klägerin ihre Arbeitsleistung zwingend anbieten müssen.
Schlussendlich trage die Klägerin nicht vor, ob sie neben dem Grundentgelt weitere geldwerte Vorteile, gesteigerte Urlaubsansprüche oder andere Zulagen, Gratifikationen, Bonuszahlungen und Ähnliches bei dem anderen Arbeitgeber erhalten habe, sodass die tatsächliche Entgelthöhe mit Nichtwissen bestritten werden müsse. So weise beispielsweise die Abrechnung April 2019 der E. GmbH eine Bonuszahlung in Höhe von 176 € aus.
Das Arbeitsgericht hat aufgrund eines Beweisbeschlusses vom 12. November 2020 Beweis erhoben über den Vortrag der Klägerin zum Inhalt des am 19. Oktober 2018 zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Beklagten geführten Gesprächs durch Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 31. August 2021 (Blatt 205 ff. der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 31. August 2021 abgewiesen. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe gegenüber der Beklagten keinen auf §§ 280, 241 Abs. 2 iVm. § 611 BGB gestützten Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht und dadurch verursachter Vermögensschädigung, indem die Beklagte verhindert hätte, dass die Klägerin das bei ihr erzielbare Einkommen in Teilzeit während der Elternzeit habe verwirklichen können. Abgesehen von den übrigen Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht setzte bereits ein kausaler Zusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtwidrigkeit der Beklagten und der Verwirklichung eines Schadens bei den Vermögensinteressen der Klägerin voraus, dass die Klägerin alles ihrerseits Erforderliche für die Verwirklichung eines Anspruchs getan gehabt habe. Dies hätte einen frist- und formgerechten Antrag nach § 15 BEEG auf Teilzeit in der Elternzeit erfordert. Ohne diese Mitwirkung der Klägerin komme eine Aussicht auf ein Vermögen im Sinne der Beschäftigung in Teilzeit bei der Beklagten zum Ausgangsgehalt von vornherein nicht in Betracht und eine Vermögensschädigung durch die Beklagte sei zu verneinen. Die erforderliche Auslegung ergebe, dass die Voraussetzung eines nach § 145 BGB genügenden Angebots für das Schreiben, welches vom 10. Oktober 2019 datiere und welches beide Parteien in ihren Schriftsätzen als das Schreiben vom 25. September 2019 bezeichneten, nicht gegeben sei. Dies folge daraus, dass die wesentliche Angabe der genauen Zahl der Arbeitsstunden pro Woche durch die Angabe eine Spanne von 15-20 von der Klägerin gerade offengelassen worden sei und entweder späterer Überlegung habe vorbehalten bleiben sollen – hierfür spreche die Formulierung des gleichen Satzes: „beabsichtige ich“ – oder Gegenstand der Verhandlungen habe sein sollen, wofür der letzte Satz des Schreibens sprechen könnte: „Gerne stehe ich Ihnen auch für ein Gespräch zur Verfügung“. Dies entspreche auch der Auslegung, die offenbar in der Antwort vom Folgetag seitens der Beklagten zum Ausdruck komme: „Den Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen“. Ein inhaltlich bestimmtes Angebot, welches mit einem bloßen „Ja“ hätte beantwortet werden können, habe damit nicht vorgelegen. Der Vortrag zu dem E-Mail-Verkehr aus dem Monat Juli 2018 genüge weder der Schriftform des § 15 Abs. 7 BEEG noch werde inhaltlich bestimmt zu einer seitens der Klägerin erhobenen Forderung vorgetragen. Hiermit könne ein Schadensersatzanspruch deshalb aus den oben ausgeführten Gründen nicht begründet werden, weil die Klägerin nicht das Ihrige getan habe, um form- und fristgerecht einen Anspruch auf Teilzeit in der Elternzeit bei der Beklagten geltend zu machen. Der Antrag sei auch nicht teilweise begründet wegen eines späteren bestimmten Antrags der Klägerin in Verbindung mit einem ausdrücklichen Verzicht der Beklagten durch ihren Geschäftsführer auf einen frist- und formgerechten Antrag. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin ihren substantiierten Vortrag zum Inhalt des Gesprächs vom 19. Oktober 2018 nicht beweisen können. Die Beweisaufnahme sei zum Vortrag die Klägerin nicht ergiebig gewesen. Der als Partei vernommene Geschäftsführer der Beklagten habe keine Erinnerung an den Inhalt des Gesprächs gehabt. Vielmehr habe er bekundet, derartige Inhalte an Frau S. delegiert zu haben und grundsätzlich bei Auftreten dieser Themen an Frau S. zu verweisen. Damit habe die Klägerin den Beweis nicht geführt und könne mit ihrem Schadensersatzanspruch gestützt darauf, die Beklagte könne sich auf die fehlende Frist-und Formwahrung nicht berufen, auch nicht teilweise für die Zeit ab November 2018 Erfolg haben. Der Vortrag zu einem weiteren innerhalb der E-Mail-Korrespondenz oder telefonisch erfolgten Verzicht durch die Personalabteilung auf eine förmliche Antragstellung sei seitens der Klägerin unsubstantiiert behauptet und nicht bewiesen worden. Die Klage könne deshalb auch nicht aufgrund der Berufung auf einen solchen Verzicht – und sei es teilweise – Erfolg haben. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage komme nach dem Sachvortrag nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Blatt 214 ff. der Akte) Bezug genommen.
Das genannte Urteil ist der Klägerin am 4. Oktober 2021 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 29. Oktober 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Die Klägerin hat die Berufung mit am 3. Januar 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag (innerhalb der durch Beschluss vom 25. November 2021 bis einschließlich 3. Januar 2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist) begründet.
Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 246 ff. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend,
die Aussage des Geschäftsführers habe nicht überzeugt, insbesondere erschließe sich nicht, warum er (unstreitig) am 19. Oktober 2018 ein Gespräch mit ihr geführt habe und dabei einen Rundgang durch die Räumlichkeiten der Beklagten vorgenommen habe, wo er doch mehrfach betont habe, dass durch das starke Anwachsen der Mitarbeiterzahl er sich nicht mit Themen wie Teilzeitwünschen der Mitarbeiter auseinandersetzen würde.
Der Antrag auf Teilzeitgewährung vom 25. September 2017 habe das Konsensverfahren des § 15 Abs. 5 BEEG eingeleitet und sei verbunden mit einem Verringerungsantrag nach § 15 Abs. 7 BEEG. Dies werde dadurch gestützt, dass sie vielfach an die Beklagte herangetreten sei und ihren Antrag in der Zeit vom 17. Juli 2018 bis zum 19. Oktober 2018 konkretisiert und bestätigt habe (per Mail, telefonisch und letztlich auch in dem Gespräch zwischen ihr und dem Geschäftsführer vom 19. Oktober 2018). § 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG erfordere die Benennung des Beginns der verringerten Arbeitszeit, diesen habe sie in ihrem Antrag vom 25. September 2017 eindeutig benannt und zwar nach 12-monatiger Elternzeit. Auch den Umfang der verringerten Arbeitszeit habe sie benannt und zwar in ihrem Schreiben vom 25. September 2017 zunächst mit 15 – 20 Wochenstunden. Dieser Umfang werde rechtzeitig im Sinne des § 15 Abs. 7 Nr. 5a BEEG konkretisiert auf 15 Stunden. Hier habe das Arbeitsgericht ihre Willenserklärung nicht im Sinne des § 133 BGB ordnungsgemäß ausgelegt, denn diese Auslegung hätte ergeben, dass ein ordnungsgemäßer Antrag gemäß § 145 BGB gestellt worden sei. Im Hinblick auf die weitere Begründung des Anspruchs durch Verzicht der Beklagten auf einen erneuten bzw. weiteren Antrag auf Teilzeittätigkeit habe das Gericht wiederum einen entsprechenden Hinweis erteilen müssen, sodass hier unter Beweisangebot durch Vernehmung der Frau S. als Zeugin weiter vorgetragen werden könnte.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31. August 2021, Az. 3 Ca 864/20, zugestellt am 1. Oktober 2021 aufzuheben und zu erkennen,
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.903,78 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 3. März 2022, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 289 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend.
Die Aussage ihres Geschäftsführers sei nach bestem Wissen und Gewissen und entsprechend seiner Erinnerung an den damaligen Termin erfolgt. Wenn diese Aussagen nicht den Wünschen und Vorstellungen und möglicherweise der Erinnerung der Klägerin entsprächen, möge dies aus ihrer Sicht zutreffen, am Ergebnis und dem Wahrheitsgehalt der Aussage des Geschäftsführers ändere dies jedoch nichts.
Der ursprüngliche Antrag sei in Zeit und Umfang unbestimmt gewesen, ein formwirksamer weiterer Antrag sei nicht gestellt worden und somit sei schlichtweg kein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender wirksamer Antrag gestellt worden.
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 18. Mai 2022 (Blatt 296 ff. der Akte). Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


A.
Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
B.
In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 iVm. § 611 BGB wegen der Verletzung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht.
I.
Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann jede Partei nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet sein. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer (BAG 26. April 2018 – 3 AZR 586/16 – Rn. 10 mwN.).
II.
Die Beklagte hat ihre Fürsorgepflicht nicht dadurch verletzt, dass sie der Klägerin keine Teilzeitarbeit während deren Elternzeit ermöglicht hat.
Dem steht, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits entgegen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit gemäß § 15 Abs. 6, 7 gegen die Beklagte hatte. Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt, der den Anforderungen der §§ 15 Abs. 6, 7 BEEG genügen würde.
1.
Mit dem Schreiben vom 10. Oktober 2019 hat die Klägerin Elternzeit beantragt, aber noch nicht das Antragsverfahren nach § 15 Abs. 6, 7 BEEG eingeleitet. Das ergibt eine Auslegung ihres Schreibens.
Nach § 15 Abs. 4 BEEG ist während der Elternzeit auch beim eigenen Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigung zulässig, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Stunden in der Woche nicht übersteigt. Der Arbeitnehmer kann frühestens mit der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG) eine Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit während der Elternzeit (Elternteilzeit) beantragen. Über den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit sollen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG innerhalb von vier Wochen einigen. Der Gesetzgeber geht von einer Verhandlungslösung aus. In diesem “Konsensverfahren” muss der Arbeitnehmer noch kein annahmefähiges Angebot im Sinn von § 145 BGB auf Verringerung der Arbeitszeit abgeben. Es reicht aus, dass der Arbeitgeber um eine Verhandlung über eine Verringerung der Arbeitszeit und gegebenenfalls die Verteilung der verringerten Arbeitszeit gebeten wird. Im Gegensatz dazu regelt § 15 Abs. 6 und 7 BEEG das Verfahren der Inanspruchnahme (“Anspruchsverfahren”), wenn eine Einigung im Konsensverfahren nicht möglich ist. Dieses Verfahren leitet der Arbeitnehmer ein, indem er dem Arbeitgeber ein annahmefähiges Angebot im Sinn von § 145 BGB auf Verringerung und gegebenenfalls zusätzlich auf Verteilung der verringerten Arbeitszeit unterbreitet und deutlich macht, damit die Verringerung im Sinn dieser Vorschriften zu beanspruchen. § 15 Abs. 7 BEEG bestimmt, dass eine Verringerung unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal “beansprucht” werden kann. Damit spricht die Vorschrift anders als § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG nicht von einem Antrag, sondern von einem Anspruch, und begründet damit das Recht, auch gegen den Willen des Arbeitgebers die Verringerung der Arbeitszeit durchzusetzen. Sie bindet dieses Recht unter anderem an eine Mindestbeschäftigtenzahl von mehr als 15 Arbeitnehmern (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG), einen ununterbrochenen Bestand des Arbeitsverhältnisses von mehr als sechs Monaten (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 BEEG) und die Einhaltung bestimmter Formen und Fristen (§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nrn. 3 und 5 BEEG). Die Differenzierung zwischen dem Verringerungsantrag nach § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG im Konsensverfahren und dem Verringerungsanspruch gemäß § 15 Abs. 6 iVm. Abs. 7 BEEG im Anspruchsverfahren wird ferner aus der Regelung in § 15 Abs. 5 Satz 3 BEEG deutlich (BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 – Rn. 18). Danach hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, zur Fristwahrung den Antrag auf Teilzeitbeschäftigung zugleich mit der schriftlichen Mitteilung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BEEG und damit mit der Geltendmachung des Anspruchs aus § 15 Abs. 6 BEEG zu verbinden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Verringerungsantrag und die schriftliche Mitteilung nicht miteinander verbunden werden müssen. Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann deshalb zunächst nur einen Antrag nach § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG stellen, den Verlauf des Konsensverfahrens abwarten und erst dann entscheiden, ob ein bestimmter Anspruch gemäß § 15 Abs. 6 BEEG geltend gemacht werden soll (BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 – Rn. 18).
Ob der Arbeitnehmer die Arbeitszeitverringerung und ihre Verteilung im Konsens- oder Anspruchsverfahren durchzusetzen versucht, ist durch Auslegung zu ermitteln (ErfK/Gallner, 22. Aufl. 2022, BEEG § 15 Rn. 14 mit Hinweis auf BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 – noch zur Verringerung, dort Rn. 15).
Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 25. September 2017 zwar einen bestimmten Antrag auf Gewährung von Elternzeit zur Betreuung und Erziehung ihres Kindes gestellt. Hinsichtlich der Gewährung von Teilzeit in der Elternzeit enthält dieses Schreiben aber noch keinen konkreten Antrag, sondern eröffnet zunächst das dem Anspruchsverfahren vorgelagerte Konsensverfahren. Das ergibt die Auslegung dieser Erklärung der Klägerin.
Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom objektiven Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen und widerspruchsfreien Ergebnis führt, das den Interessen beider Vertragspartner gerecht wird (BAG 19. Dezember 2018 – 7 AZR 70/17 – Rn. 23, juris)
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 25. September 2017 (noch) keinen Antrag auf Gewährung von Elternteilzeit gestellt. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens. Während die Klägerin für Elternzeit formuliert “hiermit beantrage ich Elternzeit”, schreibt sie im Hinblick auf die Elternteilzeit deutlich schwächer formuliert: “beabsichtige ich (…) zurückzukommen”. Auch hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit formuliert die Klägerin nicht in Form eines Antrags, sondern einer Absichtserklärung: “Diese würde ich beispielsweise in einer 3 – 4-Tage Woche (à 5 Stunden/Tag) gestalten, mit der Option von 1- 2 Tagen Home Office/Woche”. Den Arbeitszeitumfang lässt die Klägerin offen: “mit 15-20-Arbeitsstunden/Woche”, und unterwirft sich auch nicht einer Festlegung durch die Beklagte. Die Schlussformulierungen: “Bitte lassen Sie mir eine schriftliche Bestätigung zukommen. Gerne stehe ich Ihnen auch für ein Gespräch zur Verfügung.”, deuten ebenfalls darauf hin, dass zunächst die Konsensphase eingeleitet werden sollte. Die Gewährung von Elternzeit soll “schriftlich bestätigt” werden. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 8 BEEG, nach der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die Elternzeit zu bescheinigen hat. „Im Übrigen“, das heißt im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Elternteilzeit, erklärt die Klägerin, dass von ihrer Seite Gesprächsbereitschaft besteht. Insoweit diente das Schreiben der Klägerin ersichtlich der Vorbereitung der Verhandlungen mit der Beklagten. Letzteres ergibt sich auch aus der beispielhaften Angabe eines Verteilungsbeispiels („Diese würde ich beispielsweise in einer 3 – 4-Tage Woche [à 5 Stunden/Tag] gestalten, mit der Option von 1 – 2 Tagen Home Office/Woche“).
Dafür, dass die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 25. September 2017 zunächst (lediglich) die Konsensphase einleiten wollte, spricht auch ihre – der Beklagten erkennbare – Interessenlage. Da nach § 15 Abs. 6 BEEG eine Verringerung der Arbeitszeit während der Gesamtdauer der Elternzeit lediglich zweimal verlangt werden kann, hat die Arbeitnehmerin ein Interesse daran, einen Antrag zu stellen, der vom Arbeitgeber voraussichtlich nicht wegen entgegenstehendender dringender betrieblicher Gründe abgelehnt werden kann. Die Klägerin hatte daher ein Interesse daran, zunächst im Konsensverfahren die Möglichkeiten einer Teilzeitbeschäftigung bei der Beklagten auszuloten und die betrieblichen Gegebenheiten sodann bei ihrem im Fall einer Nichteinigung zu stellenden förmlichen Antrag im Hinblick auf den Umfang und gegebenenfalls die Verteilung der Teilzeitarbeit zu berücksichtigen. Auch hätte sich die Klägerin durch einen bereits ein Jahr vor Beginn der beabsichtigten Teilzeitarbeit gestellten Antrag der Möglichkeit begeben, bis dahin flexibel auf Änderungen beispielsweise im Betreuungsbedarf des Kindes zu reagieren.
Aber auch dann, wenn man mit der Klägerin von einem förmlichen Antrag auf Gewährung von Elternteilzeit ausgehen würde, würde dieser den Anforderungen des § 15 Abs. 7 Satz 1 und 2 BEEG nicht genügen. Die Angabe der Klägerin: “mit 15-20-Arbeitsstunden/Woche”, bezeichnet den Umfang der verringerten Arbeitszeit nicht ausreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (15. Dezember 2009 – 9 AZR 72/09) muss der Verringerungsantrag so formuliert sein, dass er durch ein schlichtes “Ja” angenommen werden kann. Dem genügt das Schreiben der Klägerin nicht.
2.
Nach dem 25. September 2017 hat die Klägerin keinen Antrag nach § 15 Abs. 6, 7 Nr. 5 BEEG gestellt, der dem Schriftformerfordernis (§ 126 BGB) genügen würde.
Ein Antrag nach § 15 Abs. 6, 7 BEEG ist vom Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder notariell beglaubigtes Handzeichen zu unterzeichnen, da durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben ist (vgl. BAG 10. Mai 2016 – 9 AZR 145/15 – Rn. 15 ff. zu § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Ein Telefax (vgl. BAG 10. Mai 2016 – 9 AZR 145/15 – Rn. 29 ff. zu § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG) genügt nicht. Eine solche Erklärung ist nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Dasselbe gilt, wenn ein elektronisches Dokument nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, § 126a Abs. 1 BGB. Gemäß § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, § 126a Abs. 1 BGB.
Der Arbeitgeber kann sich aber im Einzelfall rechtsmissbräuchlich verhalten, wenn er sich darauf beruft, das Schriftformerfordernis sei nicht gewahrt. Es kann gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) verstoßen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG 10. Mai 2016 – 9 AZR 145/15 – Rn. 33 zu § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG; ErfK/Gallner, 22. Aufl. 2022, BEEG § 15 Rn. 16 iVm. § 16 Rn. 2).
a) Soweit die Klägerin sich darauf bezogen hat, einen Antrag per E-Mail von ihrem betrieblichen E-Mail-Account im Juli 2018 gestellt zu haben, ist ihr Vortrag unsubstantiiert. Der Vortrag der Klägerin versetzt die Kammer insbesondere nicht in die Lage zu überprüfen, ob eine etwaige E-Mail der Klägerin – abgesehen vom Schriftformerfordernis – den sonstigen Anforderungen an den von ihr zu stellenden Antrag auf Elternteilzeit genügt. Insbesondere vermag die Kammer ohne Kenntnis des genauen Inhalts dieses Schreibens nicht zu erkennen, ob insoweit ein Antrag oder lediglich eine Bitte oder die Mitteilung eines Wunsches vorlag und welchen genauen Inhalt dieser bzw. diese hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich auch aus der E-Mail der Frau S. vom 18. Juli 2018, 9:19 Uhr nicht entnehmen, dass dieser ein Antrag der Klägerin auf Elternteilzeit im Umfang von 15 Stunden vorangegangen ist. Mit der E-Mail vom 18. Juli 2018 antwortete Frau S. auf eine E-Mail der Klägerin vom 17. Juli 2018, 13:04 Uhr in der diese schrieb: „Liebe M., nochmal ich ;-)…ich nehme an, du hattest leider noch keine Zeit mit Herrn M. nochmal zu sprechen, nach meiner letzten Mail?! Um den Kitaplatz zu sichern, bräuchte ich recht zeitnah eine Rückmeldung und dann auch eine Arbeitsbescheinigung!“ Diese E-Mail der Klägerin enthält selbst keinen – formunwirksamen – Antrag. Ihr lässt sich auch nicht entnehmen, dass eine frühere E-Mail einen solchen enthalten hätte. Im Gegenteil deutet diese E-Mail eher daraufhin, dass die Parteien sich noch in der Konsensphase befanden. Denn die Klägerin fragt in ihrer E-Mail nach einer Rücksprache der Zeugin S. mit dem Geschäftsführer, einer „Rückmeldung“ und „dann auch“ einer „Arbeitsbescheinigung“, nicht nach einer – schriftlichen – Entscheidung der Beklagten. Hätte die Klägerin bereits einen Antrag auf Elternteilzeit gestellt gehabt, hätte sie zudem lediglich vier Wochen abwarten müssen, da nach Ablauf dieses Zeitraums mangels Ablehnung die Zustimmung der Beklagten als erteilt gegolten hätte, § 15 Abs. 7 Satz 5 Nr. 1 BEEG. Dafür, dass die Parteien sich noch in der Verhandlungsphase und noch nicht im Anspruchsverfahren befanden, sprich auch die Antwort der Frau S., die ausführt: „Gestern hatte ich Gelegenheit nochmal mit ihm zu sprechen. Leider sieht er keine Möglichkeit bei 15 Wochenstunden. Eine Alternative unsererseits wären wesentlich mehr Stunden. Bitte entschuldige, dass ich dir keine positiveren Nachrichten übermitteln kann.“. Frau S. bietet eine Alternative an und spricht von „Nachrichten“ und ebenfalls nicht von einer „Entscheidung“ der Beklagten, die auf einen Antrag zu erwarten gewesen wäre. Schließlich führt auch die Klägerin in ihrer E-Mail vom 20. Juli 2018, 9:42 Uhr aus: „das ist natürlich sehr schade, dass wir keine gemeinsame Lösung finden und es auch keine Alternativen (evtl. anderer Bereich ?!) bei A. gibt. Ich komme auch gerne persönlich vorbei, um mit dir und Herrn M. einen Einstieg zu besprechen, wenn es die Sache vereinfacht!“ Die Klägerin spricht also ebenfalls von einer „gemeinsamen Lösung“, die nach dem Willen des Gesetzgebers im Konsensverfahren getroffen werden soll. Hierauf deuten auch der Hinweis auf fehlende Alternativen sowie das Gesprächsangebot hin.
b) Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat die Klägerin auch im Gespräch mit dem Geschäftsführer am 19. Oktober 2018 keinen – formunwirksamen – Antrag nach § 15 Abs. 6, 7 BEEG gestellt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat angegeben, sich nicht an den Inhalt des Gespräches mit der Klägerin erinnern zu können. Er habe von dem Teilzeitwunsch der Klägerin nur aus einem Gespräch mit Frau S. gewusst. Er habe Frau S. dazu gesagt, das sei ihre Aufgabe, sie solle das machen. Man habe dafür die Human Resources Abteilung. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme war daher nicht ergiebig. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin bei dieser Gelegenheit durch den Betrieb geführt hat. Hieraus lässt sich nicht ableiten, dass die Klägerin einen Antrag gestellt und nicht nur mit dem Geschäftsführer nach einem Konsens gesucht hat.
III.
Die Beklagte hat auch nicht die ihr gegenüber der Klägerin obliegende arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dadurch verletzt, dass sie es unterlassen hätte, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie einen schriftlichen Antrag auf Elternteilzeit stellen muss. Eine derartige Hinweispflicht ist in § 15 BEEG nicht vorgesehen. Eine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer über seine Rechte zu beraten und ihn vor (Vermögens-) Nachteilen zu schützen, besteht nicht. Über die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Vorschriften muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich selbst informieren. Weitergehende Hinweispflichten ergeben sich nur in den Bereichen, in denen der Arbeitnehmer regelmäßig nicht hinreichend über seine Rechte informiert ist, der Arbeitgeber aber über die notwendigen Kenntnisse verfügt (BAG 26. August 1993 – 2 AZR 376/93 – Rn. 19, juris mwN.). Von dem Arbeitnehmer kann verlangt werden, sich selbst über seine Rechte bei der Inanspruchnahme von Elternzeit und Elternteilzeit zu informieren.
Die Beklagte musste insbesondere nicht unmittelbar nach dem Schreiben vom 25. September 2017 darauf hinweisen, dass die Klägerin keinen konkreten Umfang der beabsichtigten Teilzeitarbeit angegeben hatte. Die Beklagte konnte davon ausgehen, dass die Klägerin mit dem Schreiben vom 25. September 2017 noch nicht das Anspruchsverfahren, sondern lediglich das Konsensverfahren einleiten wollte. Der Beginn der von der Klägerin in Auge gefassten Elternteilzeit sollte erst nach dem ersten Geburtstag des Kindes beginnen. Eines förmlichen Antrags bedurfte es daher aus Sicht der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die Beklagte hat der Klägerin auch nicht ausdrücklich versichert, sie müsse keinen (weiteren) schriftlichen Antrag stellen, und diese hierdurch von einer formwirksamen Antragstellung abgehalten.
Wann, wer und mit welchem genauen Inhalt der Klägerin – im Übrigen – versichert haben soll, es bedürfe keines förmlichen Antrags auf Elternteilzeit ihrerseits, hat diese nicht substantiiert vorgetragen. Nicht ausreichend ist insoweit der Vortrag der Klägerin, sie habe neben dem Antrag vom 25. September 2017 mehrmals auch telefonisch bei der Beklagten nachgefragt, ob ein weiterer formeller Antrag auf Elternteilzeit erforderlich wäre. Dies sei jeweils von Beklagtenseite verneint worden. Insoweit hat die Klägerin weder ein konkretes Datum noch ihren jeweiligen Ansprechpartner/ihre jeweilige Ansprechpartnerin angegeben. Weiteren Vortrag zum Verzicht der Beklagten auf einen erneuten bzw. weiteren Antrag auf Teilzeittätigkeit hat die Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht gehalten. Eine Vernehmung der für weiteren Vortrag zu benennenden Zeugin S. war daher als Erhebung eines Ausforschungsbeweises nicht zulässig.
Die Berufung der Klägerin hat daher keinen Erfolg.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.


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