Arbeitsrecht

Soldatenversorgung – Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der tatsächlichen Ruhestandsversetzung

Aktenzeichen  14 B 17.188

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 1a Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 15 Abs. 1, § 26 Abs. 1, Abs. 3
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, § 113 Abs. 5 S. 1, § 133

 

Leitsatz

1. Die Erhöhung bzw. Verminderung der Erhöhung des Ruhegehalts nach § 26 Abs. 2 und 3 SVG aufgrund einer Ruhestandsversetzung wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze stellt auf die im Jahr der Ruhestandsversetzung geltende besondere Altersgrenze und nicht auf eine zu einem fiktiven früheren Zeitpunkt, im Zeitpunkt der tatsächlichen Ruhestandsversetzung nicht mehr geltende besondere Altersgrenze ab. (Rn. 21 – 22)
2. Die Übergangsregelungen für die (besonderen) Altersgrenzen bzw. die entsprechenden Hebungsschritte nach dem Soldatengesetz sind nicht mit Geburtsjahrgängen verknüpft, sondern beziehen sich auf das Jahr der Ruhestandsversetzung. (Rn. 23)

Verfahrensgang

Au 2 K 16.764 2016-07-25 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten, bei der Neuberechnung der Versorgungsbezüge des Klägers von einer Kürzung gemäß § 26 Abs. 3 SVG abzusehen, zu Recht abgewiesen, da der Kläger hierauf keinen Anspruch hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Höhe des Anspruchs auf Versorgungsbezüge (vgl. § 15 Abs. 1 SVG) des zum 31. Dezember 2015 in den Ruhestand versetzten Klägers sind die Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (gegebenenfalls in Verbindung mit den Vorschriften des Soldatengesetzes) in der (jeweils) zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand geltenden Fassung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 19.1.2017 – 2 C 1.16 – juris Rn. 9, 14). Welche Fassung der einschlägigen Vorschriften jeweils Anwendung findet, ergibt sich aus den zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers geltenden Übergangsregelungen (vgl. BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 – BVerfGE 145, 249 Rn. 8).
Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SVG in der seit 25. März 2010 geltenden Fassung beträgt das Ruhegehalt eines Soldaten für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, insgesamt jedoch höchstens 71,75 v.H. Ausgehend von 26 Jahren Dienstzeit – hierin enthalten sind die beiden weiteren, seit 2013 vom Kläger geleisteten Dienstjahre, die mit zwei mal 1,79375 Prozentpunkten zu Buche schlagen – beträgt somit der Ruhegehaltsatz nach dieser Bestimmung 46,6375 v.H. (26 x 1,79375 v.H.).
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 SVG wird das Ruhegehalt nach Absatz 1 nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 für die Berufssoldaten erhöht, die nach den Vorschriften des Soldatengesetzes wegen Überschreitens der für sie unterhalb des 60. Lebensjahres festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt werden, wobei das Ruhegehalt auch hier 71,75 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nicht übersteigen darf (§ 26 Abs. 2 Satz 2 SVG). Der Kläger ist vorliegend nicht auf Grund der für ihn geltenden allgemeinen Altersgrenze, sondern wegen des Überschreitens der für ihn unterhalb des 60. Lebensjahres festgesetzten besonderen Altersgrenze, nämlich im 59. Lebensjahr, in den Ruhestand versetzt worden (§ 44 Abs. 2, § 45 Abs. 2 i.V.m. § 96 Abs. 2 SG, vgl. Bl. 3 der Versorgungsakte). Damit war eine Erhöhung nach den Absätzen 3 bzw. 4 des § 26 SVG vorzunehmen.
Gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SVG beträgt die Erhöhung für die Berufssoldaten, die wegen Überschreitens der besonderen Altersgrenze des 53. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden, 12,55625 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift vermindert sich die Erhöhung für die Berufssoldaten, für die als besondere Altersgrenze ein höheres Lebensalter festgesetzt ist, um 1,79375 v.H. für jedes Jahr, um das diese Altersgrenze über dem 53. Lebensjahr liegt. Eine weitere – hier nicht relevante – Verminderung wird nach Satz 3 der Vorschrift vorgenommen bei einem Berufssoldaten, der mehr als zwei Jahre nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt nach Überschreiten der für ihn festgesetzten besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wird, und zwar in dem Umfang, um den sich das Ruhegehalt durch die Dienstzeit, die über diesen Zweijahreszeitraum hinausgeht, nach Absatz 1 erhöht.
Ausgehend davon, dass der Kläger aufgrund der besonderen Altersgrenze des 59. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden ist, hat die Beklagte einen Zeitraum zwischen dem 53. und dem 59. Lebensjahr (somit sechs Jahre) für die Minderung des Erhöhungsbetrags angesetzt und deshalb eine verbleibende Erhöhung von 1,79375 v.H. (12,55625 – 10,7625 v.H. [= 6 x 1,79375 v.H.]) errechnet, so dass sich ein – auf zwei Stellen gerundeter – Ruhegehaltssatz von 48,43 v.H. ergeben hat.
Der Auffassung des Klägers, dass im Rahmen des § 26 Abs. 2 und 3 SVG auf diejenige besondere Altersgrenze abzustellen sei, die der Kläger bereits im Jahr 2013 erreicht hatte, somit auf das 58. Lebensjahr, weshalb nur der Zeitraum zwischen dem 53. und dem 58. Lebensjahr (somit fünf Jahre) zu einer Minderung um 1,79375 v.H. pro Jahr hätte führen dürften, womit dem Kläger für die weiteren zwei Dienstjahre der Zuschlag von zwei mal 1,79375% erhalten bleibe, ist nicht zu folgen.
Bereits aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SVG wird deutlich, dass die Vorschrift auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Ruhestandsversetzung wegen der besonderen Altersgrenze abstellt („in den Ruhestand versetzt werden“). Demgegenüber verwendet das Soldatenversorgungsgesetz für den Fall, dass es einen fiktiven früheren Zeitpunkt zum Ansatz bringen will, die Formulierung: „wegen Überschreitens der … besonderen Altersgrenze in den Ruhestand hätten versetzt werden können“ (vgl. § 26a Abs. 1 Satz 2 SVG; vgl. auch die gleichlautenden Formulierungen in § 6 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 des Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungsgesetzes und § 3 Abs. 2 Satz 1 des Personalanpassungsgesetzes).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung galt für den Kläger entgegen dessen Ansicht nicht das (vollendete) 58. Lebensjahr, sondern das (vollendete) 59. Lebensjahr als besondere Altersgrenze. Dies ergibt sich aus § 45 Abs. 2 Nr. 2 SG in Verbindung mit der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b Doppelbuchst. bb SG, jeweils in der seit 12. Februar 2009 geltenden Fassung. Nach § 96 Abs. 2 Nr. 3 SG gilt für nicht von Nummer 1 des Absatzes 2 erfasste Oberstleutnante – die Nummer 1 erfasst nur die Laufbahnen des Sanitätsdienstes, des Militärmusikdienstes und des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr – ab dem Jahr 2013 grundsätzlich die Vollendung des 59. Lebensjahres (mit nachfolgend genannten Anhebungen) als besondere Altersgrenze (Buchst. b), allerdings mit der Maßgabe, dass vor dem 1. Januar 1999 zum Berufssoldaten ernannte Oberstleutnante in der Besoldungsgruppe A 14 die besondere Altersgrenze in den Jahren 2013 und 2014 mit Vollendung des 58. Lebensjahres (Doppelbuchst. aa) und in den Jahren 2015 bis 2023 mit Vollendung des 59. Lebensjahres (mit nachfolgend genannten Anhebungen) erreichen (Doppelbuchst. bb); für das Jahr 2015 ist dabei eine Anhebung nicht vorgesehen. Im Gegensatz zu den Übergangsregelungen für Beamte (vgl. §§ 51 f. BBG, § 69h BeamtVG) sind die Übergangsregelungen für die Altersgrenzen bzw. die entsprechenden Hebungsschritte nach dem Soldatengesetz nicht mit Geburtsjahrgängen verknüpft, sondern beziehen sich auf das Jahr der Ruhestandsversetzung, so dass sich die jeweilige Altersgrenze bei einem Verbleib im Dienst über ein bestimmtes Kalenderjahr hinaus ändert (vgl. Hucul in Walz/Eichen/Sohm, SG, 3. Aufl. 2016, § 96 Rn. 11). Dementsprechend wird in der Gesetzesbegründung zum Dienstrechtsneuordnungsgesetz (BT-Drs. 16/7076 S. 176) ausgeführt: „Nummer 3 hebt die besondere Altersgrenze für Oberstleutnante beginnend mit dem Jahr 2013 in zwölf Zweimonatsschritten insgesamt um zwei Jahre an, so dass die besondere Altersgrenze des 61. Lebensjahres im Jahr 2024 erreicht wird (Buchstabe b). Für vor dem 1. Januar 1999 zur Berufssoldatin oder zum Berufssoldaten ernannte Oberstleutnante in der Besoldungsgruppe A 14 wird die besondere Altersgrenze im Jahr 2015 zunächst um ein Jahr (auf 59 Jahre) angehoben. In den Jahren 2016 bis 2024 erfolgen weitere Anhebungen in sechs Zweimonatsschritten und drei Viermonatsschritten; die besondere Altersgrenze des 61. Lebensjahres ist im Jahr 2024 erreicht (Buchstabe b Doppelbuchstabe bb).“
Der vom Kläger vorgelegten schematischen Darstellung „Anpassung der Altersgrenzen der Berufssoldatinnen und Berufssoldaten durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG (BGBl. I S. 160)“ ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, ist in der Zeile „Besondere Altersgrenzen im jeweiligen Kalenderjahr“ ausdrücklich vermerkt: „Versetzung in den Ruhestand möglich, falls das jeweilige Alter im angegebenen Kalenderjahr überschritten wird/ist (sonst Werte der folgenden Kalenderjahre maßgeblich)“. Auch hieran wird deutlich, dass sich bei einem Verbleib im Dienst über ein bestimmtes Kalenderjahr hinaus die besondere Altersgrenze für den Soldaten ändert und sie daher im Fall des Klägers im Jahr 2015 bei 59 Jahren lag.
Nach alledem ist die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 SVG um 1,79375 v.H. auf 48,43 v.H. nicht zu beanstanden (Bescheid vom 30.11.2015). Gleiches gilt für die auf dieser Basis errechnete vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 26a SVG in der vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (Bescheid vom 1.12.2015).
2. Soweit der Kläger auf die in Nr. 1 des Merkblatts der Beklagten vom 7. September 2011 enthaltenen Informationen verweist, erschließt sich nicht, welche Folgen er daraus ableiten will. Denn Ruhegehalt für Soldaten ist nur in der durch Gesetz geregelten Höhe zu gewähren (§ 1a Abs. 1 SVG) und Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Soldaten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam (§ 1a Abs. 2 Satz 1 SVG). Hinzu kommt, dass die Entscheidung, ob ein Soldat wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wird, nicht von dessen Zustimmung abhängt (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 SG), also einseitig vom Dienstherrn zu treffen ist, so dass der Soldat bei einer entsprechenden Entscheidung des Dienstherrn keine Möglichkeit zur Wahl der für ihn günstigsten Alternative hat. Im Übrigen stellen die Informationen in Nr. 1 des Merkblatts lediglich eine Erläuterung des Gesetzestextes dar und nehmen Bezug auf die – für den Kläger nicht einschlägige – Zwei-Jahres-Frist in § 26 Abs. 3 Satz 3 SVG, bei deren Überschreiten eine weitere Verminderung der Erhöhung des Ruhegehalts eintreten würde. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 25. Juli 2016 (Rn. 23) wird Bezug genommen.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 VwGO.


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