Arbeitsrecht

Teilweises Ruhen von Versorgungsbezügen bei zwischenzeitlicher Tätigkeit für zwischen- oder überstaatliche Einrichtung

Aktenzeichen  M 21 K 14.16

Datum:
22.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151047
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 52 Abs. 3
BeamtVG § 5 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 2, § 56, § 85 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 6 S. 4
SVG § 55b Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 56 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ist ein Beamter über mehrere Jahre zur Ausübung einer Tätigkeit bei der NATO beurlaubt gewesen und hat er bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst dieser zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung eine Kapitalabfindung erhalten, die er nicht an seinen inländischen Dienstherrn weitergeleitet hat, ruht sein deutsches Ruhegehalt in Höhe eines Betrages, welcher einer Minderung eines bestimmten Vomhundertsatzes für jedes im zwischen- oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist – mit Ausnahme des überflüssigen, gleichwohl unschädlichen Neubescheidungsbegehrens – zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 4. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat keinen Anspruch auf Neubescheidung der bisherigen Ruhensregelung insbesondere mit dem Inhalt ihrer zeitlichen Befristung auf einen in naher Zukunft liegenden Zeitpunkt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der angefochtene Bescheid beruht auf der Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987 (BGBl. I S. 570). Danach ruht, wenn ein Ruhestandsbeamter aus der Verwendung im öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung eine Versorgung erhält, sein deutsches Ruhegehalt in Höhe des Betrages, der einer Minderung des Hundertsatzes von 2,14 für jedes im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst vollendete Jahr entspricht. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in derselben Gesetzesfassung findet dabei die vorgenannte Ruhensanordnung auch Anwendung, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte – wie vorliegend – bei seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung anstelle einer Versorgung einen Kapitalbetrag als Abfindung oder als Zahlung aus einem Versorgungsfonds erhält.
Die Anwendung dieser Fassung des § 56 Abs. 1 und 2 BeamtVG beruht auf § 85 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BeamtVG in der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles (1. Februar 2011) geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 150). Danach ist bei Zeiten im Sinne des § 56 Abs. 1 BeamtVG, die – wie vorliegend ausschließlich – bis zum 31. Dezember 1991 zurückgelegt sind, § 56 BeamtVG in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.
Daraus folgt, dass der hier zu beurteilenden Ruhensregelung dieselben Vorschriften zugrunde lagen wie die, welche das Ruhen der Versorgungsbezüge von Berufssoldaten in Gestalt des § 55b SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 1987 (BGBl I S. 843, SVG 1987) für denselben Zeitraum (bis zum 31. Dezember 1991) im Wesentlichen inhaltsgleich regeln, insbesondere der für Berufssoldaten dasselbe wie § 56 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG für Beamte regelnde § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG. Zwischen den Vorschriften des Beamten- und des Soldatenversorgungsgesetzes herrscht – von einigen gruppenspezifischen Besonderheiten abgesehen, die hier keine Rolle spielen – auch hinsichtlich der jeweiligen Rechtsentwicklung ein weitestgehender Gleichlauf.
In Bezug auf § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 1987 (BGBl. I S. 843) sowie in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 18. Dezember 1989 (BGBG. I S. 2218) – und damit auch auf die Fälle des § 56 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in der hier noch anzuwendenden Fassung (vgl. oben) übertragbar – ist nun in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass die genannten Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfG vom 23.05.2017 – 2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14 – ZBR 2017, 305). Damit wurde aber – über die von dem Kläger eingeräumte, vermeintlich belanglose Bedeutung der Entscheidung hinausgehend – zugleich klargestellt,
– dass der empfangene Kapitalbetrag anders behandelt werden kann als eine laufende Versorgung der NATO mit der wichtigen weiteren Folge, dass für ihn gerade nicht die bei laufender Versorgung aus NATO-Mitteln vorgeschriebene Deckelung von Kürzungen in Höhe des Kapitalbetrags gilt, (BVerfG, ebenda, Leitsatz 3),
– dass die Kürzung der deutschen Versorgung ohne Verfassungsverstoß (auch nicht wegen Art. 3 Abs. 1 GG) in Form von prozentualen Abschlägen vom Ruhegehaltssatz konzipiert werden kann (Leitsatz 4a, 4b, 5b, 5c),
– dass ohne Verfassungsverstoß die Summe der Kürzungen den Nominalbetrag der Kapitalabfindung übersteigen darf, die Kürzungen also auf Lebenszeit von den Versorgungsbezügen vorgenommen werden können (Leitsatz 4b.aa),
– dass hinsichtlich der wirtschaftlichen Bewertung der Kapitalabfindung keine Worst-case-Betrachtung (etwa auf der Basis eines Leibrentenversprechens oder einer mündelsicheren Kapitalanlage) geboten ist, sondern vielmehr die Nichtabführung des Kapitalbetrags an den Dienstherrn indiziert, dass – wovon der Dienstherr ausgehen darf – der Empfänger den wirtschaftlichen Wert der sofortigen Kapitalverwendung bei Übernahme des vollen Risikos für die Werthaltigkeit höher bewertet als die ungeschmälerte laufende Versorgung auf Lebenszeit (Leitsatz 4b.aa),
– dass die Ablieferungsmöglichkeit jeglichen Versuch eines Beamten, gleichwohl die nach den hergebrachten Grundsätzen des Beamtenrechts (Art. 33 Abs. 5 GG) zu jedem Zeitpunkt zu garantierende Vollalimentation in Zweifel zu ziehen, abschneidet (Leitsatz 4b.cc) und
– dass dies gerade auch dann gilt, wenn die Kürzung (ohne Rücksicht auf die Höhe des empfangenen Kapitalbetrags) in Form von prozentualen Abschlägen auf den Ruhegehaltssatz vorgenommen wird (Leitsatz 5b).
Damit wurde zwangsläufig auch der von dem Kläger erhobenen Rechtsbehauptung, die Ruhensregelung werde in dem Moment verfassungswidrig, in dem die Summe der Ruhensbeträge entweder den Nennwert oder einen durch Dynamisierung, Verrentung, Aufzinsung oder auf andere Weise bestimmten wirtschaftlichen Wert des erhaltenen Kapitalbetrags übersteige, eine Absage erteilt. Vielmehr erweist sich der angefochtene Bescheid, der auf der Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts beruht und eine Kürzung der Versorgungsbezüge auf Lebenszeit des Klägers vorsieht, als verfassungsgemäß.
Auch die anderweitigen Einwendungen, die gegen die Rechtmäßigkeit erhoben wurden, sind unbegründet.
– Dem Schreiben des Wehrbereichsgebührnisamtes Vvom 7. Juli 1989 fehlt erkennbar der Wille, eine Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG abzugeben. Es hat ausschließlich einen beratenden Inhalt und lässt keinen verwaltungsrechtlichen Regelungs- und Bindungswillen erkennen. Es will den Lebenssachverhalt, über den beraten wird, in allgemeinverständlicher Sprache veranschaulichen, aber keine auf Rechtsvorschriften beruhende oder solchen gar widersprechende Zusicherungen machen (BayVGH vom 14.10.2009 – 14 ZB 08.2792 – juris).
– Die Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts ist übergangsrechtlich so angeordnet und der Abschlag vom Ruhegehaltssatz in Höhe von 2,14% für jedes zurückgelegte Jahr ist wohlbegründet, weil in den Bezugsjahren bis zum 31. Dezember 1991 auch der jährlich durchschnittlich erdiente Zuwachs des Ruhegehaltssatzes mindestens eine entsprechende Höhe aufwies mit der Folge, dass der Bund in ebendieser Höhe den Ruhegehaltssatz für Zeiten, in denen der Beamte dem Dienstherrn nicht zur Verfügung gestanden hat, kürzen konnte.
– Bei der Rundungsregelung nach § 85 Abs. 6 Satz 4 BeamtVG (in der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls geltenden Fassung) handelt sich in der Tat um einen zusätzlichen Eingriff in Form einer unechten Rückwirkung, der aber der Beseitigung einer missbräuchlichen Praxis dient und daher ohne Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot zulässig ist (so schon VG München vom 20.03.2009 – M 21 K 07.5964 – juris, m.w.N., nicht rechtskräftig; aber auch BayVGH vom 14.10.2009, a.a.O.).
– Die Möglichkeit eines Verstoßes der hier anzuwendenden Vorschriften gegen die geschlechtsbezogenen Diskriminierungsverbote des Art. 157 AEUV scheidet aus. Die prozentuale Kürzung des Ruhegehaltssatzes fällt für beide Geschlechter gleich aus. Die Tatsache, dass die Kürzung in Abhängigkeit von dem tatsächlichen Lebensalter, welches der jeweilige Beamte oder Soldat erreicht, vom Nominalbetrag der erhaltenen Abfindung um ein unterschiedlich hohes Maß abweichen kann – dahinter zurückbleibend, aber auch übersteigend, und zwar letzteres bei Frauen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit –, ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich unter Hinweis auf die nach § 55b Abs. 3 Satz 2 SVG, § 56 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bestehende Ablieferungsmöglichkeit für unschädlich und geboten erklärt worden.
– Auch die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Sorge des Klägers, die Kürzung reiche auf diese Weise über seinen eigenen Tod hinaus und treffe auch noch seine Witwe bis zu deren Ableben, ist unbegründet. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG beträgt das Witwengeld 55% des Ruhegehaltes, „das der Verstorbene erhalten hat“. Zur Auslegung dieses Rechtsbegriffs bestimmt Nr. 20.1.5 BeamtVGVwV (abgedruckt bei Plog/Wiedow, BBG, zu § 20 BeamtVG), dass ein Ruhen des Ruhegehaltes nach den §§ 53 bis 56 BeamtVG oder entsprechenden Vorschriften auf die Berechnung des Witwengeldes ohne Einfluss sei. Für die Anwendung der Ruhensvorschriften auf das Witwengeld seien die persönlichen Verhältnisse der Witwe maßgebend.
– Die Argumentation, mit § 55b SVG in der ab dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung sei die frühere Beschränkung der Verweisung des § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG auf lediglich § 55b Abs. 1 Satz 1 SVG aufgegeben worden, seither ergebe sich aus der Verweisung auf den gesamten § 55b Abs. 1 SVG, dass auch bei gezahltem Kapitalbetrag nach vollständiger Kompensation eine zeitliche Begrenzung des Ruhens stattzufinden habe, geht zum einen ins Leere, weil die genannte Fassung des § 55b SVG, § 56 BeamtVG hier schon nicht anzuwenden ist (vgl. oben). Zum andern gibt nur die in § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG (n.F.) enthaltene Verweisung auf § 55b Abs. 1 SVG (insgesamt) Raum für die denkbare, aber nach Auffassung des Gerichts als rechtsirrig abzulehnende Auffassung, dass damit in erweiternder Auslegung des Begriffs „Versorgung“ in § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auch ein (verrenteter) Kapitalbetrag und nicht nur eine laufende Versorgung gemeint sein könnte. Auf den Kläger als Beamten ist jedoch ohnehin nicht § 55b SVG, sondern § 56 BeamtVG anzuwenden. Dort ist die Deckelung des Ruhens in Höhe der Versorgung mit Art. 6 Nr. 28 des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts (Versorgungsreformgesetz 1998 – VReformG) vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666) aus § 56 Abs. 1 BeamtVG heraus- und in einen neuen § 56 Abs. 6 Satz 1 BeamtVG übernommen worden. Hier steht daher fest, dass der Gesetzgeber auf die Einbeziehung von Kapitalbeträgen in die Deckelung keinen Wert gelegt, sondern vielmehr dafür gesorgt hat, dass die Deckelung auf die in § 56 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG geregelte Behandlung von u.a. Kapitalbeträgen (weiter) ohne Einfluss bleibt. Auch der Gesetzesbegründung des Versorgungsreformgesetzes 1998 lässt sich kein Hinweis dafür entnehmen, dass von der Deckelungsvorschrift auch anstelle einer laufenden Versorgung erhaltene Kapitalbeträge erfasst werden sollen (vgl. BT-Drucks. 13/9527 vom 22.12.1997, S. 41).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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