Arbeitsrecht

Übersetzungskosten im Prozesskostenhilfeverfahren

Aktenzeichen  7 Ta 115/17

Datum:
21.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AuR – 2017, 466
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 114, § 127
RL 2003/8/EG RL 2003/8/EG Art. 7 Buchst. b, Art. 8 Buchst. b, Art. 12
RVG RVG § 46

 

Leitsatz

1. Für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst kann grundsätzlich Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. (Rn. 17)
2. In einem grenzüberschreitenden Rechtsstreit ist die Richtlinie 2003/8/EG anzuwenden. Danach ist Prozesskostenhilfe auch für Übersetzungskosten zu bewilligen, die anfallen, wenn im Verfahren um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Gericht Schriftstücke oder Anlagen in übersetzter Form vorgelegt werden müssen. (Rn. 18)
3. Auch in diesen Fällen ist zu prüfen, ob die Vorlage der Schriftstücke und somit ihre Übersetzung erforderlich waren. (Rn. 24)

Verfahrensgang

1 Ca 1442/16 2017-04-19 Bes ARBGWEIDEN ArbG Weiden

Tenor

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.04.2017 wird teilweise abgeändert.
2. Dem Kläger wird für die im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens angefallenen Übersetzungskosten in Höhe von 40,00 € Prozesskostenhilfe bewilligt.
3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
4. Für diesen Beschluss werden Gebühren nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Parteien stritten vor dem Arbeitsgericht Weiden in der Hauptsache um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Mit Schriftsatz vom 06.01.2017 beantragte der Kläger u.a., den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss auch auf die im Verfahren für die Übersetzung der Anlagen zum Prozesskostenhilfeantrag anfallenden Übersetzungskosten zu erstrecken.
Das Verfahren endete am 31.01.2017 mit dem Abschluss eines Vergleichs.
Mit Beschluss vom selben Tag bewilligte das Erstgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm Frau Rechtsanwältin J. als Prozessvertreterin bei.
Mit Schriftsatz vom 16.03.2017 beantragte die Prozessvertreterin des Klägers, Übersetzungskosten in Höhe von insgesamt 380,00 € festzusetzen. Der Betrag resultierte aus zwei Rechnungen von Frau Z. vom 30.01.2017 (115,00 €) und vom 28.02.2017 (265,00 €), die für Übersetzungstätigkeiten gestellt wurden (s. Kostenheft unter IV).
Unter dem 05.04.2017 führte die Prozessvertreterin des Klägers aus, über den Antrag, den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss auch auf die im Verfahren für die Übersetzung der Anlagen zum Prozesskostenhilfeantrag anfallenden Übersetzungskosten zu erstrecken, sei noch nicht entschieden worden.
Außerdem machte sie als eigene Auslagen gemäß § 46 RVG die Übersetzungskosten aus der Rechnung vom 28.02.2017 geltend und beantragte insoweit, die Erforderlichkeit der geltend gemachten Übersetzungskosten gemäß § 46 Absatz 1 RVG festzustellen.
Das Arbeitsgericht Weiden erließ am 19.04.2017 folgenden Beschluss:
Der Antrag des Klägers, im Rahmen des Verfahrens der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Bewilligung auch auf die im Verfahren für die Übersetzung der Anlagen zum Prozesskostenhilfeantrag anfallenden Übersetzungskosten zu erstrecken, wird zurückgewiesen.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 28.04.2017 zugestellt.
Der Kläger legte gegen den Beschluss am 24.05.2017 sofortige Beschwerde ein.
In seinem Schriftsatz vom 02.06.2017 trug der Kläger vor, die Position 3 der Rechnung vom 28.02.2017 sei versehentlich darin aufgenommen worden. Der Kostenfestsetzungsantrag vom 16.03.2017 werde in Höhe von 115,00 € zurückgenommen.
Mit Beschluss vom 08.06.2017 stellte das Arbeitsgericht die Erforderlichkeit von Übersetzungskosten in Höhe von 150,00 € fest.
II.
Es wird zunächst klargestellt, dass Gegenstand der vorliegenden Beschwerde (ausschließlich) der Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 19.04.2017 ist, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bezüglich der Übersetzungskosten laut Rechnung vom 30.01.2017 im Prozesskostenhilfeverfahren abgelehnt worden ist.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 127 Absatz 2 Satz 2 ZPO, sowie ordnungsgemäß eingelegt worden, §§ 127 Absatz 3, 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hinsichtlich der im Prozesskostenhilfeverfahren angefallenen Übersetzungskosten in der geltend gemachten Höhe.
Allerdings steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht bereits entgegen, dass im Rahmen des § 114 ZPO grundsätzlich Prozesskostenhilfe nicht für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst gewährt werden kann. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 114 ZPO, der die Prozesskostenhilfe (nur) für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vorsieht, und entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (Bundesgerichtshof ‒ Beschluss vom 29.06.2010 ‒ VI ZA 3/09; juris).
Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um einen Rechtsstreit mit grenzüberschreitendem Charakter handelt. Vielmehr ist in diesen Fällen die Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen zu beachten.
Nach Artikel 1 der Richtlinie ist deren Ziel die Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen.
Insoweit sind insbesondere die Art. 7 b), 8 b) und 12 der Richtlinie zu beachten. Danach gehören gemäß Art. 7 b) zu den durch den grenzüberschreitenden Charakter der Streitsache bedingten Kosten die Übersetzungskosten für Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind. Dies betrifft die Entscheidung in der Hauptsache.
Aus den Art. 8 b) iVm 12 der Richtlinie ergibt sich darüber hinaus, dass (auch) der Mitgliedstaat des Gerichtsstands verpflichtet ist, erforderliche Kosten für das Prozesskostenhilfeverfahren zu übernehmen.
Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26.07.2017 (C-670/15; juris) entschieden, dass die Prozesskostenhilfe, die der Mitgliedstaat des Gerichtsstands gewährt, in dem eine natürliche Person, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, in einer Streitsache mit grenzüberschreitendem Bezug Prozesskostenhilfe beantragt hat, auch die von dieser Person verauslagten Kosten für die Übersetzung der Anlagen umfasst, die für die Entscheidung über diesen Antrag erforderlich sind.
Danach steht dem Kläger zwar grundsätzlich Prozesskostenhilfe auch für das Verfahren über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu, insbesondere für Übersetzungskosten.
Voraussetzung ist indes, dass sie erforderlich waren, um über die beantragte Prozesskostenhilfe zu entscheiden.
Für die Frage, ob die geltend gemachten Übersetzungskosten erforderlich waren, ist der Maßstab anzulegen, der für § 46 Absatz 2 Satz 3 RVG gilt. Insbesondere verlangt die Richtlinie 2003/8/EG nicht die Besserstellung einer Partei, die einen grenzüberschreitenden Rechtsstreit führt, sondern lediglich den Ausgleich der Nachteile, die dadurch entstehen, dass die Partei der beim Prozessgericht verwendeten Sprache nicht mächtig ist.
Erforderlich im Sinne des § 46 RVG sind diejenigen Auslagen, ohne die der beigeordnete Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten nicht sachgemäß wahrnehmen kann.
Dies ist vorliegend lediglich teilweise der Fall.
Die Rechnung vom 30.01.2017 beinhaltet Übersetzungskosten für folgende Schriftstücke:
– Vertrag über Kredit und Bausparvertrag
– Erklärung zu Punkt I des Prozesskostenhilfeantrags
Kaufvertrag Immobilie
– Pfandvertrag Immobilie
– Kreditvertrag.
Es war lediglich die Übersetzung der Erklärung des Klägers zu Punkt I des Prozesskostenhilfeantrag und des Kaufvertrags über die Immobilie erforderlich.
Grundlage für die Prüfung ist vorliegend die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23.12.2016, die der Kläger in tschechischer und deutscher Sprache eingereicht hat. Der Vertrag über den Kredit und der Bausparvertrag sowie der weitere Kreditvertrag sind für den Prozesskostenhilfeantrag unerheblich. Sie wären dann von Bedeutung, wenn der Kläger sich hieraus ergebende Zahlungsverpflichtungen geltend gemacht hätte. Dies ist nicht der Fall. Der Kläger hat unter der Rubrik „Sonstige Zahlungsverpflichtungen“ zwar die beiden Kreditverträge mit der jeweiligen Restschuld eingetragen. Nach seiner Erklärung zahlt er selbst indes nichts auf die Schuld. Wenn er aber selbst die anfallenden Belastungen nicht trägt, sind sie für den Prozesskostenhilfeantrag unerheblich.
Dass der Kläger die monatlichen Raten nicht selbst zu tragen hat, ergibt sich nicht aus den vorgelegten Verträgen, sondern ausschließlich aus der Erklärung selbst. Diese lag bereits am 23.12.2016 vor.
Zu welchem Zweck der Pfandvertrag über die Immobilie vorgelegt wurde, ist nicht ersichtlich.
Die auf diese drei Positionen entfallenden Kosten in Höhe von 75,00 € waren daher nicht erforderlich.
Dagegen sind die Übersetzungskosten für die Erklärung des Klägers sowie den Kaufvertrag über die Immobilie in Höhe von insgesamt 40,00 € als erforderlich anzusehen.
Mit seiner Erklärung erläuterte der Kläger den Umstand, dass er keinerlei Einkünfte hatte.
Gleichzeitig führte der Kläger aus, dass er das Haus für seine Mutter gekauft hatte. Dies war eventuell bedeutsam für die Rubrik „Grundeigentum“ in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Hier hatte der Kläger die Frage nach Grundeigentum bejaht.
Insoweit war auch die Vorlage des Kaufvertrags erforderlich, da sich aus ihm die Kaufsumme ergibt. Diese wiederum lässt Rückschlüsse auf den in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgefragten Verkehrswert der Immobilie zu.
Die hierfür in Rechnung gestellten Beträge von 15,00 € bzw. 25,00 € stellen zwar Pauschalbeträge dar. Dagegen werden Übersetzungskosten gemäß § 11 JVEG nach tatsächlichen Anschlägen errechnet. Nach der Zahl der Anschläge liegt die Vergütung für beide Texte indes noch unterhalb des Honorars nach § 11 JVEG.
Der Beschluss des Erstgerichts war daher teilweise abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG.


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