Arbeitsrecht

Überzahltes Entgelt – Verfall des Rückzahlungsanspruchs

Aktenzeichen  5 AZR 197/20

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:310321.U.5AZR197.20.0
Normen:
§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB
§ 22 Abs 1 S 1 TV-L
§ 22 Abs 1 S 2 TV-L
§ 3 Abs 1 S 2 EntgFG
§ 814 BGB
§ 818 Abs 1 BGB
§ 818 Abs 2 BGB
§ 818 Abs 3 BGB
§ 37 Abs 1 TV-L
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Bielefeld, 13. Juni 2019, Az: 1 Ca 401/19, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 23. Januar 2020, Az: 17 Sa 1030/19, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des klagenden Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. Januar 2020 – 17 Sa 1030/19 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des klagenden Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13. Juni 2019 – 1 Ca 401/19 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 3.535,01 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Februar 2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
2
Die Beklagte war von Dezember 2013 bis Dezember 2017 beim klagenden Land als Fachkraft für Schulsozialarbeit in Vollzeit beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006, zuletzt idF des Änderungstarifvertrags Nr. 9 vom 17. Februar 2017, Anwendung.
3
Die Beklagte war in der Zeit vom 20. Dezember 2016 bis zum 6. Januar 2017, vom 11. bis zum 20. Januar 2017 und vom 20. Februar 2017 bis zum 24. März 2017 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Erstbescheinigung ihres behandelnden Arztes von Dienstag, dem 11. April 2017, wurde ihr eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 10. bis zum 21. April 2017 und anschließend durch Folgebescheinigungen eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Mai 2017 attestiert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichte die Beklagte bei ihrer Einsatzschule ein. In der Zeit vom 24. März 2017 bis zum 7. April 2017 „galt“ die Klägerin in ihrer Einsatzschule als „dienstunfähig“, auch wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dort nicht vorlag.
4
Entsprechend allgemeiner Vorgaben des klagenden Landes leitete die Einsatzschule die von der Beklagten eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die für die Personalaktenführung zuständige Bezirksregierung Detmold weiter. Den Bezirksregierungen obliegt es, bestehende Arbeitsunfähigkeiten in einem dafür vorgehaltenen Personalsystem zu erfassen. Bezüge auszahlende Stelle ist das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV), das für Berechnung und Zahlbarmachung auch der Entgelte der Tarifbeschäftigten zuständig ist. Bei Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten nimmt das LBV ggf. Änderungen hinsichtlich der Zahlung der Vergütung aufgrund entsprechender Änderungsmitteilungen der Bezirksregierung vor.
5
Das klagende Land zahlte der Beklagten Vergütung für die Zeit bis einschließlich zum 12. Mai 2017. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018, das am 29. Oktober 2018 bei der Einsatzschule der Beklagten und am 3. November 2018 beim LBV einging und dessen Inhalt durch spätere Schreiben hinsichtlich zunächst offensichtlich fehlerhafter Datumsangaben konkretisiert wurde, teilte die Krankenkasse der Beklagten zusammengefasst mit, dass sie aufgrund anzurechnender „Vorerkrankungen“ vom 20. Februar bis zum 7. April 2017 vom „Ende der Entgeltfortzahlung“ am 9. April 2017 ausgehe und sie der Beklagten für die Zeit vom 10. April bis zum 12. Mai 2017 Krankengeld nachzahlen werde. Zugleich bat die Krankenkasse zum Zweck der Berechnung der Höhe des Krankengelds um Übersendung einer Bescheinigung über den Verdienst der Beklagten im Monat März 2017. Unter dem 21. November 2018 übermittelte die Bezirksregierung dem LBV eine Änderungsmitteilung über die Einstellung der laufenden Zahlung von Entgelt/Krankenbezügen an die Beklagte für die Zeit seit dem 10. April 2017.
6
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2018 machte das klagende Land gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Bezüge iHv. 3.538,77 Euro geltend. Die Beklagte wies die Forderung durch anwaltliches Schreiben vom 28. Dezember 2018 zurück. Nach weiterem Schriftverkehr, im Zuge dessen das LBV den Rückzahlungsanspruch in der Höhe konkretisierte und erneuerte, blieb die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung. Unter dem Datum des 5. März 2019 teilte die Krankenkasse der Beklagten mit, dass sie ihr für die Zeit vom 11. April bis zum 12. Mai 2017 Krankengeld iHv. 2.324,16 Euro überwiesen habe.
7
Mit seiner Klage verfolgt das klagende Land seinen Rückzahlungsanspruch weiter. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung habe der Beklagten für die Zeit nach dem 9. April 2017 nicht zugestanden. Diese habe die gleichwohl in voller Höhe gezahlte Vergütung rechtsgrundlos erlangt. Von den Umständen, die den Rückzahlungsanspruch begründen, habe das für die Berechnung und Zahlung des Entgelts allein zuständige LBV erst im Zusammenhang mit den Mitteilungen der Krankenkasse der Beklagten von Oktober/November 2018 Kenntnis erlangt.
8
Das klagende Land hat – nach geringfügiger Klagerücknahme – zuletzt beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an es 3.535,01 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch sei verfallen, weil das klagende Land die Ausschlussfrist des § 37 TV-L nicht eingehalten habe.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des klagenden Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das klagende Land sein Zahlungsbegehren weiter.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben