Arbeitsrecht

Umfang der Suche nach anderweitiger Verwendung vor Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  AN 1 K 16.00923

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 3, § 45
BBG BBG § 44 Abs. 2
BayBG BayBG Art. 1, Art. 66 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Der Dienstherr kommt seiner Suchverpflichtung hinsichtlich der anderweitigen Verwendung eines in seinem Statusamt dienstunfähigen Beamten (§ 26 Abs. 1 S. 3 BeamStG) und ihrer Dokumentation nicht hinreichend nach, wenn er die Personalie des Beamten nur in den turnusmäßigen Personaleinsatzgesprächen thematisiert, aber kein positives Leistungsprofil erstellt und kommuniziert (Anm: Berufung wurde wegen Grundsatzbedeutung zugelassen). (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2015 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.05.2016 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2015 über die Ruhestandsversetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Bescheid vom 27. November 2015 über die Ruhestandsversetzung des Klägers wegen Dienstunfähigkeit und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Mai 2016 sind rechtswidrig, weil zwar hinsichtlich des Statusamtes des Klägers vom Vorliegen einer Dienstunfähigkeit auszugehen ist, die Beklagte aber ihrer Suchverpflichtung bezüglich eines anderweitigen Einsatzes nicht in genügendem Maße nachgekommen ist.
Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von einer Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift kann dem Beamten zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.
Aus diesem Grund ist ein Beamter weiterhin dienstfähig, wenn ein geeigneter Dienstposten entweder für ihn freigemacht oder durch organisatorische Änderungen eingerichtet werden kann. Daran fehlt es, wenn derartige Maßnahmen die sachgemäße und reibungslose Erfüllung der dienstlichen Aufgaben beeinträchtigen würden. Störungen des Betriebsauflaufs dürfen nicht über das Maß hinausgehen, das mit Änderungen vorübergehend zwangsläufig verbunden ist (BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73/08 –, Rn. 15, juris unter Bezugnahme auf Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG/BeamtVG, Kommentar, Band 1, Stand August 2007, § 42 Rn. 4). Allerdings geht das BVerwG zugleich davon aus, dass keine Verpflichtung des Dienstherrn begründet wird, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen, denn es liege im Organisationsermessen des Dienstherrn, welche und wie viele Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn er bei den Behörden einrichtet und aus welchen Gründen er diese Ämterstruktur ändert (BVerwG, a.a.O. Rn. 29, juris, m.w.N.).
Diese Suchverpflichtung muss sich auch auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit neu zu besetzen sind; der insoweit zu betrachtende Zeitraum ergibt sich aus der für den Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung erforderlichen Zeit. Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, ggf. auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Ist bei einer anderen Behörde im Bereich des Dienstherrn ein amtsangemessener Dienstposten vakant, dann ist der Beamte auf diesem Dienstposten zu verwenden. Der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung darf nicht faktisch unter dem Vorbehalt stehen, dass die Behörde, bei der der vakante Dienstposten besteht, der Besetzung zustimmt. Zur Suchpflicht gehört auch eine Nachfrage bei einer anderen Behörde, wenn diese eine Abfrage unbeantwortet lässt. Schließlich ist dann, wenn die Suche nach einer anderweitigen Verwendung nach § 44 Abs. 2 BBG (nunmehr § 26 Abs. 2 BeamtStG) auch unter Beachtung der insoweit zu stellenden Anforderungen erfolglos geblieben ist, vor der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu prüfen, ob dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit übertragen (§ 44 Abs. 3 BBG, inzwischen § 26 Abs. 3 BeamtStG) und ob er auch ohne Zustimmung in ein Amt dieser Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt versetzt werden kann (BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 –, Rn. 4, juris).
Die Suchanfrage muss dabei eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 –, Rn. 19, juris). Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat. Die Einräumung einer Verschweigensfrist setzt dabei nicht den nötigen Impuls für die angefragten Behörden, hinreichend ernsthaft und nachdrücklich nach einer anderweitig möglichen Verwendung des dienstunfähigen Beamten Ausschau zu halten. In welcher Form die Verwaltung der Suchpflicht nachkommt, sei es durch schriftliche Anfragen, oder aber durch E-Mail-Abfragen oder auf andere Weise, bleibt ihrer Organisationsgewalt überlassen (BVerwG, a.a.O. Rn. 20 ff., juris).
Hieran gemessen hat die Beklagte ihrer Suchverpflichtung nicht genügt. Aus der (bloßen) Tatsache, dass die Personalie des Klägers in den turnusmäßigen Personaleinsatzgesprächen immer wieder thematisiert worden ist, ergibt sich gerade nicht, ob ein erforderliches positives Leistungsprofil erstellt und kommuniziert worden ist. Soweit die Teilnehmer an diesen Gesprächen den Fachabteilungen der Beklagten zugeordnet und selbst nicht die Leiter dieser Einheiten sind, dürfte es auch nicht genügen, dass diese die Möglichkeiten des Personaleinsatzes geprüft haben. Gerade weil der Einsatz eines Beamten mit erheblichen Einschränkungen im Leistungsprofil regelmäßig auch mit großem Aufwand für eine Abteilung verbunden ist, dürfte es naheliegen, dass die Teilnehmer an dieser Besprechung jedenfalls kein besonderes Interesse haben dürften, ihrem jeweiligen Vorgesetzten einen eingeschränkt leistungsfähigen Beamten zu vermitteln.
Darüber hinaus genügt die Dokumentation, dass derartige Gespräche geführt worden sind, nicht den (strengen) Voraussetzungen des BVerwG, weil sie nicht annähernd konkret belegen, ob und welche Einschränkungen des Klägers diskutiert worden sind und welche möglichen Einsatzfelder in Betracht gezogen worden sind.
Auch unter Berücksichtigung der erfolgten Gespräche vom 18. August 2015 und vom 26. August 2015 über Möglichkeiten eines Einsatzes in den Sachgebieten Beihilfe und Zahlungsverkehr kann nicht von einer ausreichenden Durchführung der Suchverpflichtung ausgegangen werden, nachdem hier lediglich punktuell zwei Einsatzmöglichkeiten geprüft und nur die negativ beschriebenen Leistungsbeeinträchtigungen angeführt wurden.
Eine anonymisierte Herausgabe des Tätigkeits- und Leistungsprofils des Klägers an die städtischen Dienststellen, die möglicherweise die Anforderungen an die Durchführung einer Suche erfüllt hätte, wurde zwar als Möglichkeit in der Niederschrift über den Anhörungstermin vom 1. September 2014 angeführt, zugleich aber bis zum Vorliegen der ärztlichen Ergebnisse zurückgestellt. Nach Aktenlage wurde diese Abfrage nicht nachgeholt, was auch durch die Angaben der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde.
Darüber hinaus ergibt sich – allerdings schon nicht mehr entscheidungserheblich – aus der o.g. Rechtsprechung des BVerwG, dass die Rechtsauffassung der Beklagten, sie sei nicht zu einer Umstrukturierung verpflichtet, rechtsfehlerhaft ist. Wenn auch keine Verpflichtung besteht, neue Planstellen zu schaffen, wäre die Beklagte bei Prüfung einer anderweitigen Verwendung verpflichtet gewesen zu prüfen, ob nicht eine Veränderung bestehender Stellenzuschnitte und somit eine Änderung gewisser Strukturen eine Weiterverwendung des Klägers ermöglicht hätte. Denn es ist grundsätzlich Sache des Dienstherrn, die Besetzung der Dienstposten entsprechend der noch vorhandenen Dienstfähigkeit der Beamten zu regeln (BayVGH, B.v. 28.1.2013 – 3 CE 12.1883 –, Rn. 32, juris, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nach §§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachweis der Suchverpflichtung nicht geklärt ist, ob dieser Pflicht bei einer Kommune auch durch die Thematisierung einer Versetzung in turnusmäßig stattfindenden Personaleinsatzgesprächen genügt werden kann.


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