Arbeitsrecht

Vergütungsansprüche im Altersteilzeitarbeitsverhältnis – Überleitung in tarifliches Vergütungssystem

Aktenzeichen  2 Sa 406/18

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:1118.2SA406.18.00
Normen:
AltTZG 1996
§ 612 Abs 1 BGB
§ 612a BGB
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 27. September 2018, 1 Ca 2539/17, Urteil

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 27.09.2018 – 1 Ca 2539/17 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche im Altersteilzeitarbeitsverhältnis.
Die Klägerin war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ….., seit dem 01.01.2010 als Teamleiterin im Servicecenter Kuren am Standort ….. mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 9 des Entgeltgruppentarifvertrages für die Beschäftigten der ….. in Höhe von zuletzt monatlich 4.309 EUR brutto beschäftigt.
Die ….. fusionierte mit Wirkung zum 01.01.2012 mit der Beklagten.
Die Parteien schlossen auf Grundlage des Altersteilzeitgesetzes und des ab 06. Dezember 2010 geltenden Tarifvertrages zur Altersteilzeit am 06.09.2012 einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell (Bl. 17 ff. d. A.) mit einer Arbeitsphase vom 01.01.2014 bis 30.06.2016 und einer sich unmittelbar anschließenden Freistellungsphase bis zum 31.12.2018. Nach § 6 des in Bezug genommenen Tarifvertrages zur Altersteilzeit nimmt das tarifliche Altersteilzeitentgelt während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses an der tariflichen Entwicklung teil. Die Parteien vereinbarten in § 4 Abs. 3 des Altersteilzeitvertrages, die Klägerin nehme während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses an den im Betrieb allgemein gewährten jährlichen Gehaltsveränderungen entsprechend ihrer Funktion teil.
Die Beklagte versetzte die Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2012 (Bl. 29 d.A.) im Zuge der Zusammenführung der Organisationsstrukturen der Kasse zum 01.11.2013 in …. …… Sie teilte der Klägerin mit, sie werde weiterhin als Teamleiterin eingesetzt, ihre Aufgaben und ihre Vergütung sowie ihr bisheriger Dienstsitz in ….. änderten sich durch diese organisatorische Zuordnung nicht.
Den Tarifverträgen der …… und der Beklagten lagen unterschiedliche Eingruppierungs- und Vergütungssysteme zugrunde. Da die tarifvertraglichen Regelungssysteme nicht vergleichbar waren, bedurfte es eines Überleitungstarifvertrages. Der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der ehemaligen …….. trat mit Wirkung zum 01.06.2015 in Kraft. Er enthält folgende für den Rechtsstreit maßgebende Regelungen:
„§ 2 Überleitung in den Tarifvertrag der ……
(1) Die von § 1 erfassten Beschäftigten und Auszubildenden werden nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen in die zum Zeitpunkt der Überleitung geltende Fassung des Tarifvertrages ……. sowie seiner Anlagen mit Wirkung ab 01.06.2015 übergeleitet. ……
§ 4 Transformation (Schritt 1)
(1) Beschäftigte, die zum 01.06.2015 noch nicht auf einer nach der Anlage 5 ……. bewerteten Stelle eingesetzt sind, werden einer Vergütungsgruppe zugeordnet. Die Zuordnung richtet sich nach der Transformationstabelle der Anlage 2 zu diesem Tarifvertrag, mit der die am 31.12.2011 in der ehemaligen …… ausgeübte Tätigkeit unter Anlegung des Maßstabes nach der Anlage 5 zum …… bewertet wird.
(2) Beschäftigte, die am 01.06.2015 eine Tätigkeit nach der Anlage 5 zum ……..ausüben, werden ab diesem Zeitpunkt nach der Anlage 5 zum die …… entsprechend ihrer Tätigkeit eingruppiert.…
§ 8 Regelung für Beschäftigte, die nach dem 31.05.2015 ins Zielbild übergehen
(1) Für Beschäftigte, die nach dem 31.05.2015 im Zielbild tätig werden, sind abweichend von § 2 Absatz 2 für das Monatsentgelt insoweit die am 31.05.2015 maßgeblichen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung bis zum Übergang in das Zielbild anzuwenden. …
(2) Erhalten die Beschäftigten bis zum 31.12.2016 kein Einsatzschreiben für das Zielbild im Sinne des § 9 Absatz 3, richtet sich die Eingruppierung nach der Transformationstabelle der Anlage 2 dieses Tarifvertrages. Auf dieser Basis erfolgt die Berechnung entsprechend den §§ 5 bis 7 dieses Tarifvertrages. Das …..-Vergleichsentgelt ist demzufolge das letzte abgerechnete monatliche Tabellenentgelt am 31.12.2016.
§ 9 Besonderheiten…
(3) Beschäftigte sind dann im Zielbild, wenn sie ein Einsatzschreiben für eine Dienststelle der … erhalten haben und mit diesem Schreiben den Beschäftigten ein Stellentyp der Anlage 5 zum …..-Tarifvertrag zugewiesen wurde.
Protokollnotiz zu § 9 Abs. 3
Einsatzschreiben nach § 9 Absatz 3 nach Unterzeichnung dieses Tarifvertrages sind als solche bezeichnet. Schreiben der ….. vor Unterzeichnung dieses Tarifvertrages, die den Einsatz in einer Dienststelle der ….. bestätigen und dem Beschäftigten/der Beschäftigten einen Stellentyp nach der Anlage 5 zum ….. Tarifvertrag zuweisen, sind auch Einsatzschreiben nach § 9 Absatz 3, ohne dass sie als solche bezeichnet sind. Beschäftigten, die bereits vor Unterzeichnung dieses Tarifvertrages ein solches Schreiben erhalten haben, wird spätestens mit dem Schreiben der …………….. zur Gehaltsfeststellung nach § 7 dieses Tarifvertrages bestätigt, dass es sich um ein Einsatzschreiben nach § 9 Absatz 3 Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der ehemaligen ….. handelt. Die Bestätigung wirkt auf den Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens zurück.…
§ 11 Altersteilzeit
(1) Für Beschäftigte, die einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen haben und die sich vor oder bereits in der Arbeitsphase der Altersteilzeit befinden, findet eine Überleitung statt. Keine Überleitung findet daher für Beschäftigte statt, die sich zum Zeitpunkt der Überleitung bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinden.…“
Nach der Transformationstabelle Anl. 2 …. ist die Stelle Teamleiter ….. Vergütungsgruppe 8 zugeordnet.
Die Beklagte teilte der Klägerin auf deren E-Mail vom 25.04.2016 mit Schreiben vom 28.04.2016 (Bl. 128 d. A.) mit, sie sei zur Zeit noch im …. als Teamleiterin tätig, die Auflösung des …. erfolge nach dem jetzigen Kenntnisstand erst in der zweiten Jahreshälfte 2016, erst dann würden auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ….auf ….. eingesetzt, eine Entgeltüberleitung finde erst statt, wenn sie auf einer nach Anlage 5 zum …………….. Tarifvertrag bewerteten Stelle eingesetzt sei, wobei keine Überleitung für die Altersteilzeitler, die sich zum Zeitpunkt der Überleitung bereits in der Freistellungsphase befänden, stattfinde. Da sie faktisch keine Tätigkeit entsprechend der Anlage 5 des …. Tarifvertrages aufnehmen werde, sei sie entsprechend der Definition des …. nicht während der Arbeitsphase ihrer Altersteilzeit im Zielbild angekommen. Dies sei jedoch Voraussetzung für eine Entgeltüberleitung. Ihre aktive Phase der Altersteilzeit werde voraussichtlich beendet sein, bevor das …. aufgelöst werde, so dass es in ihrem Fall nicht mehr zu einer Entgeltüberleitung kommen könne. Nach Schließung des …………. werde sie lediglich noch.. einer ….Dienststelle organisatorisch zugeordnet.
Die Klägerin übergab ihren Mitarbeitern am Standort …. am 29.06.2016 die Einsatzschreiben zum 01.07.2016. Sie erhielt kein Einsatzschreiben.
Die Klägerin erhob am 27.12.2017 Klage auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei seit dem 01.10.2015 auf Basis einer Grundvergütung von 4.748 EUR brutto monatlich abzurechnen und festzustellen, sie sei als Teamleiterin ….. in den Tarifvertrag der Beklagten nebst Anlagen auf Basis Vergütungsgruppe 8 übergeleitet worden.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 227 ff d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Zahlung einer höheren Grundvergütung ergäbe sich nicht aus den Regelungen des ….. Der Klägerin sei bis zum 30.12.2016 kein Einsatzschreiben für eine Zielbildstelle im Sinne des § 3 ….. zugegangen. Sie sei nicht zum 01.01.2017 in die neue Vergütungsstruktur überzuleiten, weil sie sich bereits seit dem 01.07.2016 in der Freistellungsphase ihres Altersteilzeitvertrages befunden habe. Ein Anspruch auf eine höhere Grundvergütung ergäbe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung der Mitarbeiter in der Freistellungsphase und in der Arbeitsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses sei sachlich gerechtfertigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 232 ff d.A.) verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 06.12.2018 zugestellte Urteil am 21.12.2018 Berufung eingelegt und die Berufung am 22.01.2019 begründet.
Die Klägerin ist der Auffassung, ein Anspruch auf Überleitung in das neue Tarifmodell ergäbe sich aus dem Altersteilzeitvertrag und dem TV ATZ, denn diese sähen eine Teilnahme des Arbeitnehmers in der Freistellungsphase an der tariflichen Lohnerhöhung vor. Darüber hinaus
habe sie die „neue“ Vergütung in ihrer aktiven Phase auch erwirtschaftet. Sie sei seit dem Betriebsübergang 2012 als Teamleiterin …. beschäftigt und fachliche sowie disziplinarische Vorgesetzte und damit als Gruppenleiterin bei der Beklagten tätig. Daher gäbe es keine neu zugewiesene Stelle. Die Stelle Teamleiter …. entspräche dem Stellentyp Gruppenleiter nach Anlage 5. Der Anspruch auf höhere Grundvergütung ergäbe sich im Übrigen auch aus der Altersdiskriminierung nach §§ 1, 3 Abs. 1 AGG i.V.m. dem Arbeitsvertrag und Altersteilzeitvertrag. Zudem sei sie bereits mit Schreiben vom 29.10.2013 auf einer Zielbildstelle eingesetzt worden.
Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, die Beklagte habe sie wegen des bereits abgeschlossenen Altersteilzeitvertrages bewusst im Juni 2016 nicht mehr übergeleitet. Insoweit liege ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612 a BGB vor.
Die Klägerin beantragt nach Umstellung des zweiten Feststellungsantrages,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 27.09.2018 – 1 Ca 2539/17 –
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis seit dem 01.10.2015 auf Basis einer Grundvergütung von 4.748 EUR brutto monatlich abzurechnen ist und
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 17.277 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überleitung in das tarifliche Vergütungssystem der Beklagten und damit auf Grundvergütung nach Vergütungsgruppe 8 i.H.v. 4.748 EUR brutto monatlich.
I. Der Anspruch auf Zahlung einer höheren Grundvergütung folgt nicht aus dem …..
1. Die Mitarbeiter der Klägerin wurden aufgrund der Auflösung der …. zum 01.07.2016 mit einem Einsatzschreiben auf die Zielbildstellen versetzt. Da sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits in der Freistellungsphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befand, war eine Überleitung nach § 11 ….. nicht mehr möglich.
2. Die Klägerin erhielt auch vor diesem Zeitpunkt kein Einsatzschreiben, insbesondere stellt das Schreiben der Beklagten vom 29.10.2013 kein Solches dar. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden und ausführlichen Gründen der angefochtenen Entscheidung und sieht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen von weiteren Ausführungen ab, die auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin nicht veranlasst sind.
II. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen. Auch insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Die Klägerin hat hierzu in der Berufung keinen neuen rechtserheblichen Vortrag gehalten.
III. Die Überleitung in die neue Vergütungsstruktur ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem Altersteilzeitvertrag und dem in Bezug genommen TV ATZ. Denn die Überleitung in das tarifliche Vergütungssystem der Beklagten entspricht weder einer „im Betrieb allgemein gewährten jährlichen Gehaltsveränderung“ nach § 4 Abs. 3 des Altersteilzeitvertrages noch „der tariflichen Entwicklung“ an der das tarifliche Altersteilzeitentgelt während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach § 6 Abs. 4 TV ATZ teilnimmt.
IV. Die Klägerin hat die höhere Vergütung nach Vergütungsgruppe 8 auch nicht in der Arbeitsphase erwirtschaftet. Sie war seit dem Betriebsübergang als Teamleiterin …. tätig. Ob sie fachliche und disziplinarische Vorgesetzte ihrer Mitarbeiter war ist dabei unerheblich, denn ihre Tätigkeit entsprach Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrages der ….. Diese Tätigkeit ist nicht identisch mit der in Anlage 5 zum …. TV aufgeführten Tätigkeit des Gruppenleiters nach Vergütungsgruppe 8. Die Klägerin wurde auch nicht auf der Stelle des Gruppenleiters eingesetzt. Es fehlt an einem entsprechenden Einsatzschreiben zur Überleitung in das Zielbild.
V. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf das Verbot der Altersdiskriminierung stützen. Sie meint, eine Benachteiligung und Diskriminierung als Altersteilzeitarbeitnehmerin ergäbe sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.04.2016. Das ist abwegig.
VI. Die Klägerin hat auch die Voraussetzungen für eine rechtswidrige Maßregelung nach § 612 a BGB nicht ansatzweise dargelegt. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe den Überleitungszeitpunkt 01.07.2016 in den Einsatzschreiben der Mitarbeiter der Klägerin vom 22.06.2016 bewusst gewählt, um eine Überleitung der Klägerin zu vermeiden.
Andere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.
Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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