Arbeitsrecht

Vermietung von Gussasphaltkochern mit Bedienungspersonal – Beitragspflichten zu dem Sozialkassensystem der Bauwirtschaft – betrieblicher Geltungsbereich

Aktenzeichen  10 AZR 217/19

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:160621.U.10AZR217.19.0
Normen:
§ 193 BGB
§ 195 BGB
§ 199 Abs 1 Nr 1 BGB
§ 202 BGB
§ 535 BGB
§ 667 BGB
§ 17 Nr 7 BauWiAusbV 1999 vom 20.02.2009
Anl 3 BauWiAusbV 1999 vom 20.02.2009
§ 18 BauWiAusbV 1999 vom 20.02.2009
§ 1 Abs 1 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 32 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 39 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 3 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 18 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 22 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 25 VTV-Bau vom 14.12.2004
§ 1 Abs 1 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 32 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 39 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 3 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 18 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 22 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 25 VTV-Bau vom 17.12.2003
§ 3 VTV-Bau vom 18.12.2009
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

Die Vermietung von Gussasphaltkochern mit Bedienungspersonal kann auch dann den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterfallen, wenn der Gussasphalt aus dem Kocher nicht unmittelbar an der Stelle des Einbaus abgeladen, sondern auf der Baustelle weiterbefördert wird. Der Gussasphaltkocher wird zur Erbringung baulicher Leistungen im Tarifsinn eingesetzt, wenn der Transport auf der Baustelle eine bauliche Haupttätigkeit nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes oder eine damit im Zusammenhang stehende Arbeit ist.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wiesbaden, 2. August 2018, Az: 5/11 Ca 8/09, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 7. Mai 2019, Az: 12 Sa 1391/18 SK, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Mai 2019 – 12 Sa 1391/18 SK – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
2
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie war bis zum 31. Dezember 2009 tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage verschiedener Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auf Beiträge für mindestens zwei beschäftigte gewerbliche Arbeitnehmer in Anspruch. Sie verlangt Beiträge iHv. insgesamt 11.480,00 Euro für die Zeit von Dezember 2004 bis November 2005. Für Dezember 2004 stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf den VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 17. Dezember 2003 (VTV 2003) und für den Zeitraum von Januar bis November 2005 auf den VTV vom 20. Dezember 1999 idF vom 14. Dezember 2004 (VTV 2004). Beide Verfahrenstarifverträge wurden für allgemeinverbindlich erklärt. Für den VTV 2003 erfolgte das mit Erklärung vom 23. März 2004 (AVE VTV 2004, BAnz. Nr. 77 vom 23. April 2004 S. 8893). Der VTV 2004 wurde am 24. Februar 2006 für allgemeinverbindlich erklärt (AVE VTV 2006, BAnz. Nr. 71 vom 11. April 2006 S. 2729). Für die erhobenen Beitragsansprüche zieht die Klägerin die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne heran.
3
Die nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält im nordrhein-westfälischen L einen Betrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend Gussasphalt im Auftrag von Kunden transportiert wird. Dazu werden sog. Gussasphaltkocher eingesetzt, mit denen der heiße und flüssige Asphalt vom Herstellungsbetrieb zu den Baustellen von Kunden gebracht wird. Der Gussasphalt wird nicht von der Beklagten bei den Herstellern erworben, sondern direkt von den Kunden. Das Fahrpersonal der Beklagten, das den Transport durchführt, hat dafür Sorge zu tragen, dass der Gussasphalt durch einen unter dem Gefäß befindlichen Brenner in der richtigen Temperatur und durch ein Rührwerk flüssig gehalten wird.
4
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei eröffnet. Die Gussasphaltkocher mit Bedienungspersonal würden mietweise überlassen, um bauliche Leistungen zu erbringen. Der Transport des flüssigen Asphalts sei eine notwendige Teiltätigkeit ua. des Straßenbaus. Nach dem Zweck der tariflichen Vorschriften könne nicht zwischen dem Transport vom Mischwerk zur Baustelle und dem Weitertransport auf der Baustelle differenziert werden. Daher sei die Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ auch dann erfüllt, wenn der flüssige Asphalt nicht unmittelbar vom Kocher auf die konkrete Baustelle ausgebracht werde.
5
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.480,00 Euro zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, sie sei in den streitgegenständlichen Kalenderjahren nicht in den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge gefallen. Der Transport von Gussasphalt sei keine baugewerbliche Tätigkeit. Der Gussasphaltkocher sei zwar eine Baumaschine im Sinn der Tarifvorschrift. Die tarifliche Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ sei jedoch lediglich in den Fällen erfüllt, in denen der Gussasphalt aus dem Kocher – gegebenenfalls über Bohlen – unmittelbar auf die Straße gebracht und dort gewalzt werde. In allen anderen Fällen, in denen ein Zwischentransport erfolge, zB mithilfe von Schubkarren, Eimern oder sog. Dumpern, sei aufgrund der räumlichen und zeitlichen Zäsur zwischen dem Anliefern und dem späteren Einbau nicht davon auszugehen, dass bauliche Leistungen erbracht würden.
7
Das Arbeitsgericht hat der Beitragsklage stattgegeben und die mit ihr verbundene Auskunftsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die stattgebende Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der betriebliche Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge sei eröffnet, weil im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Gussasphaltkocher mit Bedienungspersonal vermietet würden, um bauliche Leistungen zu erbringen. Die Voraussetzung „zur Erbringung baulicher Leistungen“ sei bei Gussasphaltkochern erfüllt, wenn der Asphalt in verarbeitungsfähigem flüssigem Aggregatzustand gehalten werde. Ein Zwischentransport sei unschädlich. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihr Ziel, dass die Beitragsklage abgewiesen wird.


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