Arbeitsrecht

Versetzung – Stationierung einer Flugbegleiterin

Aktenzeichen  10 AZR 805/15

Datum:
30.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2016:301116.U.10AZR805.15.0
Normen:
§ 1 TVG
§ 112 Abs 1 S 2 BetrVG
§ 1 Abs 3 KSchG
§ 106 S 1 GewO
§ 315 Abs 3 BGB
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Frankfurt, 16. September 2014, Az: 5 Ca 1360/14, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 16. November 2015, Az: 17 Sa 1650/14, Urteilnachgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 12. Juni 2017, Az: 17 Sa 185/17, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. November 2015 – 17 Sa 1650/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung.
2
Die Klägerin ist seit dem 28. Oktober 1990 als Flugbegleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 28. Oktober 1990 lautet auszugsweise:
        
„1.    
Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
        
(1)     
… [Die Klägerin] wird ab dem 28.10.1990 als Flugbegleiter in Berlin beschäftigt.
        
(2)     
… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] entsprechend ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse der L liegenden Aufgabe betrauen, sie an einem anderen Ort sowie vorübergehend auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen. …
        
2.    
Rechte und Pflichten
        
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der L in ihrer jeweils geltenden Fassung, aus den Bestimmungen des tariflichen Sozialplanes zur Integration der Mitarbeiter der P vom 13.10.1990 und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“
3
Die Klägerin ist vom Stationierungsort Berlin aus eingesetzt worden.
4
Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP) ua. über die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Berlin und Hamburg. In dessen Abschnitt Sozialplan heißt es ua.:
        
„§ 8   
Abmilderung der Folgen
        
Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):
        
        
a)    
Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung
        
        
b)    
Direkter Einsatz aus FRA oder MUC
        
        
c)    
Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012
        
        
d)    
Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur G gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012
        
        
e)    
Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)
        
        
f)    
Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe
        
Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.
        
Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.
        
…       
        
e)    
Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)
        
Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der G.
        
Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …“
5
Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. Juni 2013 unter Vorbehaltszusatz für die Variante des befristeten virtuellen Verbleibens in Berlin und den Stationierungsort Frankfurt am Main.
6
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2014 von Berlin nach Frankfurt am Main. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich außerordentlich mit Auslauffrist zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
7
Die Zubringerflüge von Berlin nach Frankfurt am Main und München werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.
8
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Änderungskündigung seien unwirksam.
9
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt
        
1.    
festzustellen, dass die mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist;
        
2.    
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung vom 26. März 2014, zugegangen am 28. März 2014, zum 30. September 2014 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Im Zusammenhang mit der Reform der Direktverkehre habe sich das bisherige Flugvolumen am Standort Berlin um 49,1 % verringert. Die Station Berlin sei geschlossen worden; eine dezentrale Stationierung von Flugbegleitern/Pursern gebe es dort nicht mehr. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in Frankfurt am Main oder München. Insgesamt führten die Maßnahmen in Berlin zu Einsparungen von etwa 2,8 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes Gewicht zu. Die Personalvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden.
11
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage – soweit für die Revision von Interesse – stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage.


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