Arbeitsrecht

Wahlanfechtung, Aufsichtsrat, Briefwahl, Auszählung per Videoübertragung

Aktenzeichen  11 TaBV 20/21

Datum:
13.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AG – 2022, 174
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
MitbestG § 66 WO

 

Leitsatz

Wahl anfechtbar wegen fehlender Teilnahme aller Wahlvorstandsmitglieder an der Stimmauszählung (im Anschluss an BAG v. 24.02.2021 – 7 ABR 38/19).

Verfahrensgang

28 BV 216/20 2021-03-03 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 5) – 8) und des Beteiligten zu 11) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes A-Stadt (Az: 28 BV 216/20) vom 03.03.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Unwirksamkeit der Aufsichtsratswahl vom 25.06.2020.
Die Beteiligte zu 12) ist eine Aktiengesellschaft, die einen nach dem MitbestG mitbestimmten Aufsichtsrat mit 8 Arbeitnehmervertretern hat, welche nach Maßgabe des MitbestG i.V.m. der 3. WO MitbestG zu wählen sind. Im Konzernverbund der Beteiligten zu 12) waren deutschlandweit ca. 25.000 Mitarbeiter beschäftigt, von denen 12.988 das aktive Wahlrecht für die Aufsichtsratswahl hatten.
Bei der Beteiligten zu 12) wurde am 25.06.2020 eine Aufsichtsratswahl in Form der Delegiertenwahl durchgeführt. Die Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis 4) sind wahlberechtigte Mitarbeiter von Konzernunternehmen, die an der Aufsichtsratswahl teilgenommen haben. Der Beteiligte zu 13) ist der gewählte Aufsichtsrat. Der Beteiligte zu 1) sowie die Beteiligten zu 5) bis 11) sind die gewählten Aufsichtsräte. Die Beteiligten zu 16) bis 22) sind die in der Bekanntmachung benannten Ersatzmitglieder. Die Beteiligte zu 14) ist eine im Konzern vertretene Gewerkschaft, die eine Liste für die Wahl der Gewerkschaftsvertreter eingereicht hatte. Die Beteiligte zu 15) ist eine Gewerkschaft, die im Kennwort einer weiteren eingereichten Liste für die Wahl der Gewerkschaftsvertreter erwähnt ist.
Zum Zeitpunkt der Wahl galt infolge der Corona Pandemie im Bayern die Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (6. BayIfSMV) vom 19. Juni 2020. Diese lautete Auszugsweise wie folgt:
㤠5
(…)
(2) Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage, Schulabschlussfeiern und Vereins- und Parteisitzungen) sind mit bis zu 50 Teilnehmern in geschlossenen Räumen oder bis zu 100 Teilnehmern unter freiem Himmel gestattet (…)“
Mit E-Mail vom 20.05.2020 (vgl. Anlage B 12 12, Bl. 573 d.A.) informierte der Hauptwahlvorstand die 148 Delegierten darüber, dass der Hauptwahlvorstand in seiner Sitzung am 19.05.2020 beschlossen habe, „die Delegiertenwahl als reine Briefwahl am 25.06.2020 (Eingang Briefwahlunterlagen 16:00 Uhr) durchzuführen“. Er kündigte des Weiteren an, dass für „die Stimmauszählung eine digitale Übertragung vorgesehen“ sei.
Mit weiterem Schreiben vom 02.06.2020 (vgl. Anlage B12 11, Bl. 556 ff. d.A.) wurden den Delegierten die Briefwahlunterlagen übermittelt. In dem Schreiben wurde nochmals auf den Wahltermin am 25.06.2020 bis 16 Uhr hingewiesen, sowie darauf, dass die Stimmauszählung „umgehend im Anschluss an den vorgenannten Termin im Raum Chiemsee stattfinde und dass eine „Übertragung per Livestream oder MS Teams“ angedacht sei. Mit Einladung vom 22.06.2020 wurden die Delegierten zur „Stimmauszählung zur Aufsichtsratswahl TÜV SÜD AG 2020 per MS TEAMS“ eingeladen und ihnen die Einwahlinformationen „zur Teilnahme an der Stimmauszählung zur Aufsichtsratswahl TÜV SÜD AG 2020 per MS TEAMS“ übermittelt. Als „Ort“ wurde „Microsoft Teams-Besprechung“ angegeben (vgl. Anlage LLR 41, Bl. 239 d.A).
Von den 148 Delegierten wurden nur 143 Wahlumschläge eingereicht. Eine Rücksendung wurde für ungültig erklärt, da ihr die persönliche Erklärung nicht beigefügt war. Von 5 Delegierten – einschließlich des Beteiligten zu 2) – sind keine Wahlunterlagen eingegangen.
Die Stimmauszählung erfolgte ab 16 Uhr am 25.06.2020. Im Raum der Auszählung waren anwesend:
Mitglieder des Hauptwahlvorstandes:
Herr A. (Hauptwahlvorstand, Delegierter), Herr E. (Hauptwahlvorstand), Herr T. (Hauptwahlvorstand, Delegierter, Kandidat), Herr R. (Hauptwahlvorstand, Delegierter, Kandidat), Herr AD. (Ersatzmitglied Hauptwahlvorstand, Delegierter, Kandidat)
Weitere Anwesende:
Herr I. (Delegierter und Kandidat für die Liste der leitenden Angestellten) sowie Frau S. (Assistentin des Hauptwahlvorstandes), Herr D. (Technik) und Herr K. (Kandidat für die Liste der Beteiligten zu 14).
Frau S., Herr K. und Herr I. waren während der Stimmauszählung nicht durchgehend anwesend.
Die übrigen Delegierten hatten die Möglichkeit der Teilnahme über MS-Teams. Die Übertragung erfolgte mittels einer festgelegten Kameraperspektive, die auf den Tisch der Auszählung gerichtet war (vgl. Anlage B 12 13 Bl. 574 d.A.). Nach der Begrüßung der Online zugeschalteten Delegierten erfolgte die weitere Auszählung zunächst ohne Tonübertragung. Ab 18:10 Uhr wurde die weitere Auszählung vom Hauptwahlvorstandvorsitzenden moderiert.
Die Auszählung wurde im Wesentlichen wie folgt durchgeführt: Für die Auszählung wurden die Stimmzettelkuverts der Wahlurne entnommen und das Vorliegen der Erklärung über die persönliche Stimmabgabe überprüft. Die gültigen Stimmkuverts wurden in eine offene Box gelegt. Anschließend wurden diese geöffnet und die farbigen Stimmzettel jeweils in durchsichtige, auf dem Tisch sichtbare, offene Boxen nach Farben sortiert eingeordnet. Erst nach Öffnung aller Stimmzettelkuverts begann die eigentliche Auszählung der einzelnen Wahlvorgänge, wobei mit der Auszählung der Stimmen der Gewerkschaften begonnen wurde. Während der Übertragung wurde unstreitig der Stream mehr als einmal für einige Minuten komplett unterbrochen und zwischendurch wurde kurzzeitig die Sicht verdeckt, weil eine Dame ins Bild der Kamera lief (vgl. hierzu Anlagen LLR 42 und LLR 43, Bl. 241 ff. d.A.). Im Chat-Protokoll von MS-Teams findet sich hierzu der Hinweis um 17:59 Uhr „Sie sortieren die blauen Stimmzettel in die Körbe und zwischendurch läuft immer mal wieder eine Dame ins Bild und trinkt etwas“ (vgl. Anlage LLR 43 Bl. 242). Zum Zeitpunkt dieser Kommentierung wurden die Stimmen der Gewerkschaften ausgezählt.
Hinsichtlich des Ergebnisses der Wahl wird auf die Anlage LLR 40, Bl. 237 f. d.A. verwiesen.
Am 02.07.2020 wurde das Ergebnis der Wahl im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Mit am gleichen Tag bei Arbeitsgericht eingegangenem Antrag vom 15.07.2020 haben die Beteiligten zu 1) bis 4) die Aufsichtsratswahl angefochten.
Ein von der Beteiligten zu 12) am 15.09.2020 eingeleitetes Verfahren zur gerichtlichen Ersatzbestellung der, von einer Nichtigkeit bzw. Anfechtung der Wahl ggf. betroffenen, gewählten Arbeitnehmervertreter, wurde vom Amtsgericht München – Registergericht mit Beschluss vom 01.10.2020 (Az HRB 109326 (Fall 62)) abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OLG München abgewiesen (vgl. OLG A-Stadt, Beschluss vom 22. Dezember 2020 – 31 Wx 436/20 -, juris).
Die Antragsteller waren erstinstanzlich der Ansicht, die Wahl sei nichtig, da offenkundig gegen grundlegende Wahlgrundsätze verstoßen worden sei. Dass auch die Beteiligte zu 12) von einer Nichtigkeit ausgehe, zeige sich darin, dass sie beim Amtsgericht nach § 104 AktG die Ersatzbestellung der Aufsichtsratsmitglieder beantragt habe.
Die Nichtigkeit ergebe sich insbesondere im Hinblick auf die Anordnung der Briefwahl sowie darauf, dass durch die nur Online übertragene Stimmauszählung keine öffentliche Stimmauszählung stattgefunden habe. Allein hierdurch, aber spätestens im Zusammenhang mit der Häufung weiterer Verstöße, sei hier die Grenze zur Nichtigkeit eindeutig überschritten. Eine Briefwahl sei in der 3. WO MitbestG für die Delegiertenwahl eindeutig nicht vorgesehen. Auch die Pandemiesituation führe nicht dazu, dass dem Hauptwahlvorstand das Recht zugestanden hätte, eine solche anzuordnen. Dies gelte umso mehr, als die Ansteckungszahlen bereits seit Mai 2020 zurückgingen. Auch die Konzernbetriebsratssitzung am 07. und 08.07.2020 habe beispielsweise als Präsenzsitzung stattgefunden. Angesichts der mit der Briefwahl verbundenen Gefahr der Wahlmanipulation könne eine solche nur durch den Gesetzgeber zugelassen werden. Vorliegend habe der Gesetzgeber dies jedoch gerade nicht getan. Für eine Analogie fehle es mithin an einer Regelungslücke. Der Fehler wirke sich auch auf das Wahlergebnis aus. Dies zeige sich besonders daran, dass der Beteiligte zu 2) als Delegierter gar keine Briefwahlunterlagen erhalten habe und weitere 4 Delegierte keine Wahlunterlagen zurückgesendet hätten. Auch die mangels persönlicher Erklärung für ungültig erklärte Stimmabgabe sei ausschließlich der Briefwahl geschuldet. Schließlich könne bei einer Briefwahl eine Wahlmanipulation nicht ausgeschlossen werden. Der mit der unzulässigen Briefwahl verbundene Verstoß gegen die öffentliche Wahl werde noch durch die Verstöße im Hinblick auf die öffentliche Stimmauszählung verstärkt. So seien die Delegierten erst mit Schreiben vom 22.06.2020 und damit unter Verstoß gegen § 77 Abs. 1 Nr. 11 3. WO MitbestG zur Stimmauszählung eingeladen worden. Auch sei die Stimmauszählung über MS Teams nicht geeignet, die für eine öffentliche Stimmauszählung notwendige Öffentlichkeit herzustellen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die fehlende Tonübertragung, den Bildausfall und die Tatsache, dass eine Dame mehrfach das Bild verdeckt habe, als sie durchs Bild gelaufen sei. Dies sei mit einem vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit vergleichbar. Gerade da die Wahlunterlagen während der Auszählung nicht in eigenen Wahlurnen, sondern in unverschlossenen Behältern lagen, sei eine Manipulation hier nicht ausschließbar. Beachtlich sei aber auch, dass Vorgänge außerhalb der Kameraeinstellung nicht registriert werden konnten, da ein „Rundblick“ gerade nicht möglich gewesen sei. Auch seien die Teilnehmer über MS-Teams so weit entfernt gewesen, dass sie nicht im Detail erkennen konnten, was die geöffneten Kuverts enthielten. Mit der Wahl der Delegierten werde auf diese auch gerade das Recht der Anwesenheit bei der Stimmauszählung übertragen. Dem werde die Teilnahme nur per MSTeams Übertragung nicht gerecht. Auch die persönliche Teilnahme einzelner Delegierter sei nicht ausreichend, zumal es sich hierbei um parteiische Delegierte gehandelt habe, die dem Hauptwahlvorstand angehörten, bzw. im Fall von Herrn I., selbst Kandidaten gewesen seien. Die Rahmenbedingungen bei der Stimmauszählung stellten einen solch gravierenden Verstoß dar, dass von einer ordnungsgemäßen Wahl nicht mehr gesprochen werden könne. Hier müsse die Nichtigkeit angenommen werden, denn andernfalls bliebe die Nichtigkeit auf Fälle der nachgewiesenen Manipulation beschränkt, dies würde die Anforderungen überspannen.
Jedenfalls sei die Wahl anfechtbar, denn die Mängel rechtfertigten zumindest die Wahlanfechtung. Darüber hinaus sei während der Wahl mehrfach gegen Vorgaben des MitbestG und der 3. WO MitbestG verstoßen worden. Die Beteiligten zu 1) bis 4) machten u.a. folgende Mängel geltend:
– Der Hauptwahlvorstand sei teilweise nicht erreichbar gewesen.
– Bei der Abstimmung über die Art der Wahl sei die Möglichkeit zur Antragstellung unzulässig verkürzt worden und die Beschäftigten teilweise unzureichend über die Abstimmung informiert worden. Auch habe die Abstimmung selbst unter mehrfachen Verstößen gegen §§ 17 ff. 3. WO MitbestG stattgefunden.
– Die Wahl der Delegierten sei unter mehrfachem Verstoß gegen die 3. WO MitbestG durchgeführt worden.
– Die Gewerkschaftsliste mit dem Kennwort „btü/DPolG“ sei unzulässiger Weise zugelassen worden. Das Kennwort sei irreführend und daher unzulässig, da die „btü“ (Vereinigung der Beschäftigten der technischen Überwachung) keine Gewerkschaft sei. Auch sei die Beteiligte zu 15) keine im Konzern vertretene Gewerkschaft.
– Herr I. sei unzulässiger Weise auf der Liste der leitenden Angestellten zugelassen worden, obwohl er kein leitender Angestellter sei.
– Die Liste „Zusammen mehr Wert“ habe nicht zugelassen werden dürfen, da sie erst nach Ablauf der Frist des § 27 Abs. 2 3. WO MitbestG eingereicht worden sei. Demgegenüber sei die Liste „MUT“ unzulässiger Weise nicht berücksichtigt worden.
– An der Stimmauszählung hätten zumindest 2 Wahlvorstandsmitglieder möglicherweise unentschuldigt nicht teilgenommen, so dass der Sachverhalt mit dem jüngst entschiedenen Fall des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG v. 24.02.2021 – 7 ABR 38/19) vergleichbar sei (vgl. Schriftsatz vom 25.02.2021 Bl. 593 ff. d.A.).
Die Beteiligten zu 1) bis 4) beantragten erstinstanzlich:
1) Es wird festgestellt, dass die am 25.06.2020 stattgefundene Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der TÜV SÜD AG nichtig ist.
2) Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.: Die am 25.06.2020 stattgefundene Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der TÜV SÜD AG wird für unwirksam erklärt.
3) Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den vorstehenden Anträgen zu 1. und 2.:
a) Die am 25.06.2020 erfolgte Wahl der Vertreter der Gewerkschaften inkl. des mit diesen gewählten Ersatzmitglieds in den Aufsichtsrat der TÜV SÜD AG wird für unwirksam erklärt;
b) Die am 25.06.2020 erfolgte Wahl des Herrn I., sowie des mit diesem gewählten Ersatzmitglieds Frau Dr. X., als Vertreter der leitenden Angestellten in den Aufsichtsrat der TÜV SÜD AG wird für unwirksam erklärt;
c) Die am 25.06.2020 erfolgte Wahl der Vertreter der Aufsichtsratsmitglieder der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG bezeichneten Arbeitnehmer inkl. der mit diesen gewählten Ersatzmitgliedern in den Aufsichtsrat der TÜV SÜD AG wird für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten zu 5) bis 9), 11) und 12) beantragten erstinstanzlich:
Abweisung der Anträge.
Die Beteiligten zu 10) und 13) bis 22) haben im Verfahren erstinstanzlich keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten zu 5) bis 9), 11) und 12) waren erstinstanzlich der Ansicht, dass keine Verletzung wesentlicher Wahlvorschriften gegeben sei. Erst recht liege keine Nichtigkeit der Wahl vor. Letztere könne aufgrund der weitreichenden Folgen nur in absoluten Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher liege hier für keinen der von den Antragstellern behaupteten Mängel vor. Wenn die einzelnen Mängel nicht zur Nichtigkeit der Wahl führen, könne sich auch aus der Gesamtbetrachtung keine Nichtigkeit ergeben.
Die Mutmaßung der Antragsteller, der Antrag der Beteiligten zu 12) nach § 104 AktG spreche dafür, dass auch die Beteiligte zu 12) von einer Nichtigkeit der Wahl ausgehe, sei abwegig. Ziel der beantragten vorsorglichen Ersatzbestellung sei es allein gewesen, für den unwahrscheinlichen Fall der Feststellung einer Nichtigkeit Rechtssicherheit herzustellen. Eine Nichtigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus der Durchführung der Delegiertenwahl als Briefwahl. Zwar finde sich bei der Delegiertenwahl keine ausdrückliche Regelung zur Briefwahl, dennoch sei die Briefwahl ein im MitbestG bzw. der 3. WO MitbestG grundsätzlich vorgesehenes und damit zulässiges Instrument. Die Briefwahl sei danach gerade für Mitarbeiter zugelassen, die wegen ihrer Tätigkeit im Home-Office oder im Außendienst nicht ständig vor Ort im Betrieb seien. Dies sei in der Pandemie gerade weitreichend der Fall gewesen. Die Briefwahl sei ein zulässiges und anerkanntes Wahlverfahren, welches nicht gegen den Grundsatz der geheimen Wahl verstoße. Auch das BVerfG habe mehrfach die Zulässigkeit der Briefwahl bestätigt. Im Vergleich zum Drittelbeteiligungsgesetz, in dem die Wahlgrundsätze in § 5 DrittelbG ausdrücklich aufgezählt seien, sei im MitbestG und der 3. WO MitbestG nur der Grundsatz der geheimen Wahl erwähnt. Dies zeige, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich Abweichungen von den allgemeinen Wahlgrundsätzen anerkannt habe.
Der Hauptwahlvorstand habe im Hinblick auf die besondere Situation der Corona Pandemie zulässiger Weise, nach sorgfältiger Prüfung und Einholung juristischer Expertise die Briefwahl anordnen dürfen. Eine Präsenzveranstaltung wäre nach der damals gültigen 6. BayIfSMV unzulässig gewesen. Dieser Fall sei nicht mit dem Fall einer bloßen Verhinderung eines Delegierten vergleichbar, bei dem die Briefwahl ausscheide, weil an dessen Stelle der Ersatzdelegierte trete.
Auch ein Vergleich mit den Kommunalwahlen in Bayern und den Bürgermeisterwahlen in Hessen zeige, dass Wahlen ausschließlich per Briefwahl durchgeführt werden könnten. Schließlich hätte selbst ein unterstellter Fehler keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis bzw. allenfalls im Hinblick auf die Liste „Zusammen mehr Wert“ gehabt und diese habe das Wahlergebnis bekanntlich akzeptiert.
Die Delegierten seien auch rechtzeitig und unter Einhaltung der in der 3. WO MitbestG vorgesehenen Vorgaben zur öffentlichen Stimmauszählung eingeladen worden. Am 22.06.2020 sei die Einwahlinformation übermittelt worden. Die Delegierten seien jedoch bereits am 20.05.2020 vom Hauptwahlvorstand informiert worden, dass die Stimmauszählung digital übertragen werde. Im Übrigen erfülle die Übertragung der Auszählung die Erfordernisse einer öffentlichen Stimmauszählung. Zweck der öffentlichen Auszählung sei die Feststellung des Abstimmungsergebnisses und die Kontrolle der Ordnungsgemäßheit. Diesem Zweck sei durch die körperliche Anwesenheit einiger Delegierter sowie die Zuschaltung der weiteren Delegierten mittels MS Teams erfüllt. In § 79 3. WO MitbestG stehe nichts vom Erfordernis einer körperlichen Anwesenheit. Die Kameraeinstellung sei auch so gewählt worden, dass die Delegierten die Stimmauszählung einschließlich der verschlossenen Wahlurne haben erkennen können. Dies zeige u.a. das als Anlage B12 13 vorgelegte Bild (vgl. Anlage B 12 13, Bl 574 d.A.). Die verschlossenen Stimmzettel seien für die Kamera sichtbar aus der verschlossenen Wahlurne entnommen, für die Kamera sichtbar geöffnet und ebenfalls sichtbar in verschiedene durchsichtige Plastikboxen gelegt worden. Bei der Stimmauszählung selbst habe dann auch wieder eine Übertragung mit Ton stattgefunden. Die Unterbrechungen oder das „durchs Bild Laufen“ könnten keinen Ausschlag geben, denn auch bei einer Delegiertenversammlung als Präsenzveranstaltung käme es zu solchen Unterbrechungen, etwa durch Personen, die den Blick versperrten oder durch Toilettengänge. Dies würde die Stimmauszählung auch nicht unwirksam machen. Im Übrigen seien die kurzzeitigen Aussetzer stets kurzfristig behoben worden.
Eine Nichtigkeit lasse sich mithin insgesamt nicht feststellen. Der Hauptwahlvorstand habe angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen die Wahl und die Auszählung vertretbar in einer Weise durchgeführt, welche der Pandemiesituation angepasst war. Das Fehlen eines Nichtigkeitsgrundes führe auch nicht automatisch zur Anfechtbarkeit der Wahl. Selbst wenn man einen Verstoß gegen Wahlrechtsgrundsätze annehmen wolle, so habe sich dieser nicht auf das Wahlergebnis auswirken können und eine Anfechtung scheide vor diesem Hintergrund aus.
Auch die behaupteten weiteren Mängel seien entweder unzutreffend oder berechtigten ebenfalls nicht zu einer Anfechtung der Wahl.
Die Beteiligte zu 14) teilte insbesondere die Bedenken der Antragsteller im Hinblick auf die Unzulässigkeit der durchgeführten Briefwahl. Eine solche sei für die Delegiertenwahl überhaupt nicht vorgesehen. Es stehe nicht im Ermessen des Hauptwahlvorstandes eine solche anzuordnen. Wie bereits durchgeführte und derzeit laufende Gesetzesänderungen zeigten, sei es Aufgabe des Gesetzgebers darüber zu entscheiden, für welche Wahlen eine generelle Briefwahl zugelassen werde. Dies gelte auch in Zeiten der Pandemie.
Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der Güteanhörung vom 14.10.2020 und der Kammerverhandlung vom 03.03.2021 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht München hat mit dem angefochtenen Beschluss die Wahl der Beteiligten zu 1, 5 – 11 und 16 – 22 in den Aufsichtsrat der Beteiligten zu 12 für unwirksam erklärt. Es hat dies damit begründet, dass zwar die Wahl nicht nichtig sei, dass aber die Wahl anfechtbar sei, da gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen worden sei und hierdurch auch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte. Die Wahl in Form der reinen Briefwahl habe gegen § 74 Abs. Abs. 1 der 3. WO MitbestG verstoßen, da dort vorgesehen sei, dass die Delegierten den Aufsichtsrat in der Delegiertenversammlung wählen müssten. Die Möglichkeit einer Briefwahl sei im Gesetz für die Delegiertenwahlen nicht vorgesehen. § 49 der 3. WO MitbestG regle die Fälle, in denen die Briefwahl zulässig sei abschließend. Die Briefwahl stehe nicht im Belieben des Hauptwahlvorstands, sondern sei an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 der 3. WO MitbestG gebunden. Eine generelle Briefwahl sei daher unzulässig. Wegen der mit der Briefwahl verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Einhaltung des Wahlgeheimnisses etwa sei die Briefwahl nur eingeschränkt zugelassen (unter Hinweis auf BAG Beschluss vom 27.01.1993 – 7 ABR 37/92). Dies zeige auch die Regelegung des § 14 Abs. 2 MitbestG, der bei einer Verhinderung des Delegierten nicht die Möglichkeit der Briefwahl, sondern die Vertretung durch den Ersatzdelegierten vorsehe. Der Hauptwahlvorstand sei auch nicht im Hinblick auf die Besonderheiten der Pandemiesituation berechtigt gewesen, ausnahmsweise eine Briefwahl ohne Rechtsgrundlage anzuordnen. Zwar habe der Wahlvorstand eine gewisse Richtlinienkompetenz, diese berechtige aber nur ggf. die Tatbestandsmerkmale des vom MitbestG und der Wahlordnung vorgegebenen rechtlichen Rahmens dort auszufüllen, wo der Wortlaut eine Auslegung zulasse. Insofern ergebe sich hieraus nicht, dass dem Wahlvorstand das Recht zustehe, außerhalb der vom Gesetz und der Wahlordnung vorgesehenen enumerativ aufgezählten Tatbestände eine Briefwahl generell zuzulassen. Auch wenn in anderen Wahlverfahren ggf. die Briefwahl für zulässig gehalten worden sei, seien hier die Regelungen des MitbestG und der Wahlordnung zu berücksichtigen und deren Einschränkungen. Auch wenn in § 15 Abs. 1 MitbestG nicht sämtliche Wahlrechtsgrundsätze erwähnt seien, sei hier jedenfalls auch der Grundsatz der geheimen Wahl betroffen, der jedenfalls im MitbestG ausdrücklich erwähnt sei. Die Auszählung der Stimmen über MS-Teams habe gegen das Gebot der öffentlichen Stimmauszählung gem. § 79 Abs. 1 der 3. WO MitbestG verstoßen. Insofern sei die Öffentlichkeit der Wahl Grundvoraussetzung für eine demokratische Willensbildung. Die grundsätzlich gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasse das Wahlvorschlagsverfahren, die Wahlhandlung und die Ermittlung des Wahlergebnisses. Durch das Gebot der Öffentlichkeit sollten interessierte Personen die Möglichkeit erhalten, die Ordnungsmäßigkeit der Feststellung des Wahlergebnisses beobachten zu können, damit der Verdacht von Wahlmanipulationen hinter verschlossenen Türen nicht aufkommen könne. Dem Zweck des Grundsatzes der öffentlichen Stimmauszählung, jedem Verdacht einer Manipulation zu begegnen, werde bei der Delegiertenwahl dadurch entsprochen, dass die Delegierten den Vorgang der Stimmauszählung verfolgen könnten. Die Öffentlichkeit der Stimmauszählung solle den gesamten Vorgang der Ermittlung des Wahlergebnisses umfassen. Dazu sei es zwar nicht erforderlich, dem Wahlvorstand über die Schulter blicken zu können, das Gebot, die Auszählung in öffentlicher Sitzung vorzunehmen, solle gewährleisten, dass selbst der Anschein von Manipulationen vermieden werde. Die Beobachtungsmöglichkeit diene der Kontrolle des Auszählvorgangs durch die Öffentlichkeit, ohne damit eine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle zu bezwecken. Die Beratung und Beschlussfassung des Wahlvorstands bei der öffentlichen Stimmauszählung müsse daher nicht in dem Sinne öffentlich sein, dass die Anwesenden die Entscheidung in jedem Fall zur Kenntnis nehmen könnten. Ein Mitlesenkönnen sei daher nicht erforderlich. Insoweit werde diesem Gebot der öffentlichen Stimmauszählung die Möglichkeit der Delegierten, die Stimmauszählung über MSTemas zu verfolgen, nicht gerecht. Insbesondere sei durch die Anwesenheit eines Delegierten vor Ort sowie die Möglichkeit der Zuschaltung der übrigen Delegierten über MSTemas nicht die notwendige Öffentlichkeit der Stimmauszählung hergestellt gewesen. Zwar stelle § 79 der 3. WO MitbestG nicht auf eine körperliche Anwesenheit ab. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die Regelung im Gesetz davon ausgehe, dass die Stimmauszählung im Anschluss an die Delegiertenversammlung stattfinde. Insofern sei auch eine körperliche Anwesenheit durchaus erforderlich. Selbst wenn man dem aber nicht folgen wollte, könne allenfalls eine Übertragung der Stimmauszählung in Betracht kommen, die mit der Beobachtung der Stimmauszählung durch körperlich anwesende Delegierte vergleichbar sei. Insofern sei der gesamte Vorgang der Ermittlung des Wahlergebnisses zu umfassen. Dies setze auch voraus, dass die Beobachter die Möglichkeit hätten, sich im Raum umzusehen und zumindest aus mehreren Perspektiven auszuwählen. Insbesondere sei für die Öffentlichkeit der Stimmauszählung zu gewährleisten, dass nie alle Delegierten gleichzeitig von der Möglichkeit der Beobachtung ausgeschlossen würden. Dem sei die Auszählung am 25.06.2020 nicht gerecht geworden. Insoweit sei eine feste Kameraperspektive vorgegeben worden, wobei, soweit das Bild durch eine durchlaufende Person verdeckt worden sei, jedenfalls allen Beobachtern gleichzeitig die Möglichkeit genommen worden sei, den Auszählungsvorgang zu verfolgen. Insbesondere sei auch diese Auszählungsvariante nicht mit einer Auszählung in persönlicher Anwesenheit aller interessierter Delegierter zu vergleichen. Auch sei besonders problematisch, dass die Stimmzettel nach dem Öffnen der Kuverts in offenen Boxen auf dem Tisch gelegen hätten. Gleiches gelte auch für die unstreitigen Unterbrechungen der Übertragung. Auch wenn diese nur wenige Minuten gedauert hätten, so sei in dieser Zeit allen zugeschalteten Delegierten die Beobachtungsmöglichkeit genommen worden. Insofern sei auch ein Austausch von Wahlzetteln in der Bildunterbrechung nicht völlig unmöglich gewesen. Der Ausschluss einer Manipulationsmöglichkeit sei insoweit nicht gegeben gewesen. Schließlich wäre es auch unter Gesichtspunkten der Pandemie möglich gewesen, die Delegiertenversammlung und die Auszählung außerhalb von Bayern etwa in Nordrhein-Westfalen durchzuführen. Die Verstöße seien auch geeignet gewesen, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Eine solche Möglichkeit der Beeinflussung seiausreichend, es müsse keine Beeinflussung tatsächlich feststehen. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl müsse nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lasse, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre. Im Hinblick auf die Briefwahl sei davon auszugehen, dass eine Beeinflussung des Wahlergebnisses möglich gewesen sei. Dies gelte zum einen dahingehend, dass etwa bei einer persönlichen Erklärung der für ungültig erklärte Stimmzettel gültig gewesen wäre und auch nicht auszuschließen sei, dass die fünf Delegierten, welche keine Wahlumschläge eingereicht hätten, ihre Stimme persönlich abgegeben hätten. Auch könne eine Beeinflussung des Wahlverhaltens nicht ausgeschlossen werden. Bei der schriftlichen Stimmabgabe müssten sich die Wähler bereits vor dem eigentlichen Wahltag entscheiden, damit der Wahlbrief rechtzeitig beim Wahlvorstand wieder eingehe. Insofern komme es für die einzelnen Delegierten zeitlich zu versetzten Wahlen. Es sei nicht auszuschließen, dass bei unmittelbarer Wahl am Wahltag die Delegierten sich noch anders entschieden hätten. Dies gelte auch für die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds der leitenden Angestellten. Auch der Verstoß der öffentlichen Stimmauszählung sei geeignet das Wahlergebnis zu beeinflussen. Bei einem Verstoß gegen das Erfordernis der öffentlichen Stimmauszählung sei die Kausalität regelmäßig gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Wahl bei ordnungsgemäßer Durchführung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (unter Hinweis auf BAG Beschluss vom 15.11.2000 – 7 ABR 53/99). Dies bedeute nicht, dass der Verdacht einer Manipulation bestehen müsse. Es reiche vielmehr aus, dass die Möglichkeit einer Manipulation nicht ausgeschlossen werden könne, was vorliegend der Fall gewesen sei, da die Stimmzettel nach dem Öffnen der Kuverts während des gesamten Auszählungsvorgangs in offenen Boxen auf dem Auszähltisch gelegen seien und die Bildübertragung mehrfach unterbrochen bzw. verdeckt gewesen sei, sodass auch ein Zugriff auf die offen daliegenden Stimmzettel möglich gewesen sei.
Gegen diesen den Beschwerdeführern am 16.03.2021 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29.03.2021, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen. Die Beschwerdeführer sind auch im Rahmen der Beschwerdeinstanz weiterhin der Auffassung, dass die Wahl ordnungsgemäß von statten gegangen sei, da die Briefwahl zulässig gewesen sei, insbesondere aufgrund der pandemischen Lage, weil zum damaligen Zeitpunkt die Risiken noch nicht abgeschätzt hätten werden können und eine persönliche Stimmabgabe aufgrund der notwendigen Schutz- und Hygienemaßnahmen schlichtweg nicht durchgeführt hätte werden können. Insofern sei die Briefwahl als ein Instrument, das im Rahmen von Wahlen anerkannt sei, die zulässige Form der Wahl gewesen. Dies würden auch die im gleichen Zeitraum durchgeführten Kommunalwahlen in Bayern und Hessen belegen. Ein Verstoß habe auch keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Es sei keine größere Möglichkeit der Beeinflussung im Rahmen der Wahl anzunehmen als etwa bei einer persönlichen Wahl. Gerade aufgrund der Corona-Pandemie und der Hygiene-Maßnahmen hätten die Delegierten frei von Beeinflussung ihre Stimme abgegeben können. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass Delegierte etwa bei einer Briefwahl eine andere Entscheidung getroffen hätten als bei einer persönlichen Wahl. Die Auszählung via Microsoft Teams sei nicht zu beanstanden. Aufgrund der Besonderheiten der Corona-Pandemie hätte eine Auszählung in persönlicher Anwesenheit der Delegierten nicht durchgeführt werden können. Die Möglichkeit einer Manipulation habe nicht bestanden, da die öffentliche Kontrolle des Auszählungsvorgangs in der gewählten Form unzweifelhaft möglich gewesen sei. Eine exakte und konkrete Verfolgung der Auszählung sei auch bei körperlicher Anwesenheit der Delegierten nicht denkbar gewesen. Auch hätte dieser Verstoß, soweit er vorgelegen hätte, keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt. Aufgrund der dauerhaft körperlichen Anwesenheit der oben genannten Personen sei eine Manipulation ausgeschlossen. Es sei auch bei einer unmittelbar öffentlichen Auszählung nicht gesichert, dass der Auszählvorgang von jedem einzelnen Beobachter insgesamt erfasst werden könne, sondern auch hier sei ein zeitweiliges Verdecken des Vorgangs möglich. Auch aufgrund der vorhandenen Infektionsschutzverordnungen sei eine entsprechende Delegiertenversammlung nicht möglich gewesen und durchführbar gewesen. Gleichfalls wäre es bei der Vielzahl der Delegierten nicht zumutbar gewesen, diesen eine entsprechende Anreise unter Coronabedingungen zuzumuten. Aus sonstigen Gründen sei die Wahl nicht anfechtbar und unwirksam.
Die Beschwerdeführer beantragten zuletzt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichtes A-Stadt vom 03.03.2021 – Az.: 28 BV 216/20, zugestellt am 16.03.2021, wird aufgehoben.
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Beschwerdegegner beantragten zuletzt,
Die Beschwerde der Beteiligten zu 5 – 8 und des Beteiligten zu 11 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes A-Stadt 03.03.2021 – Az.: 28 BV 216/20 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegner sind im Rahmen der Beschwerdeinstanz weiterhin der Auffassung, dass die durchgeführte Wahl anfechtbar sei. Insoweit sei die Briefwahl unzulässig gewesen, da in den einschlägigen Normen eine Briefwahl im Rahmen der Delegiertenwahl nicht vorgesehen sei. Insofern sei auch zu berücksichtigen, dass eine Delegiertenversammlung durchgeführt hätte werden können, sei es auf Antrag bei den entsprechenden Behörden, sei es auch in anderen Bundesländern. Angesichts der vorliegenden Inzidenzwerte sei auch die Durchführung durchaus zumutbar gewesen. Aufgrund der hier vorliegenden möglichen Demokratiedefizite im Rahmen einer Briefwahl hätte nicht auf die Briefwahl zurückgegriffen werden dürfen. Ein Einfluss auf das Wahlergebnis sei auch anzunehmen, aus den von Seiten des Arbeitsgerichts genannten Gründen. Auch die öffentliche Auszählung sei unzulässig gewesen. Eine öffentliche Auszählung im Sinne der Normen habe bei der Auszählung mittels MS-Teams nicht vorgelegen. Insofern sei eine durchgehende Beobachtung des Vorgangs der Stimmauszählung nicht möglich gewesen wegen der teilweise versperrten Sicht bzw. der Unterbrechung der Übertragung. Insofern hätten auch Möglichkeiten der Manipulation bestanden. Aus weiteren Gründen sei die Wahl unwirksam. Zum einen ergebe sich dies daraus, dass der Hauptwahlvorstand bei der Auszählung der Stimmen zum Teil unentschuldigt abwesend gewesen sei, zudem auch wegen unzulässiger Verlängerung der Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen, wobei insoweit auch eine Liste am letzten Tag eingereicht worden sei.
Der Beteiligte zu 12 ist der Auffassung, dass die Wahl wirksam erfolgt sei, da die Briefwahl zwingend erforderlich gewesen sei in Folge der gesetzlichen möglichen Maßnahmen der Corona-Pandemie. Die Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes und der 3. WO MitbestG würden eine Durchführung der Delegiertenversammlung per Briefwahl nicht untersagen.
Die Briefwahl führe auch nicht zu Verstößen gegen die Wahlgrundsätze. Sämtliche Wahlgrundsätze anderer Wahlen wären im MitbestG aufgezählt und übernommen. Insofern sei auch die Briefwahl nicht geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Bei einer körperlichen Delegiertenversammlung sei das gleiche Wahlergebnis zu erwarten gewesen. Die Auszählung der Stimmen habe auch hinreichend öffentlich stattgefunden. Der Zweck des Öffentlichkeitsgebotes sei eingehalten. Maßgebliche weitere Personen auch neben den Mitgliedern des Hauptwahlvorstands seien bei der Auszählung anwesend gewesen. Auch insoweit könne eine Manipulation ausgeschlossen werden, sodass kein Einfluss auf das Wahlergebnis bestanden hätte.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG). Sie ist daher zulässig.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zurecht hat das Arbeitsgericht in der äußerst sorgfältigen und zutreffend begründeten Entscheidung dem Antrag im Hinblick auf die Anfechtung der Aufsichtsratswahl stattgegeben.
a) An sich kann dahingestellt bleiben, ob die im Wege der Briefwahl durchgeführte Wahl und im Wege der Übertragung mit MS-Teams durchgeführte Auszählung der Stimmen gegen maßgebliche Wahlgrundsätze verstoßen hat und insoweit die Wahl anfechtbar ist, da die Wahl jedenfalls schon deswegen gemäß § 22 Abs. 1 MitbestG angefochten werden konnte, da gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist. Auch eine Beeinflussung des Wahlergebnisses erscheint zumindest als möglich.
aa) Gemäß § 66 der 3. WO MitbestG hat der Betriebswahlvorstand nach Abschluss der Stimmabgabe öffentlich die Stimmen auszuzählen.
Wie das BAG zur wortgleichen Bestimmung des § 41, 3. WO MitbestG entschieden hat (vgl. BAG v. 24.02.2021 – 7 ABR 38/19), erfolgt nach dem Wortlaut der Bestimmung die Stimmauszählung und Gültigkeitsprüfung durch den Wahlvorstand als Gremium und nicht nur durch dessen Vorsitzenden oder einzelne seiner Mitglieder. Denn die Stimmauszählung und die Prüfung der Gültigkeit der Stimmzettel sei dem Wahlvorstand zugewiesen. Anders als in anderen Bestimmungen der 3. WO MitbestG, in denen vorgesehen sei, dass nur eine bestimmte Anzahl der Mitglieder des Wahlvorstands anwesend sein müsse, genüge die Anwesenheit einzelner Mitglieder des Wahlvorstandes hier bei der Auszählung der Stimmung und der Überprüfung der Gültigkeit der Stimmzettel nicht. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Auszählung der Stimmen und die Prüfung der Stimmzettel auf ihre Gültigkeit seien für die Ordnungsgemäßheit der Wahl von zentraler Bedeutung und sollten daher einer möglichst breiten Kontrolle unterliegen. Dies werde nicht nur durch die Öffentlichkeit der Stimmauszählung, sondern auch durch die Anwesenheit des gesamten Wahlvorstandes gewährleistet. Auch sei es nicht ausreichend im Hinblick auf den Zweck, Manipulationen zu verhindern, wenn bei der Anwesenheit bereits mehrerer Wahlvorstandsmitgliedern hier eine Überwachungsmöglichkeit bestehe. Eine solche Einschränkung sei im Gesetz nicht vorgesehen. Eine Stimmauszählung durch einen nicht vollzähligen Betriebswahlvorstand sei dann ausnahmsweise zulässig, wenn das abwesende Mitglied des Betriebswahlvorstandes verhindert sei und kein Ersatzmitglied bestellt sei.
bb) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Niederschrift der Sitzung des Hauptwahlvorstandes zur Wahl des Aufsichtsrates zum Termin 25.06.2020 (Bl. 416 d.A.), dass von den Wahlvorstandsmitgliedern lediglich vier anwesend waren und ein Ersatzmitglied von dreien. Insofern wurde lediglich hinsichtlich des abwesenden Wahlvorstandsmitgliedes Herrn AF. dargelegt, dass dieser verhindert war und durch das Ersatzmitglied ersetzt wurde. Hinsichtlich der Abwesenheit der weiteren beiden Wahlvorstandsmitglieder Labitzke und Seidel erfolgten keine Darlegungen, warum diese nicht bei der Auszählung anwesend waren. Auch im Rahmen der Anhörung konnte hierfür kein maßgeblicher Grund genannt werden oder etwa auch dafür, dass die Ersatzmitglieder nicht anwesend waren. Insofern genügt die Auszählung nicht den Vorschriften der 3. WO MitbestG. Nach Auffassung des BAG ist der Verstoß hiergegen auch geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Wahlergebnis bei einer durchgehenden Teilnahme alle Wahlvorstandsmitglieder an der Stimmauszählung anders ausgefallen wäre, da denkbar sei, dass in diesem Fall etwaige Fehler bei der Zuordnung von Stimmen vermieden und Entscheidungen über die Gültigkeit von Stimmzetteln anders getroffen worden wären. Auch die Anwesenheit der restlichen Mitgliedern des Wahlvorstands schließe Fehler bei der Stimmenzuordnung nicht aus (vgl. BAG vom 24.02.2021 – 7 ABR 38/19).
Schon aus diesem Grund ist letztlich die Wahl anfechtbar und unwirksam.
b) Darüber hinaus schließt sich die Kammer auch der Auffassung des Arbeitsgerichtes im Hinblick auf die Zulässigkeit der Briefwahl und die Öffentlichkeit der Auszählung an. Insoweit kann auf die dort erfolgten Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
aa) Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass jedenfalls in der 3. WO MitbestG bei der Delegiertenwahl eine Briefwahl nicht vorgesehen ist. Selbst wenn unter Pandemiegesichtspunkten eine solche Wahl nach den Vorschriften in Bayern nicht im Wege einer Delegiertenversammlung hätte durchgeführt werden können, so wäre dennoch eine entsprechende Wahl möglich gewesen etwa unter behördlicher Genehmigung, jedenfalls auch außerhalb von Bayern. Nachdem also die Wahlordnung an sich eine Briefwahl ohnehin nicht vorsieht und insoweit auch eine Dispositionsmöglichkeit für den Wahlvorstand nicht besteht (vgl. BAG vom 27.011993 – 7 ABR 37/92) wäre jedenfalls ein Ausnahmefall, der ausnahmsweise die Briefwahl noch für zulässig erscheinen ließe, nur dann gegeben gewesen, wenn tatsächlich eine Wahl im Wege der Delegiertenversammlung vor Ort überhaupt nicht möglich und denkbar gewesen wäre. Dies war aber unter den oben genannten Voraussetzungen etwa außerhalb von Bayern durchaus der Fall. Insoweit hätte auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden müssen. Hinsichtlich der Auswirkung auf das Wahlergebnis ist auf die Ausführungen des Arbeitsgerichtes Bezug zu nehmen. Insoweit erscheint es durchaus möglich, dass etwa die nicht vorhandenen Stimmen von Delegierten etwa bei der Durchführung einer Delegiertenversammlung abgegeben worden wären oder aber auch aufgrund des späten einheitlichen Wahltermins etwa eine andere Wahlentscheidung getroffen worden wäre.
bb) Auch die Öffentlichkeit der Stimmauszählung ist tatsächlich durch die Übertragung mittels MS-Teams nicht hinreichend hergestellt worden. Dabei wäre es zwar denkbar, dass ausnahmsweise auch eine Öffentlichkeit, wenn eine Delegiertenversammlung tatsächlich nicht möglich gewesen wäre, in dieser Übertragungsform sichergestellt werden könnte. Dies müsste aber wenigstens voraussetzen, dass eine Perspektive etwa gewählt wird, die eine vollständige Erfassung des Vorgangs jederzeit gewehrleistet. Im vorliegenden Fall war dies schon deswegen nicht gegeben, da die Kameraposition anscheinend so gewählt war, dass etwa vorbeigehende Personen den Blick der Kamera auf den Auszählungsvorgang zeitweiligen verstellten. Auch wenn nach Öffentlichkeitsgesichtspunkten nicht ein durchgängiges Beobachten und Nachvollziehen des Wahlvorgangs erforderlich ist, so muss doch wenigstens die Möglichkeit einer durchgehenden Beobachtung bestehen. Dies war schon aufgrund der technischen Probleme, die zeitweilig die Öffentlichkeit gerade ausgeschlossen haben, und dies über Minuten hinweg, nicht der Fall, sodass jedenfalls eine Unterbrechung der Öffentlichkeit in nicht unerheblichem Umfang stattgefunden hat. Insoweit ist ebenfalls eine Auswirkung auf das Wahlergebnis zumindest im Hinblick auf die Möglichkeit der Manipulation im Zusammenhang mit der vom Arbeitsgericht genannten offenen Auslegung der Wahlzettel zumindest nicht ausgeschlossen.
c) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch die Frist des § 27 Abs. 2 der 3. WO MitbestG unstreitig überschritten wurde und in diesem Zusammenhang auch am letzten Tag der Frist noch eine Liste eingereicht wurde. Insofern wirkte sich die Überschreitung der Frist auch aus im konkret vorliegenden Verfahren. Insoweit ist auch eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durchaus möglich. Auf die hypothetische Möglichkeit, dass bei einer verkürzten richtigen Frist der Vorschlag auch innerhalb dieser Frist eingereicht worden wäre, kann nicht abgestellt werden, da der konkret vorliegenden Fall zu beurteilen ist und im Rahmen dieser verlängerten Frist jedenfalls wegen der Einreichung am letzten Tag eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch die unzulässig verlängerte Frist jedenfalls vorgelegen hat.
Aus all diesen genannten Gründen heraus erscheint die Wahl daher als unwirksam und anfechtbar und war die Beschwerde zurückzuweisen.
3. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, da über den Einzelfall hinaus wegen der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung keine weitergehende grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens vorliegt. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen.


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