Aktenzeichen 3 O 59/22
§ 7 Abs 2 FeV
Art 7 Abs 1b EWGRL 439/91
EGRL 126/2006
Art 7 Abs 1 Buchst b EWGRL 439/91
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Verfahrensgang
vorgehend VG Magdeburg, kein Datum verfügbar, 1 A 130/21 MD
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 11. Mai 2022 wird zurückgewiesen
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die nach 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 1. Kammer – vom 11. Mai 2022 über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren beim Verwaltungsgericht, mit dem der Kläger die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 29. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 27. April 2021 erstrebt, hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des vom Kläger bezeichneten Bevollmächtigten (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht im ablehnenden Beschluss vom 11. Mai 2022 und Nichtabhilfebeschluss vom 8. Juni 2022 davon ausgegangen, dass der Antrag unbegründet ist, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Denn es spricht Überwiegendes dafür, dass der Kläger nicht berechtigt ist, von dem ihm am 16. Oktober 2014 ausgestellten französischen Führerschein Nr. 14AU7xxxx in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. Denn dieser resultiert aus dem Umtausch des dem Kläger in der Tschechischen Republik am 21. November 2007 erteilten Führerscheins, der den Kläger gleichsam nicht berechtigt, in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung.
Die Beschwerde macht im Wesentlichen den Wechsel des Berechtigungsgrunds zum Erwerb einer Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik (Studium anstelle von Wohnsitz) geltend. Auch hiermit kann der Kläger sein Klageziel nicht erreichen. Die Inlandsfahrberechtigung des Klägers aufgrund der tschechischen Fahrerlaubnis ist auch nicht deswegen anzuerkennen, weil der Kläger sie als Studierender oder Schüler i.S.d. § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 FeV während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts in der Tschechischen Republik erworben hat.
Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG hängt die Ausstellung eines Führerscheins bei fehlendem Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten – im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedsstaats ab. Das Gleiche gilt nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG. Der Besuch einer Hochschule oder Schule in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat keinen Wohnsitzwechsel zur Folge (Art. 9 Satz 4 der Richtlinie 91/439/EWG und Art. 12 Satz 4 der Richtlinie 2006/126/EG, § 7 Abs. 2 FeV). Der in den zitierten Vorschriften geforderte Nachweis des Studiumsaufenthalts im Ausstellermitgliedstaat ist vom Fahrerlaubnisbewerber gegenüber der Behörde des Ausstellermitgliedstaats zu führen. Ist der Nachweis nach der Beurteilung der Behörde des Ausstellermitgliedstaats geführt, darf – wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen – die Fahrerlaubnis erteilt werden. Der Führerschein kann dann aber im Regelfall keinen Wohnsitz des Ausstellermitgliedstaats enthalten. Ist ein Wohnsitz des Ausstellermitgliedstaats im Führerschein enthalten, wird damit gleichzeitig beurkundet, dass die Berechtigung des Ausstellermitgliedstaats zur Erteilung des Führerscheins an den ausländischen EU-Bürger aufgrund eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat abgeleitet wurde. Die beiden Berechtigungsalternativen Wohnsitz und Studium schließen sich, soweit der Aufenthalt des Fahrerlaubnisbewerbers im Ausstellermitgliedstaat ausschließlich dem Besuch einer Hochschule oder Schule dient, gegenseitig aus (zum Ganzen: vgl. BayVGH, Urteil vom 16. Juni 2014 – 11 BV 13.1080 – juris Rn. 60 m.w.N.).
Soweit der Kläger einwendet, die tschechische Fahrerlaubnisbehörde des Bezirks Jihočeský kraj habe ihm die Fahrerlaubnis unter Prüfung der Voraussetzungen eines Bewerbers als Studierender mit einem Mindestaufenthalt von sechs Monaten erteilt, besteht hierfür kein Anhalt. In dem durch die tschechischen Behörden ausgestellten Führerschein wird ein Wohnsitz des Klägers im Ausstellermitgliedsstaat bezeichnet und damit bekundet, dass die Berechtigung des Ausstellermitgliedstaats zur Erteilung des Führerscheins an den ausländischen EU-Bürger aufgrund eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat abgeleitet wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Auskunft des Bezirksamts des Bezirks Jihočeský kraj angegeben wird, dass der Kläger eine eidesstattliche Erklärung darüber abgeben habe, sich mehr als 185 Tage im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik aufgehalten zu haben. Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt dies nicht den Schluss, dass die tschechische Behörde dem Kläger die Fahrerlaubnis angesichts eines Studienaufenthalts erteilt hat. Vielmehr ist die Prüfung der Aufenthaltsdauer auch zur Feststellung der Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses erforderlich. Nach Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG gilt als ordentlicher Wohnsitz im Sinne der Richtlinie der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Folglich lässt sich allein aus der behördlichen Bezugnahme auf den eidesstattlich versicherten Zeitraum eines Aufenthalts ein Studienbezug nicht ableiten, wenn es – wie hier – an weitergehenden – einen Studienbezug nahelegenden – behördlichen Angaben fehlt.
Im Übrigen muss der Kläger infolge des nachträglichen Austauschs des Berechtigungsgrunds (Studenteneigenschaft statt Wohnsitz) als Fahrerlaubnisinhaber den Nachweis für das Bestehen des anderen, vom Ausstellermitgliedstaat nicht geprüften und im Führerschein nicht dokumentierten Berechtigungsgrunds erbringen (vgl. BayVGH, Urteil vom Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16. Juni 2014, a.a.O. Rn. 61). Hieran fehlt es. Der Kläger verweist allein auf die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten und meint, dass von ihm nicht nachgewiesen werden müsse, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Führerscheins als Student vorlägen.
Für weitere gerichtliche Ermittlungen, die offene Erfolgsaussichten bedingen könnten, besteht ebenfalls kein Anhalt. Unterlässt es ein Beteiligter – wie hier -, zur Klärung der ihn betreffenden, insbesondere der für ihn günstigen Tatsachen beizutragen, gebietet es auch der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht, allen auch nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 11 ZB 14.718 – juris Rn. 14 m.w.N.).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).