Arbeitsrecht

Wirksamkeit einer Befristungsabrede – Anforderungen an Rechtsmissbrauch

Aktenzeichen  7 Sa 152/20

Datum:
18.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28339
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TzBfG § 14 Abs. 2
BGB  § 123, § 242, § 305
ArbGG § 66 Abs. 1, § 67, § 72 Abs. 2, § 72 a

 

Leitsatz

1. Der Arbeitgeber kann sich im Entfristungsprozess bei fehlender Rechtfertigung der Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG wegen Vorbeschäftigung auch auf eine Rechtfertigung der Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG oder § 14 Abs. 3 TzBfG berufen. Der Arbeitgeber ist insoweit in der Darlegungs- und Beweislast. (Rn. 34)
2. Die formularmäßige Tatsachenbestätigung im Arbeitsvertrag „15. Kein vorheriges Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem/der Arbeitnehmer/in Mit Rücksicht auf § 14 Abs. 2 TzBfG versichert der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich, dass er/sie noch nie in seinem/ihrem Leben in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden hat. Der/die Arbeitnehmer/in ist darüber informiert, dass eine unrichtige Angabe hierüber den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages nach § 123 BGB berechtigen kann.“ allein ohne das Hinzutreten weiterer Umstände führt nicht dazu, dass von einem vertraglichen Ausschluss anderer Befristungsgründe als des § 14 Abs. 2 TzBfG oder einem rechtsmissbräuchlichen Berufen des Arbeitgebers auf andere Befristungsgründe als des § 14 Abs. 2 TzBfG auszugehen wäre. (Rn. 39 – 40)

Verfahrensgang

3 Ca 882/19 2020-02-17 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg – Kammer Schweinfurt –  vom 17.02.2020 – 3 Ca 882/19 – wird aufgehoben. 
II. Die Klage wird abgewiesen. 
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
II.
Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund wirksamer Befristung als sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG mit Ablauf des 22.10.2019 sein Ende gefunden. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet.
1. Nach § 14 Abs. 3 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Abs. 1 Nummer 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder dem SGB III teilgenommen hat.
Ein Vorbeschäftigungsverbot entsprechend der Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG besteht nicht. Bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig. Insoweit gelten die Grundsätze der Rechtsprechung zur Verlängerung nach § 14 Abs. 2 TzBfG, ErfK., 19. Auflage, § 14 TzBfG, Rn. 112a; Boecken/Joussen, TzBfG, Handkommentar, 6. Auflage, § 14, Rn. 179.
Diese besonderen Befristungsregelungen für ältere Arbeitnehmer sollen deren Beschäftigungschancen verbessern und Anreize für deren Einstellung schaffen. Der Gesetzgeber verbindet damit die Erwartung, eine befristete Beschäftigung könne auch für den älteren Arbeitnehmer eine Brücke zu einer dauerhaften Beschäftigung sein. Diese Regelungen sind jedenfalls bei ihrer erstmaligen Anwendung zwischen denselben Vertragsparteien mit Unionsrecht und mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar, BAG, Urteil vom 28.05.2014 – 7 AZR 360/12 -, Rn. 10 ff zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht und Rn. 38 ff zur Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG, jeweils zitiert nach juris.
Hier hatte die Klägerin bei Abschluss des befristeten Vertrages vom 23.10.2017 und der Tätigkeitsaufnahme ebenfalls am 23.10.2017 das 52. Lebensjahr bereits vollendet.
Sie war unstreitig seit 2013 beschäftigungslos. Die Vorbeschäftigung bei der Beklagten in dem Zeitraum vom 30.04.2012 bis 29.04.2013 ist für die Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 3 TzBfG ohne Bedeutung. Die schriftlichen Nachträge zum Arbeitsvertrag mit den wiederholten Verlängerungen der befristeten Beschäftigung sind von der Klägerin unbeanstandet geblieben.
Einer weiteren Rechtfertigung der Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG und damit eines sachlichen Grundes für die Befristung bedurfte es daher nicht.
2. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung des Arbeitsvertrages der Schriftform. Gegenstand dieses Schriftformerfordernisses ist nur die Befristung des Arbeitsvertrages als solches, nicht dagegen der Befristungsgrund. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 TzBfG. Es ergibt sich auch aus der Klarstellungs- und Beweisfunktion des Schriftformgebotes. Diese sind auf die Befristung als solche bezogen, nicht dagegen auf die Rechtfertigung der Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 bis 4 TzBfG oder mit Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG, BAG, Urteil vom 29.06.2011 – 7 AZR 774/09 -, Rn. 15, zitiert nach juris. Wird deshalb im Arbeitsvertrag ein Sachgrund für die Befristung benannt, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht gehindert, sich zur Rechtfertigung der Befristung auf die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung zu berufen, BAG, Urteil vom 29.06.2011 – 7 AZR 774/09 -, aaO. Wird im Arbeitsvertrag die Befristung ausdrücklich auf § 14 Abs. 2 TzBfG gestützt, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht gehindert, sich zur Rechtfertigung der Befristung auf einen Sachgrund für die Befristung zu berufen, BAG, Urteil vom 13.02.2013 – 7 AZR 225/11 -, Rn.15, zitiert nach juris, und aktuell BAG, Urteil vom 20.03.2019 – 7 AZR 409/16 -, Rn. 47, zitiert nach juris. Nichts anderes gilt, wenn im Arbeitsvertrag die Befristungsabrede nicht ausdrücklich mit einem gesetzlich vorgesehenen Rechtfertigungsgrund für die Befristung verknüpft wird.
Hier ist in Ziffer 3.1 des Arbeitsvertrages vereinbart, dass dieser „durch Fristablauf am 22.01.2018“ endet, „ohne dass es einer Kündigung bedarf“. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Rechtfertigungsgrund für die Befristung nach § 14 TzBfG fehlt. Die Beklagte ist deshalb nicht gehindert, sich zur Rechtfertigung der Befristung auf eine der Möglichkeiten des § 14 TzBfG zur sachgrundlosen Befristung wie zur Befristung mit Sachgrund zu berufen, entsprechenden Sachvortrag zu leisten und diesen – im Falle des Bestreitens durch die Klägerin – unter Beweis zu stellen.
3. Die Beklagte konnte sich in der Berufung auf die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung für ältere Arbeitnehmer berufen. Eine Verzögerung des Rechtsstreites war nicht zu erwarten, § 67 ArbGG.
4. Die Rechtfertigung der Befristung aus sachlichem Grund wegen Vertretung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG war seitens des Berufungsgerichtes nicht mehr zu prüfen. Die Beklagte hat diesen Rechtfertigungsgrund in der Berufung fallen lassen.
5. Nach § 242 BGB ist eine Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens, wenn das vorherige Verhalten der einen Seite für die andere Seite ein schützenswertes Vertrauen geschaffen hat in den Fortbestand einer bestimmten Situation, BAG, Urteil vom 23.09.2009 – 4 AZR 220/08 -, Rn. 16, zitiert nach juris, oder sonstige Umstände die Rechtsausübung der einen Seite als treuwidrig erscheinen lassen, BAG, Urteil vom 20.03.2019 – 7 AZR 409/16 -, Rn. 45, zitiert nach juris.
Hier hat die Beklagte formularmäßig in Ziffer 15 des Arbeitsvertrages die ausdrückliche Versicherung der Klägerin unter Bezugnahme auf § 14 Abs. 2 TzBfG aufgenommen, dass „er/sie noch nie in seinem/ihrem Leben in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber gestanden hat“. Damit wollte sich die Beklagte entsprechend den Empfehlungen der damaligen einschlägigen Literatur dagegen absichern, dass die Klägerin eventuell lange zurück liegende Vorbeschäftigungen verschweigt, um sich zu gegebener Zeit auf das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG berufen zu können. Mit entsprechenden Formulierungen ist es auch Arbeitnehmern vereinzelt mit einem Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt worden, sich auf eine dem Arbeitgeber verschwiegene Vorbeschäftigung zu berufen, beispielsweise ArbG Frankfurt, Urteil vom 09.04.2008 – 7 Ca 8061/07 -, Rn. 24, zitiert nach juris. Dieser von der Beklagten vorformulierten Erklärung der Klägerin wohnt jedoch weder dem Wortlaut nach noch nach deren Sinn und Zweck eine Erklärung der Beklagten inne, im Konfliktfall auf die anderen Möglichkeiten der Rechtfertigung für die Befristung des Arbeitsverhältnisses zu verzichten. Es ist auch nach dem Vorbringen der Klägerin und nach Aktenlage nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin Ziffer 15 des Arbeitsvertrages so verstehen durfte und sie sich in schutzwürdiger Art und Weise darauf eingerichtet hätte. Dabei käme es auf ein entsprechendes Verständnis der Klägerin gar nicht an. Bei Ziffer 15 des Arbeitsvertrages handelt es sich offensichtlich um eine allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 BGB. Diese sind so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden.
Ein besonderer Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerin, dass sich die Beklagte im Streit um die Wirksamkeit der Befristung nur und ausschließlich auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG berufen wolle, ist durch Ziffer 15 des Arbeitsvertrages nicht geschaffen worden.
Die Befristung ist damit nach § 14 Abs. 2 TzBfG wirksam. Der Berufung der Beklagten war daher stattzugeben, das Ersturteil aufzuheben und die Entfristungsklage abzuweisen.
III.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin nach § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass. Der Entscheidung des Gerichtes liegen die einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze und im Übrigen die Würdigung der Umstände des Einzelfalles zugrunde. Die Revision war daher nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.


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