Aktenzeichen M 5 K 21.4698
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwengeld. Der Bescheid der Beklagten vom … Juli 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtordnung/VwGO).
1. Dem Anspruch auf Witwengeld nach § 37 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung (Satzung) steht die Regelung in § 37 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung entgegen, wonach ein Anspruch auf Witwengeld nicht besteht, wenn die Ehe nach Erreichen der Regelaltersgrenze geschlossen wurde und nicht mindestens drei Jahre bestanden hat.
a) Der Zweck dieser Ausschlussregelung besteht zum einen darin zu verhindern, dass die Versorgungslast der Beklagten unangemessen dadurch erhöht wird, dass ein schon im Ruhestand befindliches Mitglied durch eine nach Erreichen der Regelaltersgrenze vorgenommene Eheschließung einen späteren Anspruch auf Versorgung für die hinterbliebene Witwe begründet („nachgeheiratete Witwe“, VG Gelsenkirchen, U.v. 9.4.2020 – 3 K 11500/17 – juris Rn. 33 ff.; OVG Saarland, B.v. 19.9.2006 – 1 Q 24/06 – NVwZ-RR 2007, 118, juris Rn. 6 ff.; BVerwG, B.v. 3.3.2000 – 2 B 6/00 – juris Rn. 4 m.w.N.). Weiter ist Zweck der Hinterbliebenenversorgung der Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des Ruhestandsbeamten (hier des Mitglieds der Beklagten) und des dadurch bedingten Wegfalls dessen Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann. Damit soll die Versorgung demjenigen Ehegatten zugutekommen, der während einer längeren Zeitspanne die Arbeit des anderen mitgetragen hat, gegebenenfalls unter Verzicht auf eigenes Erwerbseinkommen (VG Gelsenkirchen, U.v. 9.4.2020 – 3 K 11500/17 – juris Rn. 24 ff.; BVerfG, B.v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06 – NVwZ-RR 2010, 505, juris Rn. 13 ff. – auch zur Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit höherrangigem Recht, insbesondere Verfassungsrecht; siehe hierzu auch BVerwG, U.v. 27.5.2009 – 8 CN 1/09 – BVerwGE 134, 99, juris Rn. 13 ff.; VG Schleswig, U.v. 30.5.2016 – 7 A 189/15 – juris Rn. 18 ff.).
Dieser Normzweck besteht auch im vorliegenden Fall. Der Verstorbene und die Klägerin haben, auch wenn sie seit August 2004 in einem gemeinsamen Hausstand gelebt haben, nicht geheiratet, weshalb für diesen Zeitraum kein rechtlicher Unterhaltsanspruch für die Klägerin entstanden ist. Erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze erfolgte formal die Eheschließung. Es entspricht dem Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung das Witwengeld auszuschließen.
b) Die Ausschlussregelung ist auch nicht willkürlich und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Das Recht der berufsständischen Versorgung unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Da der Bund in diesem Bereich von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, obliegt die Gesetzgebung den Ländern. Bayern hat von seiner Kompetenz durch Erlass des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen (Versorgungsgesetz/VersoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 2008 (GVBl 2008, S. 71), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Mai 2022, Gebrauch gemacht. Dort ist in Art. 1 Abs. 1 VersoG geregelt ist, dass die berufsständische Versorgung durch verschiedene rechtsfähige Versorgungsanstalten erfolgt, denen das Recht der Selbstverwaltung eingeräumt ist. Jede bayerische Versorgungsanstalt besitzt nach Art. 10 Abs. 1 VersoG das Recht, ihre Angelegenheiten durch Satzung nach Maßgabe des VersoG selbst zu regeln. Entsprechend hat auch die Beklagte das Recht zur Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze, Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 VersoG, § 2 Abs. 1 der Satzung.
Es ist bereits geklärt, dass ein berufsständisches Versorgungswerk nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn es die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung bei sogenannten versorgungsnahen Ehen, bei denen das versorgungsberechtigte Mitglied im Zeitpunkt der Eheschließung das 62. Lebensjahr vollendet hatte, an die Voraussetzung einer Mindestehebestandszeit von drei Jahren knüpft (BVerwG, U.v. 27.5.2009 – 8 CN 1/09 – BVerwGE 134, 99, juris Rn. 13 ff.).
Nachdem es sich bei der Gewährung von Hinterbliebenenrente um eine begünstigende Regelung handelt, steht dem Satzungsgeber bei der Ausgestaltung seiner Satzung ein Ermessensspielraum zu. Dabei ist sachlicher Grund für den Ausschluss von Ehen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze geschlossen wurde bei einer Ehedauer unter drei Jahren das Ausmaß, in dem der Wegfall des Unterhalts kompensiert werden soll. Die Beklagte hätte daher auch einen völligen Ausschluss einer Hinterbliebenenversorgung für verwitwete Ehepartner aus einer „Spätehe“ festlegen können (BVerfG, B.v. 1.3.2010 – 1 BvR 2584/06 – NVwZ-RR 2010, 505, juris Rn. 13 ff.). Die Ausnahmeregelung, wonach von der dreijährigen Ehezeit abgesehen werden kann, falls ein Kind aus der Ehe hervorgegangen ist, hat ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass nach Auffassung des Satzungsgebers nicht die Versorgung des Ehepartners, sondern der Wille zu einer echten, auf Dauer angelegten ehelichen Lebensgemeinschaft ausschlaggebend für die Heirat war (vgl. zum Ganzen: VG München, U.v. 22.11.2018 – M 12 K 18.1669 – soweit ersichtlich nicht veröffentlicht, S. 15 f., 18). Es ist rechtlich nicht zu beanstanden und liegt im zulässigen Rahmen der Satzungsautonomie der Beklagten, dass in der Satzung keine Möglichkeit vorgesehen ist, eine „Versorgungsehe“ zu widerlegen. Dabei ist es rechtlich nicht ausschlaggebend, dass im Bereich anderer Versorgungsträger (die Klagepartei verweist auf die gesetzliche Rentenversicherung, § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung/SGB VI) derselbe Sachverhalt unterschiedlich behandelt wird (BVerfG, a.a.O., Rn. 17).
Angesichts der Zulässigkeit typisierender Regelungen, die einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, für atypische Sachverhalte abweichende Regelungen vorzuhalten, entgegensteht, musste die Satzung auch nicht den atypischen Fall, dass zur Ehedauer von drei Jahren nur wenige Tage fehlen, eine Sonderregelung vorsehen (BVerfG, a.a.O., Rn. 15).
Vorliegend ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte für den Fall, dass kein Anspruch auf Witwenversorgung nach § 37 Abs. 2 der Satzung gegeben ist, ausdrücklich die Möglichkeit der Gewährung freiwilliger Leistungen nach § 39 Abs. 1 der Satzung für den Fall der Bedürftigkeit besteht. Die Klägerin wird damit nicht völlig schutzlos gestellt. Damit können Härten ausgeglichen und atypische Fälle erfasst werden, was unterstreicht, dass sich die Regelung nach § 37 Abs. 2 Nr. 3 der Satzung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor, da aus dieser Regelung keine Pflicht folgt, dem überlebenden Ehegatten einen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung zu gewähren (BVerfG, a.a.O., Rn. 18).
2. Die Klägerin trägt als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 162 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.