Arbeitsrecht

Zulage für militärische Führungsfunktionen

Aktenzeichen  5 A 70/21 MD

Datum:
21.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0421.5A70.21MD.00
Normen:
§ 42 BBesG
§ 20 Abs 1 S 2 BBesG
§ 42 Abs 1 S 1 BBesG
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Die Aufgaben eines Schießsicherheitsfeldwebels, die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen beim Gefechtsschießen, stellen keine militärische Führungsfunktion dar. (Rn.13)

2. Nimmt die Führungstätigkeit nicht den Schwerpunkt der mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben, sondern nur einen marginalen Anteil (hier 3 v. H.) ein, so fehlt es an der für die Zulagengewährung notwendigen dauerhaften Personalführung. (Rn.14)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrages auf Gewährung einer Zulage für militärische Führungsfunktionen. Er versieht seinen Dienst bei der Beklagten im Range eines Stabsfeldwebels als Schießsicherheitsfeldwebel SK (Was heißt das?) im Außendienst auf dem Truppenübungsplatz A-Stadt. Nach der Dienstpostenbeschreibung vom 12.03.2021 ist dem Schießsicherheitsfeldwebel SK der für den Kontrollraum eingeteilte Soldat unterstellt. Der Schießsicherheitsfeldwebel SK ist gegenüber dem Schießbahnpersonal des Bundeswehrdienstleistungszentrums, gegenüber dem zugeordneten Kraftfahrer und gegenüber Nutzern des Truppenübungsplatzes A-Stadt weisungsbefugt. Zu seinen Aufgaben gehört die Schießüberwachung, die Beratung der Übungstruppen beim Erkunden, beim Vorbereiten und beim Anlegen von Übungen, das Führen des Suchtrupps, die Suchen und Entsorgung von unbrauchbarer Munition und Blindgängern sowie die Unterstützung der Leit- und Kontrollstelle.
Am 03.11.2020 beantragte der Kläger die Gewährung einer Führungszulage rückwirkend zum 01.01.2020. Seine Führungsaufgaben bestünden in der Beratung und Begleitung der Übungsgruppen bei Erkundungen, Planung, Ausarbeitung und Anlegung von Schießvorhaben in Zusammenarbeit mit der Übungsgruppe. Er weise die Übungstruppen an, die Regeln der Schießsicherheit zu beachten und kontrolliere deren Einhaltung. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2020 ab. Als Schießsicherheitsfeldwebel führe der Kläger keine Teileinheit. Die Kontrolle und Durchsetzung der Regeln über die Schießsicherheit gegenüber der Übungsgruppe sei keine Führungstätigkeit im Sinne der ZDv 1454/1 Nr. 2018. Die dagegen erhobene Beschwerde, mit der der Kläger auf die Begründung seines Antrages verwies, wies die Beklagte mit Beschwerdebescheid vom 28.01.2021 zurück. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung der Führungszulage nach der ZDv A-1454/1 (1. Änderung) Nr. 2018, weil er kein Personal unterhalb der Einheitsebene führe. Nach der ZDv A2-2090/0-0-1 (4. Änderung) 5.4 Schießüberwachung 506. ff obliege dem Kläger als Schießsicherheitsfeldwebel, „1. die Leitende bzw. den Leitenden in Fragen der Sicherheit zu beraten, einzuweisen und zu unterstützen, 2. die befohlenen Absperrmaßnahmen zu prüfen, 3. den Zielaufbau und den Abruf der Ziele zu überwachen, 4. die Einhaltung der Auflagen des Sicherheitsbefehls zu überwachen, 5. die Maßnahmen zur Aufklärung von Vorkommnissen und Vorfällen mit Waffen und Munition beim Schießen zu überwachen und 6. Blindgänger, die nicht transportsicheren Versager und Munition zu vernichten.“ Ferner sei das Schießsicherheitspersonal unbeschadet der Verantwortung des Leitenden befugt, das Schießen aus dringenden Anlässen (z.B. bei einem Brand, Fehlschlüssen, etc.) unterbrechen zu lassen. Nach Maßgabe der Dienstvorschrift nehme der Kläger deshalb eine überwachende Funktion bis zur Größenordnung von Zugstärken war. Er sei indes nur bei dringenden Anlässen befugt, ein Schießen zu unterbrechen. Daraus lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger dauerhaft Personal führe. Denn grundsätzlich bleibe der Leitende gegenüber allen am Schießen beteiligten Soldatinnen und Soldaten Vorgesetzte nach § 5 der Vorgesetztenverordnung und damit weisungsbefugt.
Mit der dagegen am 22.02.2021 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er sei auf dem Truppenübungsplatz A-Stadt in seiner Funktion als Schießsicherheitsfeldwebel zeitweise für mehrere Schießbahnen für die Sicherheit vor Ort verantwortlich und führe nach Beauftragung das Suchen und Vernichten von Blindgängern auf dem Truppenübungsplatz durch. Er führe das ihm zugeteilte Schießbahnpersonal und einen Schießsicherheitskraftfahrer. Für seine Tätigkeit habe er bisher eine Zulage als „Ausbilder und Führer im Außen- und Geländedienst“ erhalten. Diese Zulage sei vom Gesetzgeber durch die Führungszulage ersetzt worden, die ihm nicht gewährt werde, sodass er nunmehr finanziell schlechter gestellt sei. Zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, dass die mit der überwachenden Funktion als Schießsicherheitsfeldwebel verbundenen Aufgaben für die Gewährung der Zulage nicht genügten. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine dauerhafte Personalführung nicht Voraussetzung für die Gewährung der Zulage. Zu den Aufgaben des Klägers gehöre die Kontrolle der übenden Truppe auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und die Leitung der Arbeiten des eingesetzten Schiessbahnpersonals (etwa die Prüfung, ob ein korrekter Zielbau vorhanden ist, die Prüfung der Funktionstüchtigkeit der Anlagen und die Verantwortlichkeit für die Sicherheit des Zielbaus). Insoweit sei der Kläger gegenüber dem zivilen Zielbaupersonal weisungsbefugt. Bei der Instandsetzung führe der Kläger bis zu 6 Personen im Suchtrupp und den eingeteilten Schießsicherheitskraftfahrer. Bei Bränden auf dem Truppenübungsplatz koordiniere er den Einsatz der Feuerwehr und sei im Rahmen der Munitionssicherheit weisungsbefugt.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 05.11.2020 und des Beschwerdebescheides vom 28.01. 2021 zu verpflichten, dem Kläger mit Wirkung vom 01.01. 2020 eine Führungszulage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, aus dem Wortlaut des Gesetzes und den konkretisierenden Bestimmungen der ZDv A 1454/1 (Version 4.1) ergebe sich, dass die dauerhafte Personalführung Voraussetzung für die Gewährung der Zulage sei, weil die Verwendung in einer einem Truppführer vergleichbaren Führungs- oder Ausbildungsfunktion verlangt werde. Daran fehle es beim Kläger. Er sei nach der Dienststellung kein Vorgesetzter. Es sei nicht Aufgabe des Klägers, Personal unterhalb der Einheitsebene zu führen. Hauptaufgabe des Klägers sei die Schießüberwachung. Damit trage er Verantwortung für den gefahrlosen Ablauf beim Gefechtsschießen, die jedoch nicht mit einer Führungsverantwortung verbunden sei. Zwar sei es zutreffend, dass der Kläger während der Instandsetzungszeit einen Suchtrupp von bis zu 6 Personen führe. Diese Tätigkeit indes beanspruche lediglich knapp 3 % der jährlichen Arbeitsleistung des Klägers und liege damit deutlich unter dem nach der Ziffer 1014 der ZDv A 1454/1 (Version 4.1) geforderten Anteil von 70 vom Hundert.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle der Kammer entscheidet (vergleiche § 87a Abs. 2 VwGO), ist unbegründet, weil die Ablehnung der beantragten Gewährung der Zulage rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Gewährung der beantragten Zulage ist § 42 Abs. 1 Satz 1 BBesG. Danach können für herausgehobene Funktionen stellen Zulagen vorgesehen werden. Nach der Anlage I Abschnitt II. 4. Abs. 1 Nr. 4 zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG erhalten Soldaten in Besoldungsgruppen bis A 14 eine Stellenzulage nach der Anlage IX i H. v. monatlich 100,- € in einer Verwendung als Truppführer oder in vergleichbarer Führungs- oder Ausbildungsfunktion. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, weil seine Aufgaben auf dem Dienstposten als Schießsicherheitsfeldwebel auf dem Truppenübungsplatz in A-Stadt nicht mit der dauerhaften Führung von Personal verbunden sind.
Eine herausgehobene Funktion im Sinne des § 42 Abs. 1 BBesG nimmt ein Soldat nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wahr, wenn er einen mit solchen Aufgaben verbundenen Dienstposten bekleidet, der innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe Besonderheiten aufweist, wegen derer sich die wahrgenommene Funktion von den übrigen Funktionen innerhalb derselben Besoldungsgruppe hervorhebt. Diese besondere Hervorhebung rechtfertigt es, die militärische Führungsfunktion im Sinne der Anlage I Abschnitt II. 4. eng auszulegen (vgl. VG Koblenz, Urt. v. 08.10.2021 – 2 K 1097/20.KO –, Rdnr. 23 f., juris).
Gestützt wird dies Auslegung auch durch die Entstehungsgeschichte der Regelung in den Vorbemerkungen der Anlage I Abschnitt II. 4. Abs. 1 Nr. 4 zu § 20 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Struktur des Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften – Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz – (BT-Drs. 19/13396, S. 116) erhält die Zulage nur, wer einem der Organisationselemente dauerhaft in einer Führungsfunktion vorsteht oder wem eine solche Funktion vorübergehend (z. B. als Urlaubsvertretung) übertragen ist. Als Organisationselemente sind die Führungsebenen der Truppe, nämlich die Kompanie (mit 120 bis 140, in Ausnahmefällen bis zu 300 Soldaten), der Zug (mit 35 bis 40, in Ausnahmefällen bis zu 80 Soldaten), der Gruppe (mit durchschnittlich 10 bis 20 Soldaten) und der Trupp (mit im Durchschnitt 2 bis 8 Soldaten) genannt.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er übt militärische Führungsfunktionen in einer einem Trupp- oder Gruppenführer vergleichbaren Führungs- oder Ausbildungsfunktion nicht aus. Er trägt zwar Verantwortung für eine den Sicherheitsbestimmungen entsprechende Durchführung von Gefechtsübungen. Diese Verantwortung für die Sicherheit beim Gefechtsschießen als sachlicher Verantwortung ist indes nicht mit einer Führungsverantwortung verbunden. Seine Aufgabe besteht in der Überwachung und Kontrolle. Damit ist indes eine Befugnis, den an den Gefechtsübungen beteiligten Soldatinnen und Soldaten Weisungen zu erteilen, nicht verbunden.
Zwar kann der Kläger für sich beanspruchen, während der Instandsetzungszeit einen Suchtrupp von bis zu 6 Personen zu führen. Diese Tätigkeit indes nimmt nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beklagten lediglich knapp 3 v. H. der jährlichen Arbeitsleistung des Klägers und damit nur einen marginalen Anteil der Arbeitskraft des Klägers in Anspruch. Es mag dahinstehen, ob mit der Beklagten nach Maßgabe der ZDv A 1454/1 (Version 4.1) ab einem Arbeitskraftanteil von 70 v. H. eine militärische Führungsfunktion angenommen werden kann. Denn jedenfalls lässt sich dem eng zu verstehenden Begriff der militärischen Führungsfunktion in Übereinstimmung mit den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 19/13396, S. 116) entnehmen, dass die Gewährung der Zulage (u. a.) davon abhängt, ob dem Betreffenden die einem Truppführer vergleichbare Führungs- oder Ausbildungsfunktion dauerhaft oder vorübergehend (z.B. als Urlaubsvertretung) obliegt. Das setzt voraus, dass die Führungsaufgabe oder Ausbildungsfunktion jedenfalls den Schwerpunkt der mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben bildet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Das Verwaltungsgericht Magdeburg – 5. Kammer – hat am 27.04.2022 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts … beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.400,- € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Den Wert bemisst das Gericht in Übereinstimmung mit den Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach dem zweifachen Jahresbetrag der Zulage i. H. v. monatlich 100,- € nach der laufende Nr. 6 der Anl. IX zum Bundesbesoldungsgesetz.


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