Aktenzeichen 3 Sa 370/16
Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe in Bayern (MTV) § 11 Abs. 3, Ziff. 1, § 24
GewO GewO § 106
Leitsatz
1 Den tariflichen Nachtzuschlag gem. § 11 Abs. 5 MTV ausschließender zeitversetzter Dienst im tariflichen Sinne liegt bei einer Abweichung von mehr als drei Stunden von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit vor; bei regelmäßigem Einsatz in der Nachtschicht liegt keine Abweichung vom Schichtmodell vor, zumal bei einem Schichtsystem mit sechs Schichten eine Normalarbeitszeit allenfalls die Arbeit in einem Schichtsystem, nicht aber eine bestimmte Arbeitszeit sein kann. (Rn. 25 – 28) (red. LS Ulf Kortstock)
2 Den tariflichen Nachtzuschlag ausschließende regelmäßige Schichtarbeit iSv § 11 Abs. 5 MTV liegt nur vor, wenn es sich um Arbeit im Wechselschichtsystem handelt, also nicht bei Arbeitnehmern, die Dauernachtschichten leisten (mehr auf den Betriebsteil abstellend LAG München BeckRS 2016, 120760, Rn. 48-55). (Rn. 29 – 39) (red. LS Ulf Kortstock)
3 Der tarifliche Zuschlag für Sonntagsnachtarbeit entfällt gem. § 11 Abs. 5 MTV auch nicht bei Wechselschichtarbeit oder zeitversetztem Dienst. (Rn. 42) (red. LS Ulf Kortstock)
Verfahrensgang
5 Ca 2239/15 2016-04-14 Urt ARBGKEMPTEN ArbG Kempten
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 14.04.2016 – 5 Ca 2239/15 – in Ziffern 2 und 3 abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.088,40 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2016 zu zahlen.
II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Von den erstinstanzlichen Kosten hat der Kläger 8/100 und die Beklagte 92/100 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 12/100 und der Beklagten zu 88/100 auferlegt.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Berufungen der Parteien sind zulässig (I.), jedoch ist nur die Berufung des Klägers begründet (II.). Die Berufung der Beklagten ist dagegen unbegründet (III.).
I.
Die nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaften Berufungen der Parteien sind formund fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist gemäß § 11 Abs. III Ziff. 1 MTV verpflichtet, an den Kläger weitere Zuschläge für in den Monaten Mai 2015 bis Oktober 2015 geleistete Nachtarbeit in Höhe von 4.088,40 € brutto zu zahlen. Diese Nachtarbeitszuschläge gemäß § 11 Abs. III Ziff. 1 MTV sind weder nach § 11 Abs. V Ziff. 2 Satz 1 und 2 MTV noch nach § 11 Abs. V Ziff. 2 Satz 3 und 4 MTV entfallen. Der Kläger leistete im streitgegenständlichen Zeitraum weder zeitversetzten Dienst im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 2 b) MTV noch regelmäßige Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV. Dies folgt aus der Auslegung des § 11 MTV.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhalts punkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, Urteil vom 07.10.2015 – 7 AZR 945/13 – NZA 2016, 441, Rn. 24 m.w.N. zu seiner Rechtsprechung).
2. Danach hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keinen zeitversetzten Dienst im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 b) MTV geleistet.
a) Nach dieser Tarifnorm liegt ein zeitversetzter Dienst vor, wenn 1. von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit mehr als drei Stunden abgewichen, 2. die geänderte Arbeitszeit nach den betrieblichen Notwendigkeiten einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer festgelegt und 3. mindestens 3 Tage vorher bekannt gegeben wird. Bereits der Begriff der „regelmäßigen … Normalarbeitszeit“, von der abgewichen wird, weist darauf hin, dass der zeitversetzte Dienst lediglich ausnahmsweise zum Tragen kommt. Die weitere Voraussetzung „nach den betrieblichen Notwendigkeiten einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer festgesetzt“ erfordert aufgrund des Abweichens von einer regelmäßigen Normalarbeitszeit eine nachträgliche Änderung der Arbeitszeit im betrieblichen Interesse der beklagten Arbeitgeberin und im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer.
b) Diese Voraussetzungen werden bei der dauerhaften Zuweisung der Schicht von 20:00 Uhr bis 05:00 Uhr an den Kläger aufgrund der jeweiligen Schichtpläne, die die Beklagte erstellt, nicht erfüllt.
Die Arbeitszeit des Klägers entsprach von vornherein dem Schichtplan. Sie wurde nicht nachträglich geändert. Es lag auch keine betriebliche Notwendigkeit für eine etwaige Abweichung von der regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit vor. Schließlich fehlt es an einem Einverständnis des Klägers mit einer „Abweichung“. Der Kläger wünscht generell die Ableistung von Dauernachtschichtarbeit. Darüber hinaus dürfte in einem Betriebsteil, in dem unstreitig in sechs Schichten gearbeitet wird, keine Normalarbeitszeit bestehen, es sei denn, die Normalarbeitszeit wird im Sinne der Schichtarbeit verstanden. Gegen die empirische Feststellung der „regelmäßigen, täglichen, betrieblichen Normalarbeitszeit“ in Bezug auf den Gesamtbetrieb, wie es die Beklagte für den Monat September 2015 vorgenommen hat, spricht die fehlende Praktikabilität: Die Beklagte müsste monatlich die Arbeitszeiten auf Basis der Arbeitszeitpläne für die gewerblichen und kaufmännischen Bereiche feststellen, um über die Frage, ob der Kläger und andere Arbeitnehmer im zeitversetzten Dienst gearbeitet hätten und deshalb Nachtzuschläge gemäß § 11 Abs. III MTV nach § 11 Abs. V Ziff. 2 i.V.m. Ziff. 1 b) MTV entfielen, entscheiden zu können.
3. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum auch keine regelmäßige Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV geleistet.
a) Nach § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV liegt Schichtarbeit vor, wenn in einem Betrieb oder Betriebsteil regelmäßig nach Schichtplan in mindestens zwei Schichten durchlaufend gearbeitet wird, wobei der Einsatz des Personals in regelmäßigem Wechsel zu erfolgen hat. Die Schichtarbeit ist regelmäßig im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 Satz 2 MTV, sofern sie länger als eine Woche dauert. Damit haben die Tarifvertragsparteien in § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV als Schichtarbeit Wechselschichtarbeit definiert, deren wesentliches Merkmal ist, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers regelmäßig wechseln (vgl. BAG, Urteil vom 12.03.2008 – 4 AZR 616/08 – NJOZ 2008, 4189, insbesondere Rn. 67).
b) Bereits nach dem Wortlaut unterfällt deshalb die Dauernachtschicht nicht der regelmäßigen Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV. Insoweit kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie entspreche lediglich dem Wunsch des Klägers bzw. sie habe das Bestimmungsrecht über den Einsatz in Wechsel- oder Dauerschicht dem Arbeitnehmer überlassen. Die Beklagte übt durch die Aufstellung von Schichtplänen, die dem Arbeitnehmer Arbeit zu einer bestimmten Schicht zuweist, ihr Direktionsrecht im Sinne des § 106 GewO aus. Die Bestimmung der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen umfasst auch das Interesse des Arbeitnehmers an einer bestimmten Lage der Arbeitszeit, das dieser vorab äußern kann. Deshalb begibt sich die Beklagte jedoch nicht ihres Direktionsrechts hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit.
Für diese Auslegung sprechen auch systematische Gründe. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem mit „Nachtarbeit“ überschriebenen § 11 Abs. III MTV bestimmt, dass für Nachtarbeit grundsätzlich Zuschläge in Höhe von 50% zum tariflichen Stundenlohn zu zahlen sind. Die Regelung in § 11 Abs. V Ziffer 2, wonach dieser Nachtarbeitszuschlag gemäß Abs. III unter den dort bestimmten Voraussetzungen entfällt, ist deshalb als Ausnahme zu verstehen. Dies bestätigt auch § 11 Abs. V Ziffer 3, der ausdrücklich festhält, dass bei Schichtarbeit von weniger als eine Woche die üblichen Zeitzuschläge vergütet werden. Ausnahmen von einer grundsätzlichen Regelung sind eng auszulegen (vgl. hierzu MünchKommBGB/Säcker, 6. Aufl. 2012, Eilnleitung Rn. 120 m.w.Nachw. und krit. Anm.).. Dementsprechend ist die durch Schichtpläne angeordnete Dauernachtarbeit nicht als regelmäßige Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV zu verstehen.
Dieses Verständnis wird gestützt durch den Sinn und Zweck der Zuschläge für Nachtarbeit. Sie dienen dem mittelbaren Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers vor den für ihn schädlichen Folgen der Nachtarbeit. Nachtarbeit ist nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen. Dabei steigt die Belastung und Beanspruchung der Beschäftigten nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Anzahl der Nächte pro Monat und die Anzahl der Nächte hintereinander, in denen Nachtarbeit geleistet wird. Die Anzahl der aufeinander folgenden Nachtschichten sollte daher möglichst gering sein, auch wenn viele Schichtarbeiter, die in einem Rhythmus von 5 oder mehr hintereinander-liegenden Nachtschichten arbeiten, subjektiv den Eindruck haben, dass ihr Körper sich der Nachtschicht besser anpasst. Dies trifft allerdings nicht zu. Insgesamt ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in desto größerem Umfang sie geleistet wird. Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14 -NZA 2016, 426, Rn. 17 m.w.N.; siehe auch ArbG Trier, Urteil vom 21.06.2016 – 3 Ca 1527/15 – BeckRS 2016, 71153 unter A. 2. b) aa) der Gründe). Durch den Nachtarbeitszuschlag wird die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen; Nachtarbeit soll für den Arbeitgeber weniger attraktiv sein.
Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Diese Zwecksetzung kann durch einen 50%-igen Nachtarbeitszuschlag, wie ihn § 11 Abs. III Ziff. 1 MTV vorsieht, erreicht werden, da er im mittleren Bereich der Bandbreite tariflich vereinbarter Nachtarbeitszuschläge von 10% bis 100% des tariflichen Bruttostundenlohns liegt (vgl. Poeche in Küttner, Personalbuch, 23. Aufl. 2016, Stichwort „Nachtarbeit“, Rn. 7). Für Arbeitnehmer, die dauerhaft auf Anweisung des Arbeitgebers Nachtarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes leisten, hat das Bundesarbeitsgericht einen Zuschlag wegen der damit verbundenen Mehrbelastung in Höhe von 30% auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl bezahlter freier Tage als angemessen im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG angesehen (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O., Rn. 28). Diesem Sinn und Zweck würde es widersprechen, Dauernachtschicht als regelmäßige Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) und Ziffer 2 S. 1 MTV anzusehen und damit den grundsätzlich in § 11 Abs. III vorgesehenen 50%-igen Nachtarbeitszuschlag entfallen zu lassen, obwohl Arbeitnehmer in Dauernachtschicht wie der Kläger die Erschwernisse haben, die mit Dauernachtschichtarbeit verbunden ist. Andererseits würden diesen Arbeitnehmern nicht einmal diejenigen Vorteile zuteil werden, die ihre Kollegen in regelmäßiger (Wechsel-)Schichtarbeit erhalten, nämlich Nachtarbeit in geringerem Umfange leisten zu müssen bei Erhalt eines Zuschlages von 10% auf den tariflichen Stundenlohn für alle Stunden, § 11 Abs. V Ziff. 2 Satz 1 und 2 MTV.
Die Auffassung, Zahlung des Nachtarbeitszuschlags in gleicher Höhe von 10% an die Arbeitnehmer der regelmäßigen Schichtarbeit im Sinne des § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV und an die Arbeitnehmer der Dauernachtschicht würde zudem die Frage aufwerfen, ob durch die tarifliche Regelung des § 11 Abs. V Ziff. 2 S. 2 MTV, wonach der Nachtarbeitszuschlag gemäß Abs. III bei regelmäßiger Schichtarbeit entfällt, noch den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG und die Grenzen des § 6 Abs. 5 ArbZG wahrt, zu deren Einhaltung auch die Tarifvertragsparteien verpflichtet sind (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O., Rn. 31). Da bei der Auslegung eines Tarifvertrags im Zweifel davon auszugehen ist, dass die Tarifvertragsparteien eine wirksame Regelung vereinbaren wollten (vgl. BAG, Urteil vom 17.02.2009 – 9 AZR 611/07 -NJOZ 2009, 2740), ist auch aus dem Grund davon auszugehen, dass die Tarifvertrags parteien zwischen den verschiedenen Gruppen der Schichtarbeiter durch die Definition der Schichtarbeit in § 11 Abs. V Ziff. 1 a) MTV haben differenzieren wollen. Dieses Argument wird bestätigt durch die bereits erwähnte Regelung in § 11 Abs. V Ziffer 3 MTV.
c) Die gegen diese Auslegung seitens des Beklagten vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.
Die Frage, ob regelmäßige Schichtarbeit vorliegt oder nicht, ist entsprechend der tarifvertraglichen Regelung in Bezug auf den Betrieb oder Betriebsteil beantwortet worden. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob der Kläger tarifvertraglich definierte regelmäßige Schichtarbeit leistet oder nicht. Die Zahlung der in § 11 MTV geregelten Zuschläge richtet sich nach der durch den einzelnen Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung. Dies kommt auch in § 11 Abs. I Ziff. 2 MTV zum Ausdruck, der die Zuschlagsberechtigung der angefangenen Arbeitsstunden regelt.
Die unterschiedliche Vergütung von Nachtarbeit auch in ein- und derselben Schicht im selben Betriebsteil ist durch ihre verschiedenen Regelungen in § 11 Abs. III Ziff. 1 und Abs. V Ziff. 2 MTV angelegt. Hiervon gingen ausweislich des § 11 Abs. I Ziff. 3 MTV, wonach nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen ist, auch die Tarifvertragsparteien aus. Solange es eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Vergütung von Nachtarbeit gibt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen vergütet auch die Beklagte Nachtarbeit schon jetzt unterschiedlich.
Die Argumentation der Beklagten im Übrigen stützt sich auf die Annahme eines zeitversetzten Dienstes bei Arbeitnehmern, die in Dauernachtschicht arbeiten. Ein solcher liege indessen nicht vor, so dass auch die argumentativen Ableitungen der Beklagten keine Grundlage (mehr) haben.
4. Dem Kläger sind deshalb die geltend gemachten 4.088,40 € brutto zuzusprechen. Die Beklagte hat den Umfang der geltend gemachten Stunden und die Berechnung des Klägers im Einzelnen gemäß seinen Schriftsätzen vom 29.01.2016 und 06.04.2016 nicht bestritten. Die tarifliche Ausschlussfrist greift nicht ein. Insoweit wird auf die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 06.04.2016, S. 19 und 20, Bezug genommen, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 BGB.
III.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht Kempten hat zu Recht und mit zutreffender Begründung dem Antrag auf Zahlung weiterer Zuschläge für die Sonntagsnachtarbeit gemäß § 11 Abs. IV Ziff. 3 b) MTV entsprochen.
1. Für die Tarifauslegung kommt es im Anschluss an die dargestellte ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf den Wortlaut der Tarifnorm an. § 11 Abs. V Ziff. 2 MTV lässt zwar den „Nachtarbeitszuschlag gemäß Abs. III“, nicht aber „die Zuschläge … für Sonntagsnachtarbeit“ nach Abs. IV Ziff. 3 b) MTV entfallen. Gegen die Auffassung der Beklagten, § 11 Abs. V Ziff. 2 MTV sei lex specialis für alle Nachtarbeitsstunden, spricht, dass es dann der ausdrücklichen Regelung zum Nachtzuschlag gemäß § 11 Abs. III MTV nicht bedurft hätte. Im Übrigen setzt § 11 Abs. V Ziff. 2 MTV regelmäßige Schichtarbeit oder zeitversetzten Dienst voraus, die beide im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
2. Für die Berechnung des Anspruchs wird auf die Entscheidungsgründe des erstin-stanzlichen Urteils Bezug genommen, die mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffen worden sind.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 516 Abs. 3 ZPO.
V.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.