Arbeitsrecht

Zuschuss zum Anpassungsgeld bei der RAG AG – Berücksichtigung der Grubenwehrzulage bei der Bemessung des Zuschusses

Aktenzeichen  1 AZR 433/16

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:191217.U.1AZR433.16.0
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
1. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Herne, 27. Januar 2015, Az: 3 Ca 2867/13, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 12. Mai 2016, Az: 11 Sa 520/15, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Mai 2016 – 11 Sa 520/15 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.
2
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des Steinkohlenbergbaus. Der seit 1977 beschäftigte Kläger wechselte 1981 zur Hauptstelle für das Grubenrettungswesen. Arbeitsvertraglich ist eine Tätigkeit als technischer Angestellter im Servicebereich Technik und Logistikdienste vereinbart. Der Kläger wurde zuletzt als technischer Angestellter nach der Gehaltsgruppe 16 Stufe 5 der Anlage 5 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus vergütet.
3
Die Beklagte ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, eine Grubenwehr vorzuhalten. Ihr gehört der Kläger seit seinem Wechsel zur Hauptstelle für das Grubenrettungswesen an. Die Ausgestaltung der Grubenwehr richtet sich nach dem von deren Hauptstelle für das Grubenrettungswesen Herne aufgestellten Plan für das Grubenrettungswesen. Dieser enthält ua. folgende Bestimmungen:
        
„3     
Grubenwehrmitgliedschaft
        
3.1     
Aufnahme in die Grubenwehr
        
        
Der Beitritt zur Grubenwehr ist freiwillig. Bewerbungen um Aufnahme werden an den Oberführer gerichtet. In der Grubenwehr werden als Wehrmänner nur Personen aufgenommen, die
        
        
–       
mindestens 18 und höchstens 40 Jahre alt sind,
        
        
–       
unmittelbar vor der Aufnahme mindestens ein Jahr unter Tage gearbeitet haben,
        
        
–       
nach ärztlicher Bescheinigung für den Dienst in der Grubenwehr geeignet sind (Abschnitt 3.3),
        
        
–       
gem. Abschnitt 4.1 des Plans ausgebildet wurden.
        
        
Nach Abschluss der Grundausbildung sind die Anwärter mit der Eintragung in die Mitgliederkartei in die Grubenwehr aufgenommen. Als Eintrittsdatum gilt dann der Tag der ersten Einstundenübung. Bei der Aufnahme wird ihnen der Plan für das Grubenrettungswesen ausgehändigt, dessen Empfang sie durch Unterschrift bestätigen. Aus den ‚Pflichten der Grubenwehrmitglieder‘ (Kap. 5) ergibt sich die für Grubenwehrmitglieder verbindliche Dienstanweisung.
        
        
…       
        
3.2     
Ausscheiden aus der Grubenwehr
        
        
Die Mitgliedschaft endet
        
        
–       
durch Austritt,
        
        
…       
        
        
        
–       
durch Ausschluß,
        
        
–       
durch Tod.
        
…       
        
        
        
5       
Pflichten der Grubenwehrmitglieder
        
5.1     
Grubenwehrmitglieder
        
        
Jedes Grubenwehrmitglied hat sich auf Eignung für den Dienst in der Grubenwehr (Punkt 3.3) untersuchen zu lassen.
        
        
Die Grubenwehrmitglieder sind verpflichtet, vor Übungen und Einsätzen dem Truppführer bzw. dem Oberführer zu melden, wenn sie sich körperlich nicht voll leistungsfähig fühlen. Das Grubenwehrmitglied hat den Oberführer über Krankheiten und Unfälle zu unterrichten, die eine wesentliche Beeinträchtigung für den Dienst in der Grubenwehr verursachen können. Das Grubenwehrmitglied hat dafür Sorge zu tragen, daß es den Anforderungen der Übungen und Einsätze durch ausreichende Kondition gewachsen ist. In den vom Oberführer bestimmten Abständen – jedoch mindestens zweimal im Jahr – hat sich das Grubenwehrmitglied unter Aufsicht einer Konditionsprüfung zu unterziehen …
        
        
Die Mitglieder der Grubenwehr leisten bei der Ausbildung und im Einsatz den Anweisungen des Oberführers oder des von ihm beauftragten Grubenwehrführers Folge.
        
        
Sie nehmen an den Übungen, Ausbildungen und Unterweisungen (Kapitel 4) planmäßig teil.
        
…       
        
        
5.4     
Oberführer
        
        
Der Oberführer ist für die Einhaltung und Durchführung der Regelungen verantwortlich, die im jeweils gültigen Plan für das Grubenrettungswesen festgelegt sind. Der Oberführer ist bei der Ausbildung, der Nachschulung und bei Einsätzen Vorgesetzter aller Gruppenwehrmitglieder.“
4
Die Oberführer, Truppführer und Hauptgerätewarte der Grubenwehr waren der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen und dem Bergamt als verantwortliche Personen iSd. §§ 58 bis 62 BBergG zu benennen. Hierzu erfolgte eine Bestellung durch die Beklagte unter Übergabe eines Schreibens. Ein solches erhielt der Kläger zuletzt im April 2005.
5
Der Kläger nahm an Übungen der Grubenwehr teil, die auch außerhalb seiner Arbeitszeit stattfanden. Hierfür erhielt er von der Beklagten Leistungen nach der Vorstandsrichtlinie „DSK VR 02/07 ‚Bezahlung der Gruben- und Gasschutzwehren‘“ nebst Anlagen 1 und 2 (VR 02/07). Diese lautet auszugsweise wie folgt:
        
„2     
Einsätze der Gruben- / Gasschutzwehr
        
        
Grundvergütung
        
        
Für einen Einsatz der Gruben- oder Gasschutzwehr erhalten die Mitglieder der Wehr den vorher verdienten Lohn bzw. Gehalt einschließlich der sonst gezahlten Zulagen.
        
        
Mehr-, Ruhetags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
        
        
Für Mehr-, Ruhetags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit werden neben der Grundvergütung die tariflichen Zuschläge bezahlt.
        
        
… Bei dieser Regelung handelt es sich nicht um eine Mehrarbeitsvergütung im Sinne des Arbeitsvertrages.
        
        
…       
        
3       
Übungen innerhalb der Schicht
        
        
Übungen innerhalb der Schichtzeit sind grundsätzlich vorzuziehen, da hier in der Regel keine physische Vorbelastung die Atemschutzübungen erschwert und ein ausreichender Zeitrahmen für die theoretische Ausbildung zur Verfügung steht.
        
        
… Für eine Übung / Unterweisung innerhalb der Schicht erhalten die Mitglieder der Wehr den vorher verdienten Lohn bzw. die Bezüge einschließlich der sonst gezahlten Zulagen.
        
        
…       
        
4       
Übungen außerhalb der Schicht
        
        
Die Pauschalen und Stundensätze für Übungen außerhalb der Schicht beinhalten den gesamten zeitlichen Aufwand inklusive einer Zulage für das Tragen der Atemschutzgeräte im Rahmen einer praktischen Übung … .
        
        
…       
        
5       
Unterweisungen / Teilnahme
        
        
Für eine Unterweisung innerhalb der Schicht erhalten die Mitglieder der Wehr den vorher verdienten Lohn bzw. Gehalt einschließlich der sonst gezahlten Zulagen.
        
        
Die Stundensätze für Unterweisungen außerhalb der Schicht beinhalten den gesamten zeitlichen Aufwand. Abgerechnet werden die tatsächlichen Unterweisungszeiten.“
6
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete mit Ablauf des 30. April 2007. Im unmittelbaren Anschluss bezog er bis zum 30. April 2012 ein Anpassungsgeld auf der Grundlage der „Richtlinien zur Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Steinkohlenbergbaus“. Von der Beklagten erhielt er nach dem „Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm der Deutschen Steinkohle AG“ vom 25. Juni 2003 (GSP 2003) einen monatlichen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Der GSP 2003 bestimmt ua.:
        
„§ 2   
        
Arbeitnehmer, die mit Anspruch auf Anpassungsgeld oder Knappschaftsausgleichsleistung ausscheiden
        
Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen APG-Richtlinien haben, … erhalten folgende Leistungen:
        
…       
        
        
7.     Zuschuss zum Anpassungsgeld
           
        
        
(1)     
DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld ohne Abzug der in Ziff. 4.1.2 der APG-Richtlinien genannten Leistungen das Garantieeinkommen nicht erreicht.
        
        
…       
        
        
        
(3)     
Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.
        
        
        
Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt.“
7
Der Kläger hat geltend gemacht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei unter Einbeziehung der Grubenwehrzulage zu berechnen. Es handele sich um Entgelt iSd. GSP 2003. Ihm stünden deshalb für den Zeitraum von Mai 2007 bis April 2012 monatlich jeweils weitere 97,44 Euro brutto zu.
8
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.846,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus monatlich jeweils 97,44 Euro, erstmals ab dem 1. Juni 2007, letztmals ab dem 1. Mai 2012 zu zahlen;
        
2.    
…       
9
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
10
Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit einer Maßgabe hinsichtlich des Zinsbeginns des ausgeurteilten Betrags zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt sie weiterhin die vollständige Klageabweisung.


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