Arbeitsrecht

Zweites Versäumnisurteil in der Berufungsinstanz bei begründeten Zweifeln an der Prozessfähigkeit einer Partei

Aktenzeichen  III ZR 344/20

Datum:
8.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:080721UIIIZR344.20.0
Normen:
§ 51 ZPO
§ 335 Abs 1 Nr 1 ZPO
§ 345 ZPO
§ 514 ZPO
§ 565 ZPO
§ 104 Nr 2 BGB
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Leitsatz

Bei der Prozessfähigkeit handelt es sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu klären ist. Bestehen begründete Zweifel an der Prozessfähigkeit einer Partei beziehungsweise sind die zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeiten noch nicht erschöpft, darf deshalb ein gegen sie gerichtetes Versäumnisurteil nicht ergehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 10. Oktober 1985 – IX ZR 73/85, NJW-RR 1986, 157).

Verfahrensgang

vorgehend OLG Karlsruhe, 26. November 2019, Az: 17 U 166/15vorgehend LG Karlsruhe, 3. September 2015, Az: 7 O 21/14

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das zweite Versäumnisurteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. November 2019 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte neben J.   M.   (deren Ehegatte und früherer Beklagter zu 1, gegen den das Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist) aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf Schadensersatz, hilfsweise auf Rückerstattung eines als Darlehen gewährten Geldbetrags in Anspruch. J.   M.    – in dessen Büro auch die Beklagte tätig war – betreute die Klägerin und deren Ehemann bei der Anlage ihres Vermögens. Auf seine Empfehlung überließen die Klägerin und ihr Ehemann ihm in den Jahren 2007 und 2008 Geld, mit dem nach ihrem Vortrag Stillhaltergeschäfte getätigt werden sollten. Die Einzelheiten – unter anderem auch die Rolle der Beklagten – sind streitig. Die Klägerin und ihr Ehemann erlitten einen Totalverlust. Sie wirft der Beklagten und J.   M.     vor, sie über die Risiken des Geschäfts vorsätzlich getäuscht zu haben.
2
Das Landgericht hat J.   M.    – gestützt auf § 488 BGB – zur Rückzahlung von 207.754,98 € nebst Zinsen verurteilt; die gegen die Beklagte gerichtete Klage hat es abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung mit dem Ziel einer gesamtschuldnerischen Verurteilung auch der Beklagten eingelegt. Die seit längerem in psychiatrischer Behandlung befindliche Beklagte hat sich unter anderem auf ihre Prozessunfähigkeit berufen. Nach Wiederaufnahme des mehrere Jahre wegen eines parallel gegen J.   M.   und die Beklagte geführten Strafprozesses ausgesetzten Verfahrens hat das Berufungsgericht im Dezember 2018 ein Gutachten über die Prozessfähigkeit der Beklagten in Auftrag gegeben. Ihre persönliche Exploration hat diese jedoch zunächst mit der Begründung verweigert, ihr bereits im Dezember 2015 gestellter Prozesskostenhilfeantrag sei noch nicht beschieden worden, und sie sei außerstande, die Kosten zu tragen. In der Folge ist ein Gutachten nach Aktenlage erstellt worden, auf deren Grundlage sich die Prozessunfähigkeit der Beklagten nicht hat feststellen lassen. Nach Eingang des Gutachtens hat sich die Beklagte – der schließlich Prozesskostenhilfe gewährt worden war – doch noch bereit erklärt, sich explorieren zu lassen, wozu es jedoch nicht mehr gekommen ist.
3
Die Vorsitzende des Berufungssenats hat Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung auf den 13. August 2019 anberaumt, zu dem für die Beklagte niemand erschienen ist. Daraufhin ist gegen sie ein (erstes) Versäumnisurteil ergangen, mit dem sie neben J.   M.    zur Zahlung von 207.754,98 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Dagegen hat die Beklagte (rechtzeitig) Einspruch eingelegt. Zu dem auf den 26. November 2019 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache ist für die Beklagte wiederum niemand erschienen, woraufhin ein zweites Versäumnisurteil ergangen ist.
4
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die sich weiterhin auf ihre fehlende Prozessfähigkeit beruft.


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