Aktenzeichen M 2 K 14.5436
Leitsatz
Ein Grundstück, das an eine Anbaustraße und an einen diese Anbaustraße mit einer weiteren Anbaustraße verbindenden unbefahrbaren Weg grenzt, wird außer durch die erste Anbaustraße und den unbefahrbaren Weg auch durch die zweite Anbaustraße erschlossen, sofern das Grundstück nach Bebauungsrecht durch diese zweite Anbaustraße straßenmäßig erschlossen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 4. November 2014 werden aufgehoben, soweit ein Beitrag von mehr als 3.288,50 € festgesetzt wurde und der Kläger insoweit zur Zahlung aufgefordert wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der von der Beklagten für den klägerischen Miteigentumsanteil von 516,09/1000 an dem Grundstück Fl.Nr. … festgesetzte Erschließungsbeitrag ist nur insoweit rechtmäßig, als ein Beitrag von 3.288,50 € festgesetzt und zur Zahlung fällig gestellt wurde. Soweit im Bescheid vom 28. November 2011 ein höherer Erschließungsbeitrag festgesetzt und ein höherer Betrag zur Zahlung fällig gestellt wurde, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; insoweit waren dieser Bescheid und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 4. November 2014 aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Bescheid rechtmäßig ist, war die Klage hingegen abzuweisen. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Der Bescheid der Beklagten beruht auf Art. 5 a Abs. 1 KAG i. V. m. §§ 127 ff. BauGB i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten in der Fassung vom 5. Dezember 1989, zuletzt geändert durch Satzung vom 10. Februar 2011. Nach diesen Vorschriften erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag (§ 127 Abs. 1 BauGB). Erschließungsanlagen sind u. a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden (§ 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Beiträge können nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschießungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Gemeinden regeln durch Satzung u. a. die Verteilung des Aufwands (§ 132 Nr. 2 BauGB).
Vorliegend konnte die Beklagte für den Abschnitt … Straße Erschließungsbeiträge erheben (sogleich 1.). Auch begegnet die Ermittlung des Umfangs des beitragsfähigen Erschließungsaufwands durch die Beklagte keinen durchgreifenden Bedenken (sogleich 2.). Hingegen war die Verteilung des Aufwands in diversen Punkten zu korrigieren (sogleich 3.), weshalb sich im Ergebnis eine Beitragsreduzierung auf 3.288,50 € ergibt. Sonstige Gesichtspunkte, wie insbesondere der vom Kläger vorgebrachte Grundsatz der Abgabengerechtigkeit oder das Äquivalenzprinzip, stehen der Beitragserhebung nicht entgegen (sogleich 4.).
1. Die Beklagte konnte den Erschließungsbeitrag für den Abschnitt … Straße erheben.
Nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten gebildet werden (§ 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB).
Vorliegend ist die … Straße für sich betrachtet keine einzelne Erschließungsanlage. Vielmehr setzt sich diese bei natürlicher Betrachtungsweise (vgl. dazu BayVGH, B. v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rdnr. 23 m. w. N.) im Norden über die … Straße hinweg im … Weg fort. Gleichwohl konnte die Beklagte den Erschließungsbeitrag aufgrund der mit Beschluss des Gemeinderats vom 25. Oktober 2005 vorgenommenen Abschnittsbildung für den Bereich ab der Straße „Am …“ bis zur … Straße, also für den Bereich der … Straße, gesondert ermitteln. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB liegen vor: Zu den „örtlich erkennbaren Merkmalen“ gehören u. a. auch Querstraßen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 14 Rdnr. 21 m. w. N.; Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Rdnr. 711 m. w. N.) wie vorliegend die … Straße. Den zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Willkürverbot notwendigen und ursprünglich fehlenden Vergleich zwischen den berücksichtigungsfähigen Kosten je Quadratmeter Straßenfläche der erstmaligen Herstellung des abgerechneten Abschnitts der … Straße von der Straße „Am …“ bis zur … Straße und den entsprechenden Kosten des anderen Abschnitts nördlich der … Straße (… Weg) hat die Beklagte bezogen auf den Zeitpunkt der Abschnittsbildung nachgeholt. Dabei hat sich ergeben, dass sich die Kosten für die … Straße mit 78,53 €/qm nur geringfügig von den Kosten für den … Weg mit 76,25 €/qm unterscheiden, mithin die Kosten des abgerechneten Abschnitts nur unerheblich höher liegen als die Kosten des anderen Abschnitts. Im Hinblick auf das Willkürverbot erheblich ist erst eine Kostendifferenz von mehr als einem Drittel, was vorliegend offensichtlich nicht erreicht wird (zum Ganzen Driehaus, a. a. O., § 14 Rdnr. 25 ff. m. w. N., Matloch/Wiens, a. a. O., Rdnr. 720, 723 m. w. N.). Etwaige sonstige Mängel, an denen die Abschnittsbildung noch leiden könnte, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
2. Auch die Ermittlung des Umfangs des beitragsfähigen Aufwands durch die Beklagte begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die diversen Rügen des Klägers zeigen keine rechtlich relevanten Mängel auf:
In diesem Zusammenhang ist grundlegend zu berücksichtigten, dass die Beklagte auf die „tatsächlich entstandenen Kosten“ (§ 130 Abs. 1 BauGB, vgl. dazu Driehaus, a. a. O., § 13 Rdnr. 2 ff. m. w. N., § 14 Rdnr. 4 m. w. N.) abstellen kann. Dabei besteht nicht nur bezüglich der anlagenbezogenen (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB), sondern auch hinsichtlich der kostenbezogenen Erforderlichkeit ein weiter Beurteilungsspielraum der Beklagten (dazu Driehaus, a. a. O., § 15 Rdnr. 17 ff. m. w. N.).
Davon ausgehend ist etwa die vielfältig vorgebrachte Rüge des Klägers, es fehle ein Nachweis hinsichtlich der von der Fa. Preis mit Rechnung vom 4. Dezember 2006 in Rechnung gestellten Positionen (siehe etwa die Ziffern 1., 2., 3., 6. der Aufstellung des Herrn … … in der vom Kläger zuletzt vorgelegten Fassung vom 27. November 2014, also z. B., es fehle ein Nachweis der in Rechnung gestellten Massen), nicht beachtlich. Denn der weite Ermessensspielraum der Beklagten hinsichtlich der kostenbezogenen Erforderlichkeit umfasst u. a. auch ihre Entscheidung, einzelne Positionen in der Unternehmerrechnung anzuerkennen und zu bezahlen (Driehaus, a. a. O., § 15 Rdnr. 19).
Soweit der Kläger mehrfach rügt, bestimmte Leistungen seien nicht erforderlich gewesen (siehe etwa hinsichtlich der Rechnung der Fa. … die Ziffern 5. und 10. sowie hinsichtlich der Rechnung der Fa. … vom 22. Mai 2007 die Ziffern 1. und 3. der Aufstellung des Herrn … in der Fassung vom 27. November 2014, also z. B., es wäre kein Frostschutzkies erforderlich gewesen, der vorhandene Frostschutzkies hätte nicht ausgebaut werden müssen), ist ihm auch diesbezüglich der weite Ermessensspielraum der Beklagten bezüglich der kostenbezogenen Erforderlichkeit entgegenzuhalten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass derartige Kosten in einer für die Beklagte erkennbaren Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht hätten, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. zu dieser Grenze des gemeindlichen Ermessens: Driehaus, a. a. O., § 15 Rdnr. 17 m. w. N.), sind nicht erkennbar geworden.
Nicht mit Erfolg beanstanden kann der Kläger ferner, die Fa. … und auch die Fa. … hätten in vielfältiger Weise falsch abgerechnet (siehe etwa die Ziffern 4., 7., 8., 9. zur Rechnung Fa. … sowie die Ziffer 2. zur Rechnung Fa. … gemäß der Aufstellung des Herrn … in der zuletzt vorgelegten Fassung vom 27. November 2014). Diese Rügen des Klägers verkennen wiederum den Ermessensspielraum der Beklagten, der auch die Entscheidung umfasst, einzelne Positionen in der Unternehmerrechnung anzuerkennen und zu bezahlen (Driehaus, a. a. O., § 15 Rdnr. 19).
Sachlich unzutreffend ist schließlich die wiederholt erhobene Rüge des Klägers (vgl. z. B. Ziffer 11. der Aufstellung des Herrn … vom 27. November 2014), es sei ein Betrag für Plan und Bauleitung angesetzt worden, obwohl das beauftragte Ingenieurbüro diese Leistungen gar nicht erbracht habe. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2016 eingehend erläutert, wie sich der für Planungs- und Bauleiterkosten in den Aufwand einbezogene Betrag von insgesamt 35.156,25 € zusammensetzt, und anhand der in der vorgelegten Behördenakte befindlichen Einzelrechnungen aufgezeigt, dass die jeweiligen Teilbeträge auch tatsächlich von den Unternehmern in Rechnung gestellt wurden (vgl. dazu Leitzordner I, Abschnitt VI., 9. Unterabschnitt der Behördenakte).
3. Hinsichtlich der Frage, auf welche Grundstücke der Aufwand mit welchem Maß zu verteilen ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB, § 132 Nr. 2 BauGB i. V. m. § 6 EBS) ist auf Folgendes besonders hinzuweisen:
a) Zusätzlich heranzuziehen waren die an dem „Weg neben Anwesen Am … 6, 6a zur …straße“ (Fl.Nr. … TF) anliegenden Grundstücke Fl.Nrn. …, … und … Gemarkung … sowie die an dem „Weg neben Anwesen … Str. 19 zur …straße“ (Fl.Nr. …) anliegenden Grundstücke Fl.Nrn. … und … Gemarkung …
Auch diese Grundstücke werden durch den abgerechneten Abschnitt … Straße im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen. Denn ein Grundstück, das an eine Anbaustraße und an einen diese Anbaustraße mit einer weiteren Anbaustraße verbindenden unbefahrbaren Weg grenzt, wird außer durch die erste Anbaustraße und den unbefahrbaren Weg auch durch die zweite Anbaustraße erschlossen, sofern das Grundstück nach Bebauungsrecht durch diese zweite Anbaustraße straßenmäßig erschlossen ist. Dies hier der Fall: Bei den beiden Wegen handelt es sich um unbefahrbare öffentliche Wege (jeweils Widmung als beschränkt-öffentlicher Weg mit der Zweckbestimmung „Gehweg“), die den jeweils an ihnen anliegenden Wohngrundstücken nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBO eine straßenmäßige Erschließung durch die … Straße als Abschnitt einer Anbaustraße vermitteln. Die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind jeweils erfüllt, da die begrenzte Länge, bei der keine Bedenken wegen des Brandschutzes oder des Rettungsdienstes bestehen, bis zu 80 m reicht und vorliegend offensichtlich hinsichtlich keines Grundstücks überschritten wird (zum Ganzen: BayVGH, B. v. 19.12.2005 – 6 ZB 03.1265 – juris Rdnr. 4, Driehaus, a. a. O., § 17 Rdnr. 112 a.E. m. w. N.; Matloch/Wiens, a. a. O., Rdnr. 832 m. w. N.).
Im Hinblick darauf, dass diese Wohngrundstücke zusätzlich jeweils durch eine weitere Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen werden, für die Erschließungsbeiträge erhoben worden sind oder noch erhoben werden, nämlich die …straße bzw. den … Weg, war jeweils gemäß § 6 Abs. 11 EBS eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung zu gewähren.
b) Hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. … war im Hinblick auf den … Weg eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung (§ 6 Abs. 11 EBS) zu berücksichtigen.
c) Im Ergebnis zu Recht hat der Kläger gerügt, dass die Grundstücke Fl.Nrn. … sowie … Gemarkung … – dabei handelt es sich um Grundstücke im Bereich des Fußgängerbereichs „Am …“ – ursprünglich nicht in die Verteilung einbezogen waren. Zwar können die vom Kläger hierzu vorgebrachten Argumente nicht überzeugen. Heranzuziehen sind diese Grundstücke allerdings als Hinterliegergrundstücke, die über die Vorderlieger Fl.Nrn. …/2 bzw. … Gemarkung … von dem abgerechneten Abschnitt im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen sind.
Das Gericht geht davon aus, dass diese Hinterliegergrundstücke schon deshalb erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB sind, weil zugunsten des Freistaats Bayern als Träger der unteren Bauaufsichtsbehörde beschränkt-persönliche Dienstbarkeiten bestehen (so der Widerspruchsbescheid S. 9; vgl. dazu BayVGH, B. v. 2.12.2005 – 6 CS 05.1522 – juris Rdnr. 16). Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, inwieweit es für ein Erschlossensein im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB auch ausreicht, dass ein Zugang bzw. eine Zufahrt zu diesen Hinterliegergrundstücken über die unter dem Fußgängerbereich „Am …“ und diesen Grundstücken liegende Tiefgarage mit ausschließlicher Zu- und Abfahrt zur … Straße über die Vorderliegergrundstücke (vgl. dazu den in der mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2015 übergebenen Plan der Tiefgarage) möglich ist. Insoweit liegt es durchaus nahe, nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 24.2.2010 – 9 C 1/09 – juris Rdnr. 33 f. und 38) bzw. des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 2.12.2005 – 6 CS 05.1522 – juris Rdnr. 14) allein wegen der tatsächlich bestehenden Zufahrt von einem Erschlossensein im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB auszugehen. Es kann auch dahingestellt bleiben, inwieweit es sich bei diesen Grundstücken um sog. nicht-gefangene Hinterliegergrundstücke handelt, da diese tatsächlich angelegte Zufahrt über die Tiefgarage zeigt, dass mit relevanter Wahrscheinlichkeit typischerweise mit einer Inanspruchnahme des abgerechneten Abschnitts … Straße zu rechnen ist (vgl. dazu etwa BayVGH, U. v. 20.10.2011 – 6 B 09.2043 – juris Rdnr. 18 m. w. N.; Driehaus, a. a. O., § 17 Rdnr. 97 f.).
Soweit Teilflächen der Grundstücke Fl.Nrn. … und … im Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt bzw. als öffentliche Straße gewidmet sind, mussten diese Teilflächen unberücksichtigt bleiben. Denn Grundflächen anderer Erschließungsanlagen im Sinne des § 123 Abs. 2 BauGB oder § 127 Abs. 2 BauGB bleiben außer Betracht (Driehaus, a. a. O. § 17 Rdnr. 60 m. w. N.).
Hinsichtlich Fl.Nr. … hat die Beklagte in der Vergleichsberechnung zu Recht 0,5 der Grundstücksfläche in die Verteilung einbezogen. Aufgrund der Festsetzung des Bebauungsplans ist von einem beitragspflichtigen Grundstück ohne bauliche Nutzungsmöglichkeit oder mit nur untergeordneter baulicher Nutzungsmöglichkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 EBS auszugehen.
Im Hinblick darauf, dass die Wohngrundstücke Fl.Nrn. …, … und … zusätzlich jeweils durch eine weitere Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen werden, für die Erschließungsbeiträge erhoben worden sind oder noch erhoben werden, nämlich den … Weg bzw. die … Straße, war jeweils gemäß § 6 Abs. 11 EBS eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung zu gewähren. Diesem Ergebnis steht der Einwand des Klägers, in früheren Gerichtsverfahren (VG München, B. v. 11.12.2006 – M 2 S 06.2752 -; BayVGH, B. v. 27.9.2007 – 6 CS 07.39 – juris) sei judiziert worden, diese Grundstücke seien nicht vom … Weg erschlossen, nicht entgegen: In den zitierten Gerichtsentscheidungen geht es um die „nordwestlich dem Marktplatz anliegenden Grundstücke“ (BayVGH, a. a. O., juris Rdnr. 11), jene sind (offensichtlich) nicht vom … Weg erschossen, nicht hingegen um die südöstlich des Fußgängerbereichs „Am …“ anliegenden Grundstücke Fl.Nrn. … und … Für die übrigen am Fußgängerbereich „Am …“ anliegenden Grundstücke war keine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung zu gewähren, insbesondere nicht im Hinblick auf die Anlage „Am …“. Bei dieser handelt es sich nicht um eine Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, § 6 Abs. 11 EBS sieht indes nur hinsichtlich Anbaustraßen eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung vor.
d) Das Grundstück Fl.Nr. … Gemarkung … – eine private Wegefläche – war mit 0,5 der Grundstücksfläche heranzuziehen. Bei derartigen Grundstücken handelt es sich in ständiger Rechtsprechung der Kammer um beitragspflichtige Grundstücke ohne bauliche Nutzungsmöglichkeit oder mit nur untergeordneter baulicher Nutzungsmöglichkeit im Sinne des § 6 Abs. 4 EBS.
e) Jene Teilfläche des Rathausgrundstücks Fl.Nr. …, welche im Bebauungsplan als öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt ist, musste unberücksichtigt bleiben. Denn Grundflächen anderer Erschließungsanlagen bleiben außer Betracht (Driehaus, a. a. O. § 17 Rdnr. 60 m. w. N.). Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass die private Wegefläche Fl.Nr. … heranzuziehen ist, denn bei letzterer handelt es sich nicht um eine andere Erschließungsanlage im Sinne des § 123 Abs. 2 BauGB oder § 127 Abs. 2 BauGB.
f) Hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. … war entgegen der Auffassung der Beklagten keine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung nach § 6 Abs. 11 EBS im Hinblick auf die Straße „Am …“ zu gewähren. § 6 Abs. 11 EBS setzt voraus, dass ein Grundstück von mehr als einer Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten. Vorliegend war indes die Beklagte gemäß ihren Angaben im Schreiben 7. Dezember 2015 zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten für den abgerechneten Abschnitt … Straße durch den Beschluss zur Kostenspaltung am 18. Oktober 2011 zwar schon Eigentümerin der Straßenflächen, die Widmung der Straße „Am …“ erfolgte indes erst am 2. April 2012. Mithin wurde das Grundstück Fl.Nr. … zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten nicht von einer zweiten öffentlichen Straße und damit nicht von einer zweiten Anbaustraße im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erschlossen.
4. Sonstige Gesichtspunkte, wie insbesondere der vom Kläger vorgebrachte Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das Äquivalenzprinzip, stehen der Beitragserhebung nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung des Klägers wird insbesondere weder gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit noch gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen, weil der abgerechnete Abschnitt nicht nur der Erschließung der an dem früheren Provisorium im nordwestlichen Bereich der heutigen … Straße anliegenden Grundstücke, sondern auch – der Kläger behauptet zu 90% – der Erschließung der im mittleren und südöstlichen Bereich der … Straße anliegenden Grundstücke des neuen Ortszentrums sowie dem allgemeinen Verkehr dient. Der Kläger übersieht, dass ja auch die im neuen Ortszentrum gelegenen Grundstücke entsprechend den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben bei der Verteilung des Aufwands berücksichtigt werden, was zu einer Minderung seines Erschließungsbeitrags führt. Der allgemeine Durchgangsverkehr ist – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – durch den gemeindlichen Eigenanteil von 10% hinreichend berücksichtigt. Für ganz außergewöhnliche Umstände, bei denen angenommen werden könnte, es dürfe in den Fällen der Aufnahme von Durchgangsverkehr nicht bei dem in § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB angeordneten Mindestgemeindeanteil sein Bewenden haben, gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte (vgl. dazu Driehaus, a. a. O., § 16 Rdnr. 5 m. w. N.).
Abschließend ist festzustellen: Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ergibt sich für den klägerischen Miteigentumsanteil von 516,09/1000 an dem Grundstück Fl.Nr. … ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 3.288,50 €. Soweit die Beklagte bei ihrer mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2015 vorgelegten Vergleichsberechnung mit 3.326,24 € einen höheren Betrag ermittelt hat, beruht dies darauf, dass sie zu Unrecht hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. … eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung berücksichtigt hat. Das Gericht hat die Beteiligten hierauf in der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2016 hingewiesen. Korrigiert man die Vergleichsberechnung insoweit, so ergibt sich für den Miteigentumsanteil an Fl.Nr. … eine weitergehende Beitragsreduzierung auf 3.288,50 €, wie das Gericht zur Vermeidung von Verzögerungen selbst berechnet hat (vgl. den Vermerk in der Gerichtsakte).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.634,84 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.