Baurecht

Anfechtungsklage der (Erst-)Käuferin gegen aufgrund von Erhaltungssatzungen ausgeübte gemeindliche Vorkaufsrechte, Erhaltungssatzungen „J* …platz“ und „H* …platz/H* …straße“, Anwendbarkeit und Auslegung des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB in Erhaltungssatzungsgebieten, Geeignetheit einer Abwendungserklärung (verneint), Belegungs- / Mietpreisbindung, Vorkaufsrechtsausübung zugunsten Dritter, Ermächtigung des Geschäftsführers durch Prokuristen bei unechter Gesamtvertretung, Anscheinsvollmacht

Aktenzeichen  M 8 K 19.5422

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46263
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
BauGB § 24 Abs. 3
BauGB § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 4
BauGB § 26 Nr. 4 Alt. 2
BauGB § 27 Abs. 1 S. 1
BauGB § 27a Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GmbHG § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
AktG analog §§ 78 Abs. 4 S. 2
HGB analog 125 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
1.1. Insbesondere ist sie als gegen die Bescheide der Beklagten vom 27. September 2019 gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) statthaft. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch (privatrechtsgestaltenden) Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB, Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Sie stellt sich auch gegenüber dem Grundstückskäufer als belastender Verwaltungsakt dar, gegen den dieser sich mit Anfechtungsklage wehren kann. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt ein Kaufvertrag zwischen der Gemeinde bzw. dem Begünstigten des Vorkaufsrechts und dem Verkäufer unter den Bedingungen zustande, die mit dem Erstkäufer vereinbart worden sind. Für Erstkäufer äußert sich privatrechtsgestaltende Wirkung des Verwaltungsakts darin, dass sein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks vom Verkäufer nicht mehr erfüllt werden kann (BVerwG, B.v. 30.09.2009 – 4 B 52.09 – juris Rn. 5; B.v. 14.4.1994 – 4 B 70.94 – juris; B.v. 15.2.2000 – 4 B 10/00 – juris Rn. 5; B.v. 25.5.1982 – 4 B 98.82 – juris Rn. 3). Die Klägerin ist insofern auch klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. dazu BVerwG, B.v. 17.10.2001 – 4 B 68/01 – juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 37).
1.2. Die beiden Klagebegehren (Ziffer 1 und 2 des Klageantrags) können zusammen im vorliegenden Verfahren verfolgt werden, da die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) vorliegen.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 27. September 2019 formell und materiell rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Ausübung der Vorkaufsrechte im Geltungsbereich von sozialen Erhaltungssatzungen gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, jeweils zugunsten der Beigeladenen zu 1., ist in beiden Vorkaufsrechtsfällen § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2, Abs. 3 Satz 1 BauGB.
Hiernach steht der Gemeinde beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung ein Vorkaufsrecht zu. Dieses darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2, Abs. 3 Satz 1 BauGB). Gem. § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde das ihr zustehende Vorkaufsrecht zugunsten eines Dritten ausüben, wenn das im Wege der Ausübung des Vorkaufsrechts zu erwerbende Grundstück für Zwecke der sozialen Wohnraumförderung oder die Wohnbebauung für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf genutzt werden soll und der Dritte in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu bebauen, und sich hierzu verpflichtet. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2020 – 15 ZB 19.1987 – juris Rn.17; VG München, U.v. 22.7.2002 – M 8 K 01.3667 – juris Rn. 21; Stock in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 66).
2.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Vorkaufsrechte nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2, Abs. 3 BauGB liegen vor.
2.1.1. Die betroffenen Grundstücke lagen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidungen (und liegen noch) im Geltungsbereich von Erhaltungssatzungen.
Gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde durch Bebauungsplan oder durch sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Solche sog. Milieuschutzsatzungen liegen hier mit der Erhaltungssatzung „J* …platz“ und der Erhaltungssatzung „H* …platz/H* …straße“ vor. Ihr Ziel ist jeweils die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Gebiet, wobei schutzwürdig grundsätzlich jede Art von Wohnbevölkerung im Gebiet ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.6.1997 – 4 C 2.97 – juris Rn. 15). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Satzungen sind weder vorgetragen noch erkennbar.
2.1.2. Der Vorkaufsfall ist mit dem Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrags vom 25. Juli 2019 zwischen der Beigeladenen zu 2. und der Klägerin eingetreten. Dass hier eine sog. Portfoliotransaktion vorliegt, d.h. ein Kaufvertrag über eine Vielzahl von Grundstücken geschlossen wurde, hindert nicht die Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich (nur) einzelner Grundstücke aus dem Portfolio (vgl. Grziwotz, in: BeckOK, BauGB, Stand 1.11.2020, § 24 Rn. 9; VG Göttingen, U.v. 12.5.2016 – 2 A 141/15 – juris Rn. 31).
2.1.3. Die Ausübung der Vorkaufsrechte ist auch durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Der unbestimmte Rechtsbegriff unterliegt uneingeschränkter gerichtlicher Prüfung (BVerwG, B.v. 26.4.1993 – 4 B 31/93 – juris Rn 37; B.v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 – juris Rn. 3). Die Bejahung der Allgemeinwohlrechtfertigung verlangt eine Interessenabwägung, bei der das gesetzlich anerkannte Erwerbsmotiv der Gemeinde ein solches Gewicht haben muss, dass dahinter das entgegenstehende Interesse der Vertragsparteien an freier Disposition zurückzutreten hat (BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 16; OVG Koblenz, U.v. 12.4.2011 – 8 A 11405/10 – juris Rn. 34; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 65 b). Das von § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufgestellte Erfordernis, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts vom Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein muss, bedeutet nicht, dass die Voraussetzungen einer Enteignung erfüllt sein müssten. Gemäß § 87 Abs. 1 BauGB ist die Enteignung im einzelnen Falle nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Es liegt schon nach dem unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften auf der Hand, dass an die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts – als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) – nicht die gleichen strengen Anforderungen wie an die Zulässigkeit einer Enteignung gestellt werden können (BVerwG, B.v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 46 ff.; BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 15 ZB 17.318 – juris Rn. 13 m.w.N; vgl. zur Einordnung des Vorkaufsrechts als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung: BVerwG, B.v. 7.11.2000 – 6 B 19.00 – juris Rn. 2 (zum naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht); OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 46 ff. m.w.N.). Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (vgl. BVerwG, B.v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 49 f.; VGH BW, U.v. 24.9.2019 – 5 S 1733/17 – juris Rn. 72 zu § 25 BauGB; BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 15 ZB 17.318 – juris Rn. 13; U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 16; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 64; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 24 Rn. 20).
Ob das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt, hat sich im Einzelnen an den Zielen zu orientieren, die mit den einzelnen Tatbeständen in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 BauGB verfolgt werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.2010 – 4 B 53.09 – juris Rn. 5 ff.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 51). Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nur dann durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt i.S.v. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn damit im Einzelfall dem jeweils angegebenen, sich im gesetzlichen Zulässigkeitsrahmen bewegenden Verwendungszweck entsprochen wird (vgl. BVerwG, B.v. 15.2.1990 -4 B 245.89 – juris Rn. 3). Es ist daher nach Zweck und Zielrichtung des jeweiligen Vorkaufsrechts zu differenzieren. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB) ist die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt, wenn Belange des § 172 BauGB auf dem Spiel stehen, wenn also erhaltungswidrige Entwicklungen zu befürchten sind. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt daher die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn sie das Erhaltungsziel der Satzung fördert, insbesondere wenn sie dazu beitragen kann, erhaltungswidrigen Entwicklungen vorzubeugen, die der Käufer/die Käuferin voraussichtlich beabsichtigt (vgl. OVG BerlinBbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 51; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 73 und 73a m.w.N.). Es handelt sich dabei um ein selbständiges Instrument, das die übrigen Steuerungsinstrumente, insbesondere den Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. den Bestimmungen der Erhaltungssatzung ergänzt (OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 59; Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 65a; Beckmann, BauR 2018, 594/596). Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts von einer etwaigen Genehmigungs(un) fähigkeit bestimmter Maßnahmen des Käufers unabhängig ist, wird vom Gesetz vorausgesetzt (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 65a).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Ausübung der Vorkaufsrechte mit streitgegenständlichen Bescheiden vom 27. September 2019 nach Gesamtwürdigung der maßgeblichen Tatsachen gerechtfertigt.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden angegeben (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB), dass die Vorkaufsrechtsausübung gewährleisten solle, dass geeigneter und preisgünstiger Mietwohnraum für die gebietstypische und verdrängungsgefährdete Wohnbevölkerung im Geltungsbereich der beiden Erhaltungssatzungen bestehen bleibe. Mit dem Zweck der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung knüpft sie zu Recht an die Regelung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an und verfolgt damit das legitime Ziel, die dort ansässige Wohnbevölkerung vor Verdrängung zu schützen. Damit wird für die in intakten Gebieten wohnenden Menschen der Bestand der Umgebung gesichert und so die Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Gebiet vor unerwünschten Veränderungen geschützt. Diese Zielsetzung ist legitim; die dient dem allgemeinen Wohl (vgl. BVerfG; B.v. 26.1.1987 – 1 BvR 969/83 – NVwZ 1987, 879 zur Erhaltungssatzung nach § 39 h BBauG; OVG BerlinBbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 53).
Mit der Ausübung der Vorkaufsrechte zugunsten der Beigeladenen zu 1. werden aufgrund deren rechtlicher Bindungen in den abgegebenen Verpflichtungserklärungen im Hinblick auf die legitime Zielsetzung, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den beiden Erhaltungssatzungsgebieten zu erhalten, überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt und damit die Erhaltungsziele selbst gefördert. Modernisierungsmaßnahmen (mit oder ohne Umwandlung in Wohnungseigentum) und Mietpreissteigerungen können die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung verändern und werden durch die Ausübung der Vorkaufsrechte zugunsten der Beigeladenen zu 1., insbesondere mit Blick auf deren Begrenzungen der Mietzinshöhe, effektiver beschränkt als dies ohne Ausübung der Vorkaufsrechte der Fall wäre. Die Beigeladene zu 1. hat sich in ihren Erklärungen insbesondere jeweils zur Unterlassung von Modernisierungen über den in der … … üblichen Wohnstandard hinaus (vgl. Ziffer 4.2.1.), zur Unterlassung von Aufteilungen der Objekte in Wohnungseigentum nach WEG oder ähnlichen Aufteilungen in Verbindung mit Sondernutzungsrechten (vgl. Ziffer 4.3.2.) sowie zur Neuvermietung von Wohnungen nur an solche Mieterinnen und Mieter, die die Voraussetzungen des jeweils aktuellen Stadtratsbeschlusses zu „Wohnen in …“ für das … Modell Miete erfüllen, insbesondere bestimmte, dort festgelegte Einkommensobergrenze nicht überschreiten (vgl. Ziffer 4.5.1.) verpflichtet. Die Verpflichtungserklärungen enthalten ferner detaillierte Regelungen zur Miethöhe (Ziffer 4.6) bei Neu- und Bestandsmietverträgen, insbesondere einen Verzicht auf Mieterhöhungen für die Dauer von fünf Jahren bei Bestandsmietverträgen sowie ein anschließende Beschränkung der zulässigen Mieterhöhungen auf eine definierte Eingangsmiete (vgl. Ziffer 4.6.3.) oder eine Begrenzung der Höhe der Nettokaltmiete bei Neuvermietungen von im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärungen leerstehenden Wohnungen auf 1,50 € unterhalb der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils geltenden Mietspiegel für …, gedeckelt durch eine im Einzelnen näher festgelegte Eingangsmiete (vgl. Ziffer 4.6.1.). Ziffer 2 der streitgegenständlichen Bescheide nimmt auf diese Verpflichtungen ebenfalls nochmals Bezug.
Dass die Ausübung der Vorkaufsrechte durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist, folgt auch aus dem Umstand, dass die betroffenen Grundstücke jeweils in guter zentraler und damit attraktiver Lage belegen sind, in der zu befürchten ist, dass die Zusammensetzung der angestammten Wohnbevölkerung durch Verdrängung einkommensschwächerer Gruppen nicht erhalten wird. Diese, in den Bescheidsgründen näher ausgeführte Prognose begründet die Beklagte jeweils nachvollziehbar und schlüssig mit der jeweils guten zentralen Lage sowie dem in beiden Vorkaufsfällen jeweils vorhandenen Aufwertungs- und Verdrängungspotential. Beide Vorkaufsrechtsobjekte weisen nach den – von Klägerseite unwidersprochen gebliebenen – Feststellungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, jeweils gestützt auf interne Bewertungen des Amtes für Wohnen und Migration, Wohnraumerhalt, Fachbereich Technik sowie des Bewertungsamts der Beklagten (vgl. BA H.-Str. II, Bl. 320 ff.; 333 ff, BA H.-Pl. II, Bl. 360 ff.; 376 ff.), sowohl Instandsetzungs- und Instandhaltungsbedarf als auch Modernisierungspotentiale auf. Ferner wurden anhand einer Auswertung der Aufstellungen zu den Mieteinnahmen sowie freiwilligen Haushaltsbefragungen zu aktuellen Mieten (vgl. dazu BA H.-Str. II, Bl. 326, auch BA H.-Pl. II Bl. 368, 376; vgl. auch die entsprechenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden) im Vergleich zur ortsüblichen Vergleichsmiete mögliche Mietsteigerungspotentiale konstatiert.
Die Annahme der Beklagten, dass eine Verdrängung zu befürchten ist, findet ihre Bestätigung auch in dem im Rahmen der Satzungserlassverfahren von der Beklagten erhobenen Datenmaterial sowie in der tatsächlichen Entwicklung in den Satzungsgebieten selbst.
Ausweislich der – über das Ratsinformationssystem der Beklagten öffentlich zugänglichen – Erhebungen der Beklagten in den Satzungserlassverfahren zur Erhaltungssatzung „H* …platz/H* …straße“ (Sitzungsvorlage … / V 13***) und zur Erhaltungssatzung „J* …platz“ (Sitzungsvorlage … / V 08* …; vgl. insoweit auch jeweils die entsprechenden Ausführungen in der Klageerwiderung vom 16. März 2020) handelt es sich im Hinblick auf die Einkommensstrukturen in beiden Fällen um sehr gemischte Gebiete bei hohem Aufwertungs- und auch Verdrängungspotential für Teilgruppen der Bevölkerung (vgl. Sitzungsvorlage … / V 13* … und Sitzungsvorlage 14-20 / V 08***). Dabei hat die Beklagte auch festgestellt, dass die Gefahr einer Verdrängung der ansässigen Bevölkerung vor allem in den Wohngebieten innerhalb des … Rings nicht mehr nur für Geringverdienende, sondern auch für Haushalte, die dem … Durchschnitt entsprächen, vorhanden seien (vgl. Sitzungsvorlage … / V 13* …, S. 10, und Sitzungsvorlage … / V 08466, S. 11).
Die von der Beklagten im Rahmen der vorliegenden Vorkaufsrechtsverfahren angestellten Untersuchungen der Veränderungsprozesse in beiden Erhaltungssatzungsgebieten (vgl. Klageerwiderung vom 16. März 2020, S. 13 ff.) anhand verschiedener Indikatoren zur Bewertung des allgemeinen Aufwertungs- und Verdrängungspotentials, deren Ergebnisse von der Klägerin nicht angegriffen wurden, zeigen bei jeweils stabilen Aufwertungsindikatoren (Baualter, Geschosszahl) und andauernden Umbauaktivitäten jeweils einen Anstieg der Kaufkraft, eine Abnahme des Anteils an Haushalten mit Nettoeinkommen bis 1.500,00 € im Monat sowie ein Absinkens des Anteils der älteren Einwohner/Innen über 74 Jahre und belegen damit laufende Austauschprozesse in der Zusammensetzung der Bevölkerung dergestalt, dass ältere und einkommensschwächere Personengruppen durch Personengruppen mit höheren Einkünften und damit auch höheren Erwartungen ersetzt werden, die sich auch höhere Mieten leisten können.
Schließlich ist ein weiteres Indiz für die Annahme, dass der Verkauf der Grundstücke vernünftigerweise eine erhaltungswidrige Entwicklung in Bezug auf die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den beiden Erhaltungssatzungsgebieten befürchten lässt, der Umstand, dass die Klägerin die ihr von der Beklagten mit Schreiben vom 5. bzw. 6. August 2019 angebotenen Verpflichtungserklärungen/-vereinbarungen zur Abwendung des Vorkaufsrechts, die verschiedene Regelungen zur Begrenzung der Mietzinshöhe enthielten, nicht angenommen und auch ansonsten keine geeigneten, d.h. die Gefahr der Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung hinreichend ausschließenden Abwendungserklärungen vorgelegt hat. Dieser Umstand kann im Rahmen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB berücksichtigt werden (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 57; VG München, U.v. 15.2.1993 – M 8 K 92.1600 – juris Rn. 66). Er ist ein Anhaltspunkt dafür, dass es mit der beabsichtigten Verwendung des Grundstücks zu Konflikten mit den Zwecken der Erhaltungssatzung kommen kann. Einem Käufer, der das Grundstück entsprechend den Zielen der Erhaltungssatzung nutzen will, ist es nämlich zuzumuten, diese Absicht durch eine den Erhaltungszielen hinreichend Rechnung tragende Abwendungserklärung/-vereinbarung nach § 27 Abs. 1 BauGB zu bekräftigen (vgl. auch Beckmann, BauR 2018, 594/597 f.).
2.1.4. Die Klägerin hat die Ausübung der Vorkaufsrechte durch ihre Erklärungen vom … September 2019 nicht wirksam abgewendet.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB hierzu verpflichtet. Die Vorschrift gibt dem Käufer mithin das Recht, die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts abzuwenden, indem er den mit dem Vorkaufsrecht verfolgen Zweck selbst verwirklicht (Grziwotz in: BeckOK BauGB, Stand 1.11.2020, § 27 Vorbemerkung). An Stelle des hoheitlichen Eingriffs tritt eine Verpflichtung des Käufers zur Herstellung bzw. Erhaltung eines Grundstückszustandes, der den Anforderungen des Allgemeinwohls gerecht wird (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 27 Rn. 1).
Gesetzlich ist die Abwendung des Vorkaufsrechts als subjektives öffentliches Gestaltungsrecht des Käufers konzipiert. Die Wirksamkeit der Abwendungserklärung ist nicht von der Zustimmung oder einer sonstigen Mitwirkung der Gemeinde abhängig, und auch der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen Käufer und Gemeinde ist – wenngleich oft für beide Seiten nützlich – nach geltendem Recht nicht vorgeschrieben (vgl. dazu OVG NW, U.v. 19.4.2010 – 7 A 1041/08 – juris Rn. 113; VG Freiburg, U.v. 14.8.2020 – 5 K 6205/18 – juris Rn. 33; VG Schleswig, U.v.20.7.2015 – 4 A 226/13 – juris Rn. 89; VG München, U.v. 8.11.2004 – M 8 K 02.5363 – juris Rn. 26; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 27 Rn. 30; derselbe, ZfBR 1987, 10/17; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 27 Rn. 4; a.A.: Grziwotz, in: BeckOK BauGB, Stand 1.11.2020, § 27 Rn. 5).
Zwar wurden die Erklärungen innerhalb der Frist des § 27 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB abgegeben (vgl. zur Fristgebundenheit der Abwendungserklärung in Erhaltungssatzungsgebieten vgl. Urteil vom 20.10.2003 – M 8 K 02.4972 – juris Rn. 38); die Klägerin wurde hierbei ordnungsgemäß vertreten (vgl. zur Vertretungsbefugnis den in den Behördenakten befindlichen Auszug aus dem Handelsregister, BA H.-Str. I Bl. 243 f., BA H.-Pl. I Bl. 241 f.). Jedoch genügen die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen vom … September 2019 nicht den Anforderungen, die in den vorliegenden Fällen inhaltlich an eine wirksame Abwendungserklärung zu stellen sind.
§ 27 Abs. 1 BauGB verlangt die verbindliche Verpflichtung, das Grundstück binnen angemessener Frist entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme zu nutzen. Die Verpflichtungserklärung muss nach Form und Inhalt so geartet sein, dass sie der Gemeinde als rechtliche Grundlage dienen kann, den vermittelten Anspruch, das Grundstück einer den Planungsvorstellungen der Gemeinde entsprechenden Nutzung zuzuführen, zu verfolgen und gegebenenfalls grundbuchlich abzusichern (OVG NW, U.v. 19.4.2010 – 7 A 1041/08 – juris Rn. 113 f.; VG Schleswig, U.v. 20.7.2015 – 4 A 226/13 – juris Rn. 90).
Anknüpfungspunkt sind hierbei insbesondere die Ziele und Zwecke der jeweiligen städtebaulichen Maßnahme. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung folgen diese aus dem anwendbaren Erhaltungstatbestand (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 27 Rn. 17). Der Käufer muss sich insoweit mit dem jeweils möglichen Konkretisierungsgrad zur Einhaltung der Ziele und Zwecke der Maßnahme verpflichten. Im Geltungsbereich von Erhaltungssatzungen nach § 172 BauGB kann die Verpflichtung des Käufers darin bestehen, bestimmte Handlungen zu unterlassen, welche die Ziele und Zwecke der Satzung beeinträchtigen (Stock, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 27 Rn. 39). Dazu kann in einem Milieuschutzgebiet die Verpflichtung gehören, Mietwohnungen nicht in Eigentumswohnungen umzuwandeln und bestimmte bauliche Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet sind, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Gebiet im Sinne der Erhaltungssatzung zu beeinträchtigen (OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – 10 B 9.18 – juris Rn. 89; VG München, U.v. 4.8.2008 – M 8 K 06.3960 – juris Rn. 45; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 27 Rn. 39). Die Abwendungserklärung muss inhaltlich geeignet sein, die Gefahr der Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung hinreichend auszuschließen (vgl. Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht, Diss.jur. Tübingen 2016, S. 221). Deckt sich die Erklärung nicht mit der beabsichtigten Planung, liegt keine wirksame Abwendungserklärung vor (vgl. VG Aachen, U.v. 3.3.2008 – 5 K 143/07 – juris Rn. 88 ff.; Köster, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Auflage 2019, § 27 Rn. 6). Es kommt darauf an, ob die verfolgten städtebaulichen Zielsetzungen ebenso gut erreicht werden können, wenn die Beklagte ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt und es bei einem Grundstückskauf durch einen privaten Dritten verbleibt (vgl. zu § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB: VG Aachen, U.v. 3.3.2008 – 5 K 143/07 – juris Rn. 84).
Gemessen an diesen Maßstäben genügen die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen vom … September 2019 nicht, weil die darin enthaltenen Regelungen zur Mietpreis-, aber auch zur Belegungsbindung nicht ausreichend sind, um die mit den Erhaltungssatzungen „J* …platz“ und „H* …platz/H* …straße“ verfolgten Ziele zu gewährleisten. Der bezweckte Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung ist in den Gebieten maßgeblich dadurch gefährdet, dass die Wohnungen aufgrund ihrer Lage das gesteigerte Interesse finanzkräftiger Mieter finden und dadurch ein Verdrängungsprozess einkommensschwächerer Mieter stattfindet (vgl. oben 2.1.3.). Die damit einhergehende Veränderung der Bevölkerungsstruktur lässt sich maßgeblich dadurch verhindern, dass die Miethöhe begrenzt wird und/oder der Kreis der berechtigten Mieter an die Einkommensverhältnisse gekoppelt wird. Demgegenüber wirken Modernisierungsbeschränkungen, Aufteilungsverbote etc. nur indirekt. Durch die Ausübung der Vorkaufsrechte zugunsten der Beigeladenen zu 1. stellt die Beklagte sicher, dass die wirksamen Instrumente in Form der Miethöhenbegrenzung und der Beschränkung des berechtigten Mieterkreises zur Verfolgung des Erhaltungsziels zum Einsatz kommen. Im Fall des Eigentumserwerbs durch die Klägerin und der Geltung der Verpflichtungen der Abwendungserklärungen vom … September 2019 kann die städtebauliche Zielsetzung nicht annähernd in gleicher Weise erreicht werden. Die erforderliche Gleichwertigkeit der Zielerreichung wird durch die Abwendungserklärungen nicht gewährleistet.
Die genannten Erklärungen sehen – über einen Verzicht auf Mieterhöhungen bei Bestandsmietverträgen für die Dauer von zwei Jahren, längstens bis zum 15. September 2021, hinaus – keine weiteren Begrenzungen der Mietzinshöhe vor.
Der Vortrag der Klägerin, insbesondere ihr Einwand, von ihr könne nicht mehr verlangt werden als der gesetzliche Rahmen vorgebe, im Katalog des § 172 Abs. 1 BauGB seien Mietobergrenzen nicht enthalten, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Wie bereits dargelegt, stellt das Vorkaufsrecht ein selbstständiges Instrument dar, das die übrigen Steuerungs- bzw. Sicherungsinstrumente (z.B. Genehmigungsvorbehalt, §§ 172 ff. BauGB) ergänzt (Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 65a, 73, 76; Beckmann, BauR 2018, 594/596; vgl. auch Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht, Diss.jur. Tübingen 2016, S. 216 zur Auslegung des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB). Würde man für die Abwendung des Vorkaufsrechts schon ausreichen lassen, dass sich der Käufer zu einem Verhalten verpflichtet, das schon durch den Genehmigungsvorbehalt erreicht werden kann, liefe das zusätzliche Instrument des Vorkaufsrechts leer. Eine Übertragung der Maßstäbe des § 172 Abs. 1 BauGB auf den erforderlichen Inhalt der Abwendungserklärung ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, da die Rechtsstellung des Käufers mit derjenigen des Eigentümers, der eine Genehmigung gem. § 172 Abs. 1 BauGB beantragt, nicht vergleichbar ist. Während dem Eigentümer aufgrund § 172 BauGB i.V.m. der Erhaltungssatzung die Möglichkeit verloren geht, den vorhandenen Baubestand in einer Art und Weise zu ändern, die den Vorschriften der Erhaltungssatzung widerspricht, und so den aus seinem Grundeigentum zu ziehenden wirtschaftlichen Nutzen noch zu erhöhen (vgl. dazu Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 172 Rn. 208), entzieht die Ausübung des Vorkaufsrechts dem Käufer lediglich die Chance auf den Eigentumserwerb.
Nachdem es für die Frage der Wirksamkeit der Abwendungserklärungen auf die Gleichwertigkeit dieser Verpflichtung gegenüber dem Eigentumserwerb durch die Beklagte bzw. die Beigeladene zu 1. ankommt, ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Beklagte von der Klägerin eine Begrenzung der Miethöhe im Rahmen eines hoheitlichen Eingriffs verlangen könnte. Ein solcher Eingriff liegt hier nicht vor. Maßgeblich ist, dass die Begrenzung der Miethöhe dem Grunde nach ein legitimes Ziel im Rahmen der Erhaltungssatzung darstellt. Ob sich die Klägerin im Rahmen der Abwendungserklärung auch zu der gleichwertigen Zielerreichung verpflichten will, liegt in deren Entscheidungsgewalt. Auf die von der Klägerin vorgetragenen Einwände gegen die Zulässigkeit der hoheitlichen Vorgabe von Mietobergrenzen kommt es daher nicht an.
Da es in den Abwendungserklärungen – mit Ausnahme der o.g., zeitlich befristeten Regelung zu Bestandsmietverträgen – bereits dem Grunde nach an (weitergehenden) Beschränkungen der Miethöhe fehlt, kann im vorliegenden Verfahren deshalb auch offenbleiben, ob die von der Beklagten gewählte Eingangsmiete in Höhe von derzeit 11,50 € sachgerecht ist und methodisch einwandfrei ermittelt wurde.
Darüber hinaus gewährleisten die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen vom … September 2019 auch deswegen nicht die Einhaltung der Ziele der Erhaltungssatzungen, weil sie nicht für sämtliche betroffenen Wohnungen in den Vorkaufsrechtsobjekten eine Belegungsbindung für Mieter vorsehen, deren Einkommen bestimmte Einkommensobergrenzen nicht überschreiten.
Die gleichlautenden Ziffern 2.4.1. Satz 1 enthalten lediglich die Verpflichtung der Klägerin, diejenigen Wohnungen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Abwendungserklärung bereits mit Bescheinigung des Sozialamtes vermietet sind, nur an solche Mieterinnen und Mieter neu zu vermieten, die die Einkommensobergrenzen des jeweils aktuellen Stadtratsbeschlusses zu „Wohnen in …“ für das Modell … Miete nicht überschreiten. Damit erfasst die Verpflichtung z.B. nicht Wohnungen, die im Zeitpunkt der Abwendungserklärungen leer stehen oder an Personen oberhalb der jeweiligen Einkommensgrenze vermietet sind. Die von der Klägerin vorgenommenen Einschränkungen tragen dem Ziel der Erhaltungssatzungen, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Erhaltungssatzungsgebiet zu erhalten, nicht ausreichend Rechnung. Ihr Einwand, eine Neuvermietung ausschließlich an Mieter unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen sei sachwidrig, da damit die aktuelle Bewohnerstruktur nicht erhalten, sondern verändert werde, vermag keine andere Auffassung zu rechtfertigen. Es ist unerheblich, ob im streitgegenständlichen Anwesen selbst verdrängungsgefährdete Personen und Haushalte wohnen. Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts genügt eine abstrakte Betrachtungsweise dergestalt, dass der fragliche Wohnraum für eine verdrängungsgefährdete, einkommensschwächere soziale Schicht des Erhaltungssatzungsgebiets gesichert werden kann und muss. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ermöglicht der Gemeinde, sich gleichsam auf Vorrat preisgünstigen Wohnraum zu sichern. Wohnen im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht verdrängungsgefährdete Personen im streitgegenständlichen Anwesen, so ist die Sicherung preisgünstigen Wohnraums gleichwohl gerechtfertigt, da die Stadt bei einem Auszug dieses Personenkreises es dann in der Hand hat, den Wohnraum entsprechend Berechtigten zur Verfügung zu stellen (vgl. U.v. 15.2.1993 – M 8 K 92.1600 – juris Rn. 67).
Schließlich werden die Ziele der Erhaltungssatzungen auch nicht aufgrund der rechtlichen und vertragsstrafenbewehrten Bindungen der Klägerin in § 11 des Kaufvertrags ausreichend gewährleistet, da die Sozialcharta – mit Ausnahme der Verpflichtung, innerhalb von zehn Jahren nach Übergang des Teilkaufgegenstands kein Wohnungseigentum begründen zu dürfen, allein auf Bestandsmietverträge abstellt („…nach § 13 auf den Käufer übergehenden Mietverhältnisses…“) und gerade nicht Neuvermietungen umfasst. 2.1.5. Es liegt ferner kein Ausschlussgrund nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB vor, wonach die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen ist, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB aufweist.
Das Gericht geht davon aus, dass die Regelung des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB dem Grunde nach auch auf das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung anwendbar ist (vgl. dazu ausführlich OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 64; vgl. ferner VG München, U.v. 20.10.2003 – M 8 K 02.4972 – juris Rn. 35; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 26 Rn. 22).
Ferner schließt sich die Kammer – unter Bestätigung ihrer früheren Rechtsprechung (vgl. U.v. 20.10.2003 – M 8 K 02.4972 – juris Rn. 35) – der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg in dessen Urteil vom 22.10.2019 – OVG 10 B 9.19 (juris Rn. 65 ff.) und der in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 26 Rn. 22; derselbe, ZfBR 1987, 10/15; Burrack, jurisPR-ÖffBaur 9/2018 Anm. 5; Wissenschaftlicher Parlamentsdienst, Abgeordnetenhaus von Berlin, Gutachten zu den Voraussetzungen eines Vorkaufsrechts des Bezirks Mitte von Berlin vom 19. Juli 2016, S. 10; Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht, Diss.jur. Tübingen 2016, S. 213 ff.) an, dass § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB unter Berücksichtigung seines systematischen Gesamtzusammenhangs, seines Sinnes und Zweckes und der Entstehungsgeschichte im Hinblick auf das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB im Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sachgerecht dahingehend auszulegen ist, dass bei der Beurteilung und Bewertung, ob das Grundstück entsprechend den Zielen und Zwecken einer sozialen Erhaltungssatzung als städtebauliche Maßnahme genutzt wird, auch die zu erwartenden künftigen Nutzungen durch den Käufer zu berücksichtigten sind (vgl. dazu im Einzelnen OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Leitsatz 3 und Rn. 65 ff, insbes. Rn. 68). Es kommt also darauf an, ob der Käufer die Ziele der Erhaltungssatzung gefährdet, weshalb die Nutzung des Grundstücks im Zeitpunkt des Verkaufs – durch den Verkäufer – für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB in der Regel ohne Bedeutung ist (vgl. OVG Berlin-Bbg., U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 68 m.w.N.). Demgemäß kommt es auch im Rahmen des § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB nicht auf den gegenwärtigen Zustand, sondern auf die zu erwartenden Nutzungen durch den Käufer an. Andernfalls würde § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB gerade in dem für seine Anwendung wichtigsten Fall leerlaufen. Dies hat zur Folge, dass das Vorkaufsrecht im Gebiet einer Erhaltungssatzung nur dann ausgeschlossen ist, wenn nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine Beeinträchtigung der mit der Erhaltungssatzung bezweckten Ziele zu besorgen ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 68 m.w.N.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 26 Rn. 22 m.w.N.; derselbe, ZfBR 1987, 10/15; vgl. auch VG München, Urteil vom 20. Oktober 2003 – M 8 K 02.4972 -, juris Rn. 35).
Dies zugrunde gelegt sind die Voraussetzungen des Ausschlussgrunds nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB nicht erfüllt. Wie bereits dargelegt, ist anzunehmen, dass die Wohngebäude nach den zu erwartenden künftigen Nutzungen durch die Klägerin nicht entsprechend den Zielen und Zwecken der sozialen Erhaltungssatzungen als städtebauliche Maßnahmen genutzt würden. Auf die Ausführungen zum Wohl der Allgemeinheit und den, die Zielsetzung der Erhaltungssatzungen nicht hinreichend gewährleistenden Abwendungserklärungen wird Bezug genommen.
2.1.6. Die Beklagte hat ihre Vorkaufsrechte auch innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist (vgl. dazu Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 28 Rn. 27) des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB formgerecht ausgeübt.
2.1.7. Die Ausübung der Vorkaufsrechte jeweils zugunsten eines Dritten, nämlich der Beigeladenen zu 1., ist gem. § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB rechtmäßig.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor.
Dritter im Sinne der genannten Vorschrift kann auch eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft sein (Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 27a Rn. 3; Grziwotz in BeckOK BauGB Stand 1.11.2020, § 27a Rn. 2; vgl. zu einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft auch VG Berlin, U.v. 17.5.2018 – 13 K 724.17 – juris Rn. 34; OVG Bl.-Bbg., U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 91 ff.).
Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten eines Dritten ist ferner dessen Einverständnis (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 91 m.w.N.), denn die Ausübung des Vorkaufsrechts kann dem Dritten nicht aufgezwungen werden. Darüber hinaus bedarf es einer Verpflichtungserklärung des Dritten, dass er sich zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung verpflichtet (OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 91; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 27a Rn. 17). Ausreichend ist eine (einseitige) Verpflichtungserklärung des Dritten, wobei es möglich ist, dass die Gemeinde mit dem Begünstigten einen Vertrag abschließt, der die Verpflichtung enthält (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 91; Köster, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 27a Rn. 3).
Beides lag im Zeitpunkt der Ausübung der Vorkaufsrechte am 27. September 2019 vor (vgl. zu diesem Zeitpunkt Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 140. EL Oktober 2020, § 27a Rn. 17; vgl. aber auch OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 .- juris Rn. 93: § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB regle nicht, zu welchem Zeitpunkt der Dritte sich verpflichtet haben müsse).
Die von der Geschäftsführung der Beigeladenen zu 1. unterzeichneten Erklärungen über die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. wurden der Beklagten als gescannte pdf-Dateien am 27. September 2019 um 11:38 Uhr per E-Mail übermittelt (BA H.-Str. II Bl. 458 ff.; BA H.-Pl. III Bl. 608 ff.). Mit diesem Vertragsantrag, an den die Beigeladene zu 1. gebunden war (vgl. Art. 54 Satz 1, Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 145, 146, 147 Abs. 2 BGB), lag nicht nur ihr Einverständnis mit der Ausübung der Vorkaufsrechte durch die Beklagte zu ihren Gunsten vor, sondern darüber hinaus die nach § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB erforderliche verbindliche Verpflichtungserklärung (vgl. dazu OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 94). Bei der Ausübung der Vorkaufsrechte mit streitgegenständlichen Bescheiden vom 27. September 2019 konnte die Beklagte damit verlässlich davon ausgehen, dass die Beigeladene zu 1. mit der Ausübung der Vorkaufsrechte zu ihren Gunsten einverstanden und bereits mit dem unterzeichneten Vertragsantrag eine entsprechende Bindung eingegangen ist, die sie als Dritte zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung der Grundstücke i.S.v. § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB verpflichtet hat; auf die Frage, ob die Beklagte die von der Beigeladenen zu 1. unterzeichneten Erklärungen im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide bereits angenommen hatte, kommt es damit nicht entscheidungserheblich an (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 94; vgl. insoweit auch BVerwG, Beschluss vom 6.10.2011 – 4 BN 19.11 -, juris Rn. 3 m.w.N. zu den Anforderungen an das Vorliegen des Durchführungsvertrages im Rahmen von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
Die Annahme bindender Vertragsangebote scheitert auch nicht daran, dass die Verpflichtungserklärungen auf Seiten der Beigeladenen zu 1. nur durch eine Person, nämlich den Geschäftsführer Herrn Dr. D* …, unterzeichnet worden waren. Dieser hat die Beigeladene zu 1. wirksam vertreten, § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB, insbesondere hat er mit der erforderlichen Vertretungsmacht gehandelt.
Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Sind mehrere Gesellschafter bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt (§ 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Aus dem von der Klägerin vorgelegten, am 14. Oktober 2019 abgerufenen Handelsregisterauszug ergibt sich zwar, dass die Beigeladene zu 1. durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen (sog. unechte Gesamtvertretung) vertreten wird, da mehrere Gesellschafter bestellt sind.
Nach dem Vortrag des Prokuristen der Beigeladenen zu 1., Herrn S* …, in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2020, steht – auch in Verbindung mit der in diesem Rahmen vorgelegten schriftlichen Erklärung von Herrn Dr. D* … vom 5. Dezember 2020 – zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Herr Dr. D* … bei Abgabe der Verpflichtungserklärungen ermächtigt war, diese allein zu unterzeichnen und gegenüber der Beklagten abzugeben – sei es nach § 183 BGB analog aufgrund vorheriger Zustimmung (Einwilligung) des grds. mitwirkungspflichtigen Prokuristen (vgl. hierzu: Reichel, MDR 1996, 759/761; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 35 GmbHG Rn. 31), sei es, dass er gem. § 78 Abs. 4 Satz 2 Aktiengesetz – AktG – analog, § 125 Abs. 3 Handelsgesetzbuch – HGB – analog ermächtigt war, die Verpflichtungserklärungen allein zu unterzeichnen und gegenüber der Beklagten abzugeben (zur analogen Anwendung der vorgenannten Bestimmungen auf die GmbH: Stephan/Tieves, Münchner Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2019, § 35 Rn. 155; Wisskirchen/Kuhn, in: BeckOK GmbHG, Stand 1.8.2020, § 35 Rn. 61ff, Rn. 66; Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 9. Auflage 2019, § 35 Rn. 61 ff.; Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Auflage 2019, § 35 Rn. 39; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 35 GmbHG Rn. 32 ff.). Eine Ermächtigung nach § 78 Abs. 4 Satz 2 AktG analog, § 125 Abs. 3 HBG analog befreit den Ermächtigten von der „Mitwirkungslast“ der ermächtigenden Person, so dass für den Ermächtigten die Gesamtvertretungszur Alleinvertretungsmacht erstarkt (vgl. Stephan/Tieves, Münchner Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2019, § 35 Rn. 155; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 35 GmbHG Rn. 32; BGH, U.v. 6.3.1975 – II ZR 80/73 – juris Rn. 18; U.v. 8.10.1991 – XI ZR 64/90 – juris Rn. 12). Die Ermächtigung ist gegenüber dem zu Ermächtigenden oder dem Dritten (§ 167 Abs. 1 BGB entsprechend) selbst dann formfrei zu erklären, wenn die vom Ermächtigten für die Gesellschaft abzugebende Erklärung formbedürftig ist (entsprechend § 167 Abs. 2 BGB; vgl. Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 20. Aufl. 2020, § 35 GmbHG, Rn. 32; Beurskens in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Auflage 2019, § 35 Rn. 40; Stephan/Tieves, Münchner Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2019, § 35 Rn. 159). Gleiches gilt für die Einwilligung (§ 182 Abs. 2 BGB analog).
Herr S* … hat für das Gericht glaubhaft, überzeugend und detailreich dargelegt, dass er im Vorfeld Herrn Dr. D* … bevollmächtigt habe, auch in seinem Namen entsprechende Verpflichtungserklärungen abzugeben. Dabei hat er in für das Gericht überzeugender und plausibler Weise auch ausgeführt, warum er sich an diesen Tag besonders erinnern könne.
Unbeschadet dessen ergibt sich eine wirksame Vertretung der Beigeladenen zu 1. vorliegend auch nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht.
Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln seines angeblichen Vertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines Vertreters. Voraussetzung für das Vorliegen der Anscheinsvollmacht ist der Rechtsschein einer Bevollmächtigung, der durch eine von gewisser Regelmäßigkeit und Häufigkeit bzw. Dauer gekennzeichnetes Verhalten des Vertretenen erzeugt werden muss, und die Gutgläubigkeit des Geschäftsgegners (§ 173 BGB analog; vgl. dazu Schäfer in BeckOK BGB, Stand 1.11.2020, § 167 Rn. 17; Schubert in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 168 Rn. 111 ff.). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass ihr im Zeitraum Mitte März bis September 2019 neun Mal eine Verpflichtungserklärung der Beigeladenen zu 1. im Rahmen einer Vorkaufsrechtsausübung übermittelt worden sei. Dies sei – je nach zeitlichen Vorgaben – entweder durch ein schriftliches Original oder eine E-Mail mit pdf-Anhang erfolgt. Die Verpflichtungserklärungen seien jedenfalls in fünf Fällen jeweils nur von Herrn Dr. D* … unterzeichnet gewesen. Dass der Beklagten bekannt war, dass hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. eine Gesamtvertretungsbefugnis bestand, ist nicht erkennbar.
2.1.8. Die in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 27. September 2019 erfolgte Prognoseentscheidung der Beklagten (vgl. dazu: OVG Berlin-Bbg., U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 96 m.w.N.), dass die Beigeladene zu 1. aufgrund ihrer Aufgabenstellung rechtlich und finanziell in der Lage sei, die Grundstücke dauerhaft entsprechend dem Erhaltungsziel zu verwenden, ist nicht zu beanstanden.
An der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu 1. – einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten – bestehen nach Auffassung des Gerichts keine Zweifel. Die Prognose der Beklagten, dass die Beigeladenen zu 1. zu der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bezweckten Verwendung der Grundstücke in der Lage ist, stützt sich im Übrigen darauf, dass die Beigeladene zu 1. sich durch die im Zeitpunkt der Ausübung der Vorkaufsrechte vorliegenden Verpflichtungserklärungen zur Verwendung der Grundstücke entsprechend der Erhaltungsziele verpflichtet hat.
2.2. Die Ermessensausübung der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Sowohl die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts als auch die Entscheidung, dieses zugunsten eines Dritten auszuüben, liegen im Ermessen der Beklagten. Diese kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ihr Recht
– für sich oder zugunsten eines Dritten – ausüben, ist aber dazu nicht verpflichtet (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 100; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 28 Rn. 4 und § 27a Rn. 2 Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 24 Rn. 66 sowie § 27a Rn. 25; vgl. auch BayVGH, U.v. 6.2.2014 – 2 B 13.2570 – juris Rn. 23).
Soweit die Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO nur zur Ermessenskontrolle, also zur Prüfung, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, berechtigt, nicht jedoch zur eigenen Ermessensausübung befugt. § 114 Satz 1 VwGO konkretisiert den Grundsatz der Gewaltenteilung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Verwaltung (Exekutive) und der Verwaltungsrechtsprechung (Judikative).
Die Beklagte hat jeweils erkannt, dass ihr Ermessen zusteht und dieses fehlerfrei ausgeübt. Sie führt insoweit aus, dass das öffentliche Interesse an der Ausübung der Vorkaufsrechte das gegenläufige Interesse der Käuferin am Erwerb der gegenständlichen Anwesen gegenüberstehe (Bescheidsgründe S. 4), das Ausübungsinteresse der Beklagten die Interessen der Käuferin überwiege (S. 4) und die Ausübung des Vorkaufsrechts nach Abwägung aller in die Ermessensentscheidung einzustellender Umstände und Interessen zu Gunsten der Beigeladenen zu 1. erfolge (S. 6), die in der Lage sei, die Grundstücke entsprechend den Zielen der Erhaltungssatzungen zu verwenden und sich hierzu auch entsprechend verpflichtet habe. Von Käuferseite seien keine entgegenstehenden Umstände oder Interessen vorgebracht worden, die gegenüber den in den streitgegenständlichen Bescheiden aufgeführten Gründen, die für eine Ausübung der Vorkaufsrechte stritten, anderweitige Entscheidungen rechtfertigen würden. Dies hält einer gerichtlichen Kontrolle stand. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ausübung der Vorkaufsrechte für die Klägerin (lediglich) zum Verlust einer bloßen Erwerbschance führt (vgl. dazu OVG Berlin-Bbg, U.v. 22.10.2019 – OVG 10 B 9.18 – juris Rn. 47, 102; BVerwG, B.v. 17.10.2001 – 4 B 68/01 – juris Rn. 6).
Auch das Vorbringen in den Klagebegründungen zeigt insoweit keine durchgreifenden Ermessensfehler auf.
Soweit die Klägerin die Ausübungsbescheide für ermessensfehlerhaft hält, weil die Beklagte ihre Entscheidung im Wesentlichen auf Erwägungen gestützt habe, denen aufgrund der Abwendungserklärungen der Klägerin vom … September 2019 sowie der im Kaufvertrag enthaltenen Mieterschutzvorgaben keine Bedeutung mehr zukomme und die Beklagte daher von einem unzutreffenden oder unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, begründet dies keine Ermessensfehler.
Die Beklagte ging, wie sie in den Bescheidsgründen auch ausgeführt hat (S. 6 der streitgegenständlichen Bescheide), – nach Auffassung des Gerichts zutreffend – davon aus, dass die von der Klägerin abgegebenen Abwendungserklärungen die Einhaltung der Ziele der Erhaltungssatzungen nicht gewährleisten und daher der Erlass der Ausübungsbescheide geboten gewesen sei (S. 6 der streitgegenständlichen Bescheide). Damit hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie die Erklärungen der Klägerin bei ihren Entscheidungen berücksichtigt hat. Liegt aber bereits tatbestandlich keine wirksame Abwendungserklärung vor, so müssen die darin enthaltenen (in ihrer Gesamtheit nicht ausreichenden) Verpflichtungen auch nicht in die Ermessenserwägungen einbezogen werden. Von einem unvollständig oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt kann im Übrigen deswegen keine Rede sein, weil sich die Beklagte mit den von der Klägerin abgegebenen Erklärungen zur Abwendung des Vorkaufsrechts bereits im Verwaltungsverfahren auseinander gesetzt und der Klägerin vor (und deren Bevollmächtigen nach) Bescheidserlass mitgeteilt hat, warum die von ihr unter dem 5. September 2019 vorgelegten Entwürfe von Abwendungsvereinbarungen sowie die Erklärungen vom … September 2019 aus Sicht der Beklagten nicht ausreichend seien (vgl. Schreiben der Beklagten vom 12. September 2019, vom 25. September 2019 sowie vom 17. Oktober 2019). Insoweit war es auch mit Blick auf die formell-rechtlichen Anforderungen gem. Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nicht erforderlich, hierzu in den Bescheidsgründen nochmals detailliert Stellung zu nehmen.
Soweit die Beklagte in den Bescheidsgründen auch auf das Verdrängungspotential durch Aufteilungen nach dem WEG und die Geeignetheit der Wohnungen hierfür abstellt (S. 5 der angefochtenen Bescheide), obwohl sich die Klägerin im Kaufvertrag insoweit zu einem zehnjährigen Verzicht verpflichtet hatte (vgl. § 11 (1) Buchst a) des Kaufvertrags), folgt daraus nicht die Fehlerhaftigkeit der Ermessensentscheidung. Die Beklagte hat – selbstständig tragend – auch auf weitere Verdrängungsfaktoren, insbesondere durch Modernisierungen und Umlage der Modernisierungskosten, abgestellt. Was die im Kaufvertrag im Übrigen enthaltenen Vereinbarungen zum Mieterschutz anbelangt, so sind diese – worauf die Beklagte – zutreffend – hinweist, aufgrund ihrer Beschränkung auf Bestandsmieter zur Gewährleistung der Einhaltung des Milieuschutzes nicht ausreichend.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin nicht auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich dadurch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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