Baurecht

Anspruch auf Genehmigung der Fällung eines Walnussbaums, Unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch Verschattung und Wurzelwerk eines Walnussbaums (verneint)

Aktenzeichen  M 19 K 20.5862

Datum:
28.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23257
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Baumschutzverordnung der Landeshauptstadt München (MüABl. Nr. 4/2013 – BaumschutzV)

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.  
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2020, mit dem der Antrag auf Genehmigung der Fällung des Walnussbaumes abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen Genehmigung.
1. Eine solche Genehmigung ist erforderlich, da das Grundstück des Klägers innerhalb des in § 1 Abs. 5 BaumschutzV umschriebenen räumlichen Geltungsbereichs der Baumschutzverordnung der Beklagten liegt. Nach § 1 Abs. 1 BaumschutzV sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt. Es ist verboten, lebende Gehölze, die hiernach geschützt sind, ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern (§ 3 Abs. 1 BaumschutzV).
2. Die in § 5 BaumschutzV normierten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Entfernen oder ein Verändern geschützter Bäume auf Antrag genehmigt werden kann, liegen nicht vor.
2.1. Die Erteilung einer Fällungsgenehmigung nach § 5 Abs. 2 BaumschutzV scheitert bereits daran, dass der Baum nicht krank ist, sondern nach dem Fachgutachten der unteren Naturschutzbehörde vital und erhaltenswert ist. Auch bei der gerichtlichen Inaugenscheinnahme machte der Baum einen gesunden Eindruck und wies insbesondere keinen nennenswerten Totholzbestand auf.
2.2. Der Genehmigungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumschutzV ist ebenfalls nicht erfüllt. Durch den streitgegenständlichen Baum wird weder der Bestand oder die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks noch des darauf errichteten Hauses unzumutbar beeinträchtigt.
Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt regelmäßig nur vor, wenn die mit dem geschützten Baum verbundenen Auswirkungen nach Art und Intensität den Bestand oder die Nutzbarkeit des Grundstücks oder des vorhandenen Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen dabei deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen. Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen rechtfertigen eine Entfernung des Baumes nicht.
2.2.1. Eine solche Beeinträchtigung folgt nicht aus der vom Kläger vorgetragenen Verschattungswirkung des Baumes hinsichtlich seines Wohngebäudes. Diese führt nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzbarkeit dieses Gebäudes oder dessen Außenanlagen. Eine solche unzumutbare Beeinträchtigung käme in Betracht, wenn die Wohnräume des Klägers auch während des Tages ausschließlich mit künstlichem Licht genutzt werden könnten (vgl. VG Ansbach, U.v. 11.3.2019 – AN 11 K 17.00371 – juris Rn. 35)
Angesichts eines Abstands des Kronenmantels zum Gebäude vom mindestens zehn Metern und selbst zur vorgelagerten Terrasse von fünf bis sieben Metern ist für eine solche Verschattung – auch unter dem aus der Inaugenscheinnahme gewonnenen Eindruck – nichts ersichtlich. Insbesondere stehen die Terrasse und das Wohngebäude zumindest zeitweise sogar vollständig in der Sonne.
2.2.2. Auch eine Freizeitnutzung und eine entsprechend gärtnerische Nutzung des Grundstücks sind durch Verschattung nicht unzumutbar beeinträchtigt. Es ist zwar nicht per se ausgeschlossen, dass eine aufgrund Verschattungswirkung nicht entsprechend nutzbare Grundstückfläche oder die Unmöglichkeit einer gärtnerischen Bewirtschaftung aufgrund dichten Wurzelwerks im Boden die Entfernung eines Baumes rechtfertigen kann. Jedoch sind auch hier die Anforderungen an die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung hoch. Diese kann allenfalls bejaht werden, wenn nicht einmal Teilbereiche eines Grundstücks gärtnerisch nutzbar, also bepflanzbar und besonnt sind und entsprechend insgesamt nur sehr eingeschränkte Bepflanzungsmöglichkeiten bestehen (vgl. u.a. VG München, U.v. 23.11.2015 – M 8 K 14.2817 – juris Rn. 61; U.v. 19.11.2012 – M 8 K 11.5128 – juris Rn. 35). Es besteht gerade kein von Umgebungseinwirkungen isolierter Anspruch auf optimale gärtnerische Bewirtschaftung eines innerstädtischen Hausgartens.
Eine derart unzumutbare Situation besteht auf dem klägerischen Grundstück indes nicht. Angesichts der Tatsache, dass das Grundstück nicht realgeteilt wurde, ist bereits zweifelhaft, ob diesbezüglich nur auf die derzeit vom Kläger genutzte Fläche oder den gesamten Garten abgestellt werden muss. Dies kann jedoch im Ergebnis offenbleiben, da selbst hinsichtlich der vom Kläger genutzten Grundstücksfläche der vorhandene Baumbestand nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung führt. Es trifft zwar zu, dass die Krone des Walnussbaumes das Grundstück teilweise verschattet und die gärtnerische Nutzung dadurch jedenfalls unter dem Kronenbereich extrem erschwert ist. Das klägerische Grundstück ist jedoch in seinen übrigen Bereichen ausreichend nutzbar. Im Garten ist dabei nicht nur an der Grenze zum vom Bruder benutzten Grundstücksteil eine Bepflanzung vorhanden, sondern es findet sich – neben weiteren kleineren Pflanzungen – vor allem im derzeit vom Kläger mit Magnolien bepflanzten Bereich vor der Terrasse ausreichend Platz für eine vielfältige gärtnerische Gestaltungsmöglichkeit. Eine Besonnung des Grundstücks findet an diesen Stellen auch im üblichen Umfang statt.
2.2.3. Auch die Tatsache, dass der Kläger – wie er glaubhaft schildert – durch die Entsorgung des anfallenden Laubes belastet ist, führt nicht zur Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Die typischen Baumimmissionen, also insbesondere der Laub- und Nadelfall, das Herabfallen von Früchten und Samen und die Verschattungswirkung im Allgemeinen gehören zu den Einwirkungen, die von einem Grundstückseigentümer grundsätzlich hinzunehmen sind, da sie sich allenfalls als Belästigungen darstellen (vgl. m.w.N. VG München, U.v. 28.3.2011 – M 8 K 10.2378 – juris Rn. 34)
2.2.4. Soweit der Kläger vorbringt, dass sich unter anderem die Tür des unter dem Baum befindlichen Gartenhäuschens verzogen habe, stellt dies ebenfalls keine Unzumutbare Beeinträchtigung dar. Eine Beeinträchtigung kann zwar unter Umständen angenommen werden, wenn durch Wurzelwachstum ein erheblicher Schaden an einem Gebäude entsteht. Dass es aufgrund von vertikalen Bewegungen im Erdreich zu Hebungen in der unmittelbaren Umgebung des Baumes kommen kann, ist aber zum einen mit der Existenz des Baumes naturgemäß verbunden und hätte damit bereits bei der Errichtung des Gartenhäuschens am derzeitigen Standort bekannt sein müssen. Im Übrigen stellt das erschwerte Öffnen zwar eine Unannehmlichkeit dar, nicht aber eine erhebliche Beeinträchtigung seines Bestands (vgl. zum Ganzen u.a. VG München, U.v. 7.5.2012 – M 8 K 11.2084 – juris Rn. 23). Gleiches gilt für den unmittelbar danebenstehenden leicht geneigten Torpfosten.
2.2.5. Auch die vom Kläger angeführte Allergie führt zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung. Die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumschutzV soll sicherstellen, dass eine unverhältnismäßige und gleichheitswidrige Belastung von Grundeigentümern im Sinne von Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vermieden wird. Das wiederum bedeutet aber, dass diese Befreiungsvorschrift grundstücksbezogen (bodenbezogen) und nicht personenbezogen zu verstehen ist. Berücksichtigungsfähig sind daher grundsätzlich alle Folgen, die die Regelung in einer unbestimmten Anzahl von Fällen typischerweise und gleichermaßen haben kann oder haben soll. Auf individuelle Umstände, insbesondere die persönliche, finanzielle oder gesundheitliche Situation eines sich beeinträchtigt fühlenden Betroffenen – wie hier die vorgetragene Nussbaumallergie – kommt es gerade nicht an (vgl. m.w.N. BayVGH, U.v. 25.4.2012 – 14 B 10.1750 – juris Rn. 48 ff.; VG München, U.v. 9.6.2008 – M 8 K 07/5646 – juris Rn. 21 f., U.v. 7.5.2012 – M 8 K 11.957 – juris Rn. 39 ff.).
2.3. Im gegenständlichen Fall ist auch nicht aufgrund einer Gesamtschau der vom Kläger geltend gemachten Umstände, vor allem der vorgebrachten Allergie, ausnahmsweise eine Befreiung geboten. Nach § 5 Abs. 3 BaumschutzV kann zwar von den Verboten dieser Verordnung im Einzelfall Befreiung nach den Vorschriften des § 67 Abs. 1 und 3 des Bundesnaturschutzgesetzes i.V.m. Art. 56 des Bayerischen Naturschutzgesetzes erteilt werden. Die Gewährung einer Befreiung kommt in vom Normgeber nicht bedachten atypischen Fallkonstellationen aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 14 ZB 12.1943 – juris Rn. 10; B.v. 9.11.2012 – 14 ZB 11.1597 – juris Rn. 16). Allerdings ist auch diese Ausnahmevorschrift grundstücksbezogen zu bewerten, so dass eine Allergie auch insoweit keinen Härtefall darstellt (vgl. VG München, U.v. 7.5.2012 – M 8 K 11.957 – juris Rn. 42 ff.).
Ob in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen ausnahmsweise dennoch bei personenbezogenen Gründen eine Befreiung erteilt werden kann (offengelassen: VG München, U.v. 9.6.2008 – M 8 K 07.5646 – juris Rn. 23), kann vorliegend dahinstehen, da ein solch besonders schwerwiegender Ausnahmefall bereits nicht ausreichend vom Kläger dargelegt wurde. Eine bestehende, mit ernsthaften Symptomen einhergehende Allergie auf Walnussbaumpollen wurde nicht substantiiert vorgetragen. Das vom Kläger vorgelegte knappe allgemeinärztliche Attest, das ihm pauschal eine Allergie gegen “Nussbäume” bescheinigt, benennt weder, welche Pflanze (Nussart), noch welcher Pflanzenteil (Pollen oder Nüsse) überhaupt allergieauslösend ist. Offen bleibt auch, welche konkreten gesundheitlichen Folgen die Allergie im Fall des Klägers haben soll. Bereits im Verwaltungsverfahren hat der Kläger, trotz entsprechender Aufforderung der Beklagten, hierzu nichts weiter vorgetragen. Hinzu kommt, dass eine Entfernung eines allergieauslösenden Baumes allenfalls dann als Grundlage für eine Befreiung von den Vorgaben der Baumschutzverordnung dienen kann, wenn dadurch eine spürbare Linderung der Symptome sichergestellt ist. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn in der Umgebung keine ähnlichen Bäume vorhanden sind (vgl. VG Köln, U.v. 18.9.2012 – 14 K 5076/10 – juris Rn. 23 f.). Dies scheidet vorliegend bereits deshalb aus, da in unmittelbarer Umgebung (keine 30 Meter entfernt) ein weiterer Walnussbaum wächst.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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