Baurecht

Baueinstellung, Aufstockung eines kleineren Nebengebäudes im Außenbereich

Aktenzeichen  M 11 K 17.5367

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51194
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1
BauGB § 35

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtene Baueinstellung vom 20. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Nach allgemeiner Auffassung ist für eine solche Verfügung die formelle Rechtswidrigkeit ausreichend; auf die Frage der materiellen Genehmigungsfähigkeit der beanstandeten Maßnahmen kommt es nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.672 – juris Rn. 8 f. m.w.N.). Dabei kann die Einstellung von Arbeiten bereits dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Arbeiten gegen die einschlägigen Vorschriften verstoßen (BayVGH, a.a.O, Rn. 10). Ein Verstoß gegen formelles (oder materielles) Baurecht muss nicht verwirklicht sein; vielmehr reichen schon objektive, konkrete Anhaltspunkte dafür aus, dass ein solcher Zustand geschaffen werden kann (BayVGH, B.v. 5.10.2006 – 14 ZB 06.1133 – juris Rn. 2).
Dies zugrunde gelegt ist die verfügte Baueinstellung nicht zu beanstanden.
Zunächst lassen sich die durchgeführten, umfangreichen Arbeiten entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht mehr als reine Instandhaltungsmaßnahmen qualifizieren. Unter den Begriff der „Instandhaltung“ fallen generell nur die Maßnahmen, die dazu dienen, die Gebrauchsfähigkeit und den Wert von Anlagen unter Belassung von Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten (vgl. Gesetzesbegründung zur BayBO 1994, LT-Drucksache Nr. 12/13482, S. 39). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es dabei maßgeblich auf die Art und den Umfang einer Baumaßnahme an. Demnach kann eine Anlage ihre Identität nicht nur dann verlieren, wenn ein Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich machen würde, sondern erst recht wenn die Bausubstanz ausgetauscht wird oder die Baumaßnahmen praktisch einer Neuerrichtung gleichkommen bzw. der für die Instandsetzung notwendige Arbeitsaufwand seiner Quantität nach den Arbeitsaufwand für einen Neubau erreicht oder gar übersteigt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, B.v. 10.10.2005 – 4 B 60/05 – juris Rn. 4; BVerwG, U.v. 24.10.1980 – IV C 81.77 – juris Rn. 15).
Vorliegend haben die Kläger umfangreiche Umbauarbeiten durchgeführt, insbesondere wurde der Dachstuhl vollständig abgetragen und unter Drehung der Firstrichtung neu errichtet. Gerade bei kleineren und in einfacher Bauweise ausgeführten baulichen Anlagen wie dem streitgegenständlichen Gebäude macht der Dachstuhl indes einen ganz wesentlichen und für die Statik bedeutsamen Gebäudeteil aus, was bei der wirtschaftlichen Betrachtung des Vorhabens besonders ins Gewicht fällt. Die Errichtung einer Garage mit einem Satteldach anstelle einer genehmigten Flachdachgarage wurde seitens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bereits als „aliud“ gewertet (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.1998 – 14 B 96.357 – juris). Auch nach den Feststellungen des Augenscheins ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich nicht mehr um bloße Instandhaltungsmaßnahmen, sondern vielmehr Umbauarbeiten handelt, die wirtschaftlich im Ergebnis einer Neuerrichtung gleichkommen. Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, ob das Nebengebäude in der Vergangenheit Bestandsschutz genossen hat, da dieser aufgrund der durchgeführten umfangreiche Baumaßnahmen jedenfalls entfallen ist.
Die Entscheidung ist auch ermessensgerecht. Bei der Befugnisnorm des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO handelt es sich aufgrund des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Fortsetzung unzulässiger Arbeiten um einen Fall intendierten Ermessens, sodass grundsätzlich bereits die Erfüllung des Tatbestands den Erlass einer Einstellungsverfügung rechtfertigt (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris; Decker in Busse/ Kraus, BayBO, Stand Februar 2021, Art. 75, Rn. 83 f.). An die Ermessensausübung sind in diesen Fällen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Besondere Gründe, warum im Einzelfall eine Baueinstellung nicht gerechtfertigt sein sollte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist das Vorhaben aufgrund seiner Außenbereichslage materiell nicht genehmigungsfähig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des Urteils vom 9. September 2021 im Parallelverfahren M 11 K 19.4631 Bezug genommen.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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