Baurecht

Bauhandwerkersicherheit für die Herstellung und Vorhaltung eines Verbaus

Aktenzeichen  2 O 1169/18

Datum:
30.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40849
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 634a Abs. 1 Nr. 2, § 648a Abs. 1 S. 1, § 650 Abs. 1
VOB/A § 1
VOB/B § 12 Abs. 5 Nr. 1, § 16 Abs. 5 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Der Unternehmer, der im Rahmen von Verbauarbeiten einen sog. Berliner Verbau herstellt, ist Unternehmer eines Bauwerks im Sinne des § 648a BGB aF. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Sicherheit nach § 648a BGB aF umfasst auch die Vorhaltung des Berliner Verbaus für den Zeitraum, in dem die Sicherung der Stabilität der Baugrube während der Bauarbeiten zur Errichtung des Gebäudes gewährleistet werden soll. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten der Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit gemäß §§ 648a a.F., 232 ff. BGB für das Bauvorhaben … Hochhaus … in München in Höhe von 76.865,56 Euro zu leisten.
2. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten der Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit gemäß §§ 648a a.F., 232 ff. BGB für das Bauvorhaben … in Höhe von 221.657,24 Euro zu leisten.
3. Die Beklagte wird verurteilt, zugunsten der Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit gemäß §§ 648a a.F., 232 ff. BGB für das Bauvorhaben … in München in Höhe von 10.349,10 Euro zu leisten.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 831,20 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.02.2018 zu zahlen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 339.759,09 Euro vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 308.871,90 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Sicherheiten nach § 648a BGB a.F.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte für alle drei Bauvorhaben gemäß § 648a BGB a.F. einen Anspruch auf Stellung von Bauhandwerkersicherheiten in der jeweils beantragten Höhe.
1. Auf das Sicherheitsverlangen der Klägerin ist § 648a BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung anzuwenden. Nach der in Art. 229 § 39 EGBGB geregelten Übergangsvorschrift zum Gesetz der Reform des Bauvertragsrechts finden auf Schuldverhältnisse, die vor dem 01.01.2018 entstanden sind, die Vorschriften des BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
Da die Verträge für die streitgegenständlichen Arbeiten vor diesem Stichtag abgeschlossen worden sind, findet § 648a BGB a.F. Anwendung.
2. Die Klägerin kann für die Durchführung der Verbauarbeiten Sicherheit nach § 648a BGB a.F. verlangen.
a) Die Klägerin ist Unternehmerin eines Teils des Bauwerks und damit nach § 648a BGB a.F. sicherungsberechtigt. Nach § 648a BGB a.F. kann der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen.
Sicherungsberechtigt ist demnach der „Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon“. Als Unternehmer eines Bauwerks sind Bauhandwerker jeder Art zu verstehen, die im Rahmen eines Werkvertrags Bauleistungen im Sinne von § 1 VOB/A erbringen (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 10. Teil, Rdnr. 111). Nach § 1 VOB/A werden Bauleistungen als Arbeiten jeder Art definiert, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt wird. Wendet man diesen Maßstab an, ist der Unternehmer, der im Rahmen von Verbauarbeiten einen sog. Berliner Verbau herstellt, zweifelsfrei Unternehmer eines Bauwerks. Die Klägerin ist aufgrund von Werkverträgen mit der Erstellung des Berliner Verbaus für die drei Bauvorhaben beauftragt worden. Der Verbau sichert die Baugrube und ermöglicht so die Errichtung des Gebäudes. Zudem hat der BGH bereits mit Urteil vom 24.03.1977 (VII ZR 220/75) entschieden, dass die Ausschachtung einer Baugrube zu den Arbeiten „bei Bauwerken“ gehört, weil auch der Unternehmer, der die Baugrube aushebe, an der mangelfreien Errichtung des späteren Bauwerks mitwirke. Wenn bereits das Ausheben der Baugrube eine bauwerksbezogene Leistung darstellt, muss dies erst recht für die nachfolgende Absicherung der Baugrube durch den Berliner Verbau gelten. b) Das von der Beklagten zitierte Urteil des OLG Hamm vom 24.05.2015 steht dem nach Auffassung der Kammer nicht entgegen. Die Entscheidung ist nicht zu § 648a BGB a.F., sondern zur Verjährungsvorschrift des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB ergangen. Das OLG Hamm hat dort unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform die Auffassung vertreten, dass es sich bei Arbeiten an einem Berliner Verbau nicht um bauwerksbezogene Arbeiten handele, weil Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB sei, dass eine feste Verbindung mit dem Gebäude vorliege. Eine solche Abgrenzung mag für die Einordnung in die zutreffende Verjährungsvorschrift sachgerecht sein. Sie steht jedoch im Widerspruch zu dem Sinn und Zweck der Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB, zur Verbesserung der Zahlungsmoral in der Baubranche Handwerksbetriebe in die Lage zu versetzen, ihre Werklohnforderung effektiv zu sichern (BT-Drucksache 16/511 – Gesetzentwurf des Bundesrates für das Forderungssicherungsgesetz – FoSiG). Der Begriff des „Unternehmers eines Bauwerks“ ist daher weiter auszulegen als im Rahmen des § 634a BGB (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rdnr. 320).
c) Die Sicherheit nach § 648a BGB a.F. umfasst auch die Vorhaltung des Berliner Verbaus für einen bestimmten Zeitraum. Der Berliner Verbau hat den Zweck, die Stabilität der Baugrube zu gewährleisten. Die stabilitätssichernde Funktion des Verbaus besteht auch während der Vorhaltung des Verbaus. Der im Werkvertragsrecht geschuldete Erfolg erschöpft sich daher nicht in der bloßen Errichtung des Verbaus, sondern umfasst die Sicherung der Stabilität der Baugrube während der Bauarbeiten zur Errichtung des Gebäudes. Die Vorhaltung des Verbaus hat daher keinen mietrechtlichen, sondern werkvertraglichen Charakter.
d) Dem steht auch das Urteil der Kammer vom 04.03.2016 (2 O 8641/14, IBR 2016, 397) nicht entgegen. Soweit dort die Kosten der Mehrvorhaltung des Verbaus über die im Vertrag ursprünglich vorgesehene Zeitspanne hinaus nach Mietrecht beurteilt worden sind, beruhte dies auf den Besonderheiten des seinerzeit entschiedenen Falls: Im dort entschiedenen Fall war das Bauvorhaben gescheitert und die Bauarbeiten waren eingestellt. Während der weiteren Vorhaltung des Verbaus nach Einstellung der Bauarbeiten diente der Verbau somit nicht mehr der ursprünglich geplanten Errichtung eines Gebäudes.
3. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung ist zwischen den Parteien unstreitig.
4. Die Klägerin kann neben der geltend gemachten Vergütung auch Sicherheit nach § 648a BGBa. F. in Höhe von weiteren 10% für Nebenforderungen verlangen. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der zusätzlichen Sicherheit in Höhe von 10% ist, dass die Nebenforderungen dem Grunde nach nachgewiesen sind (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, Rdnr. 127). Hiervon kann die Kammer ausgehen, nachdem sich die Beklagte mit dem Ausgleich der streitgegenständlichen Restwerklohnansprüche in Schuldnerverzug befindet. Den Vertragsunterlagen (Anlage K 4, Anlage K 15 und K 22) lässt sich entnehmen, dass die Parteien jeweils die „VOB in der letzten gültigen Fassung“, mithin die Geltung der VOB/B 2012 vereinbart haben. Demnach befindet sich die Beklagte nach Zugang der jeweiligen Schlussrechnung nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B 2012 in Schuldnerverzug.
Im Einzelnen:
a) Bauvorhaben … Hochhaus … in München
Die Beklagte befindet sich nach Zugang der Schlussrechnung vom 24.02.2017 (Anlage K 3) nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B 2012 in Schuldnerverzug. Die für die Fälligkeit der Rechnung und den Verzug zusätzlich erforderliche Abnahme gilt aufgrund der in § 12 Abs. 5 Nr.1 VOB/B 2012 bestimmten Abnahmefiktion bereits 12 Tage nach Zugang der Schlussrechnung als eingetreten, da in der Übersendung der Schlussrechnung zugleich eine Fertigstellungsmitteilung im Sinne von § 12 Abs. 5 Nr.1 VOB/B 2012 liegt. Auf die später erfolgte ausdrückliche Abnahme kommt es insoweit nicht mehr an.
b) Bauvorhaben …
Die Beklagte befindet sich nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung vom 22.09.2017 (Anlage K 14) gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B 2012 in Schuldnerverzug. Die für die Fälligkeit der Rechnung und den Verzug zusätzlich erforderliche Abnahme gilt aufgrund der in § 12 Abs. 5 Nr.1 VOB/B 2012 bestimmten Abnahmefiktion bereits 12 Tage nach Zugang der Schlussrechnung als eingetreten (s.o.). Auf das spätere Abnahmeverlangen vom 18.10.2017 und eine mögliche konkludente Abnahme nach Ablauf einer gewissen Prüffrist kommt es insoweit nicht mehr an.
c) Bauvorhaben … in München
Nach Ablauf einer Frist von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung vom 28.10.2016 (Anlage K 21) befindet sich die Beklagte gemäß § 16 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B 2012 in Schuldnerverzug. Die Abnahme gilt bereits 12 Tage nach Zugang der Schlussrechnung als erfolgt (§ 12 Abs. 5 Nr.1 VOB/B 2012). Auf die Setzung der Frist zur Abnahme mit Schreiben vom 13.12.2016 (Anlage K 20) kommt es insoweit nicht mehr an.
II.
Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten
Die Verpflichtung zur Bezahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 4 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Stellung der Sicherheit nach § 648a BGB a.F. für das Bauvorhaben … in Verzug. Sie hat daher die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen.
Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind gemäß §§ 291, 288 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem Tage nach der Zustellung der Klage wie beantragt mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
III.
Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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