Aktenzeichen M 11 K 15.2972
Leitsatz
1 Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude. Ein Grundstück ist daher regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist. Für die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können auch topographische Verhältnisse, wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse usw.), eine Rolle spielen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch eine Straße, ein Weg oder ein sonstiges Hindernis können je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich haben. Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbarer Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den begehrten Vorbescheid, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.
Der von der Klägerin beantragte Vorbescheid zu der Frage, ob das von der Klägerin geplante Bauvorhaben mit Bauplanungsrecht vereinbar ist, darf nicht erteilt werden, da das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Das Vorhaben befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (nachfolgend 1.) und ist dort nicht zulässig (2. und 3.).
1. Das Vorhabensgrundstück befindet sich nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB), sondern im Außenbereich gemäß § 35 BauGB.
Für die Beurteilung, ob sich ein Grundstück in einem Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB befindet, ist maßgeblich, ob eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung besteht. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, U.v. 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20; B.v. 04.07.1990 – 4 B 103.90 -, BayVBl. 1991, 473). Nach dieser Rechtsprechung ist es erforderlich, dass das betreffende Grundstück selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bildet, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude (BVerwG, U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 -, BauR 1974, 41). Ein Grundstück ist daher regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist. Für die Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich können auch topographische Verhältnisse, wie etwa Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse usw.), eine Rolle spielen. Auch eine Straße, ein Weg oder ein sonstiges Hindernis können je nach den Umständen des Einzelfalls einen Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen Innen-und Außenbereich haben. Die Berücksichtigung solcher äußerlich erkennbarer Umstände kann dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang im Einzelfall nicht am letzten Baukörper endet, sondern dass ihm ein oder auch mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation ergebenden natürlichen Grenze zuzuordnen sind (BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 -, BauR 1991, 308).
Unter Beachtung dieser Grundsätze liegt das Grundstück der Klägerin im Außenbereich (§ 35 BauGB).
Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei dem Weiler E2l … um einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB handelt. Denn selbst wenn das der Fall ist, nimmt das Grundstück der Klägerin nicht an einem bestehenden Bebauungszusammenhang teil. Das Baugrundstück ist allenfalls an zwei, nicht jedoch an den erforderlichen mindestens drei Seiten von zusammenhängender Bebauung umgeben. Es erscheint daher nicht als bloße „Baulücke“, sondern ist im Außenbereich gelegen. Jedenfalls nach Süden und nach Osten ist das Grundstück der Klägerin nicht von Bebauung umgeben. Nach Süden gibt es überhaupt keine in Frage kommende Bebauung. In Richtung Osten sind die Gebäude auf FlNr. 1202 und 1201 Gemarkung E1 … (Häuser … und …) zu weit entfernt, um einen Bebauungszusammenhang herstellen zu können. Die Entfernung zu der dem Vorhabensgrundstück nächstgelegenen Gebäudewand beträgt gemessen aus dem Bayern Atlas Plus etwa 67 m, zum Wohnteil der alten Hofstelle dieser Flurnummer ca. knapp 100 m. Ausgangspunkt für diese Bestimmung der Entfernung ist dabei das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 1203/1 (Haus …) – unterstellt, dieses wäre überhaupt geeignet, einen Bebauungszusammenhang herzustellen – und nicht, wie auf Seiten der Klägerin bei der Argumentation in ihrer Klagebegründung übersehen wird, das fiktive Vorhaben um das es ja gerade geht. Dieser Abstand ist unter Zugrundelegung der Verhältnisse vor Ort und unter Berücksichtigung der Feststellungen im gerichtlichen Augenschein zu groß, um hier einen Bebauungszusammenhang herzustellen. Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass die beiden westlich vom Vorhabensgrundstück bestehenden Gebäude, insbesondere dasjenige auf dem Grundstück FlNr. 1203/1, gar nicht in der Lage sind, einen entsprechenden Bebauungszusammenhang herzustellen, da es sich bei diesen beiden Gebäuden (Häuser … und … auf den Grundstücken FlNrn. 1203/1 sowie 1203/3) selbst um Außenbereichsvorhaben handelt. Denn diese Gebäude stehen nicht in einem Bebauungszusammenhang mit den übrigen, insbesondere nördlich der bestehenden Straße gelegenen Gebäuden des Weilers E2 … Ob diese Straße oder ggf. der Teich in der Mitte des Weilers (FlNr. 1186) eher verbindende oder eher trennende Wirkung hat, kann ebenso offen bleiben. Denn selbst wenn man annehmen würde, dass die Straße bzw. der Teich, der noch dazu nicht auf der Höhe des Vorhabensgrundstücks, sondern etwas nach Westen versetzt davon liegt, das Baugrundstück mit den übrigen Gebäuden nördlich verbinden würde, würde dies wegen der fehlenden zusammenhängenden Bebauung an den übrigen Seiten des Vorhabensgrund stücks nicht zu einer Bejahung eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB führen können.
2. Das Vorhaben ist im Außenbereich nicht zulässig. Da es als Wohnvorhaben nicht privilegiert ist im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB, liegt ein sogenanntes sonstiges Verfahren gemäß § 35 Abs. 2 BauGB vor. Dessen Zulassung ist jedoch nicht möglich, da es öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigen würde. Zunächst liegt eine Beeinträchtigung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB vor, da der Flächennutzungsplan der Beigeladenen Landwirtschaft darstellt. Ebenso sind die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der Feststellungen im gerichtlichen Augenschein kann keine Rede davon sein, dass das Vorhabensgrundstück seine natürliche Eigenart – Landwirtschaft bzw. Erholungsfunktion im Außenbereich – verloren hat. Ebenso bestünde durch die Zulassung des Vorhabens die Gefahr einer Erweiterung einer ohnehin schon bestehenden Splittersiedlung, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Var. 3 BauGB.
3. Auch die übrigen in der Klagebegründung vorgebrachten Gründe ermöglichen keine Zulassung des Vorhabens. Soweit auf die Vorgeschichte verwiesen wird, warum die Klägerin das Grundstück bekommen hat, ist dies unerheblich, ebenso, welche Vorstellungen die an der Hofauseinandersetzung Beteiligten über die Be-baubarkeit des Grundstücks hatten; ebenso wenig folgt aus der Bezeichnung des Grundstücks als „Bau Platz“ in der Messungsanerkennung eine Bebaubarkeit. Schließlich kann die Klägerin auch von den übrigen um das Vorhabensgrundstück herum, zum Teil auf nicht ganz nachvollziehbarer Grundlage genehmigten Wohngebäuden nichts für sich herleiten.
2. 4. Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.