Aktenzeichen Au 7 K 16.1355
WHG § 54
EWS § 3, § 4 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 5, § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 4
GKG § 52 Abs. 1
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer (teilweisen) Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Der Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Gemäß § 5 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Gemeinde O… vom 28.04.1997 (im Folgenden: EWS) sind die zum Anschluss an die öffentliche Entwässerungsanlage Berechtigten dazu verpflichtet, bebaute Grundstücke an diese anzuschließen, es sei denn, der Anschluss ist rechtlich oder tatsächlich nicht möglich (Anschlusszwang).
Gemäß § 5 Abs. 5 EWS ist auf Grundstücken, die an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen sind – wie das des Klägers – dann im Umfang des Benutzungsrechts alles Abwasser in die öffentliche Entwässerungsanlage einzuleiten (Benutzungszwang).
Von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung wird gemäß § 6 Abs. 1 EWS auf Antrag ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist.
Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der EWS sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Der Kläger unterliegt vorliegend dem Anschlusszwang des § 5 Abs. 1 EWS bzw. dem Benutzungszwang des § 5 Abs. 5 EWS. Als Eigentümer eines erschlossenen Grundstücks, ist er zum Anschluss an die öffentliche Entwässerungsanlage gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 2 EWS berechtigt. Das Grundstück ist mit einem Gebäude sowie einem Schwimmbecken im Sinne des § 5 Abs. 3 EWS bebaut. Gemäß § 3 EWSerstreckt sich der Anschlusszwang auf häusliches Abwasser.
a) Das aus dem Schwimmbecken abzuleitende Wasser stellt Abwasser im Sinne des § 54 Abs. 1 WHG bzw. § 3 EWS dar.
Wasser, das zum Baden benutzt wird, ist Schmutzwasser im Sinne von § 54 Abs. 1 WHG. Abwasser ist danach das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser). Gebrauch in diesem Sinne ist jede bewusste Verwendung von – vom Naturhaushalt abgesondertem – Wasser. Das bedeutet, das Wasser muss zur Verfolgung bestimmter Zwecke nicht nur gehandhabt, sondern auch tatsächlich eingesetzt werden. Häuslicher Gebrauch richtet dabei den Fokus auf die Verwendung innerhalb privater Haushaltungen (vgl. A.I.1 des Anhangs 1 zur AbwV). Dies umfasst z.B. das Trinken, Kochen, Waschen, Spülen, Baden sowie die Nutzung für die Schwemmkanalisation (WC-Spülung); (vgl. Nisipeanu in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 1. Aufl. 2011, § 54 Rn. 9).
Im Unterscheid dazu, ist gemäß § 3 EWS die Satzung nicht anwendbar auf für das in landwirtschaftlichen Betrieben anfallende Abwasser, einschließlich Jauche und Gülle, das dazu bestimmt ist, auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht zu werden, so dass diesbezüglich entgegen der Ansicht des Klägers schon keine Vergleichbarkeit vorliegt. Insbesondere spielt es auch keine Rolle, ob der Kläger das Grundstück landwirtschaftlich verpachten könnte und dann das Aufbringen von Jauche und Gülle zulässig wäre, da bisher keine landwirtschaftliche Nutzung stattfindet.
Es ist weiter auch unerheblich, ob das Wasser, wie der Kläger vorträgt, tatsächlich „unbehandelt“ ist, oder ob Reinigungs- bzw. Desinfektionsmittel oder sonst chemische Zusätze beigegeben werden. Denn jedenfalls wird das Wasser bereits durch den Badenden selbst verunreinigt, beispielsweise durch Auswaschung von in der Badekleidung vorhandenen Waschmittelrückständen.
Der Kläger trägt zudem vor, das Wasser nur einmal jährlich auszutauschen. Aufgrund dieser langen Standzeit ist davon auszugehen, dass es sich schon durch organische Belastungen in seiner Eigenschaft verändert. Im Hinblick darauf trägt der Kläger selbst vor, dass sich teilweise Algenansatz bildet und das Becken dann entleert wird. Wie oft dies tatsächlich der Fall ist, ist ebenso unerheblich, da das Wasser jedenfalls vor jeder Entleerung des Beckens organisch belastet ist und somit Abwasser darstellt.
b) Der Anschluss des Schwimmbeckens ist rechtlich und tatsächlich möglich – sei es auch mit Hilfe einer zu errichtenden Hebeanlage zur Überwindung des Höhenunterschieds von ca. fünf Metern. Wenn nämlich zum Kanal kein natürliches Gefälle besteht, kann die Gemeinde gemäß § 9 Abs. 4 EWS vom Grundstückseigentümer den Einbau und Betrieb einer solchen Hebeanlage verlangen, wenn ohne diese Anlage eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abwässer bei einer den Regeln der Technik entsprechenden Planung und Ausführung des Kanalsystems nicht möglich ist.
Der Beklagten kann insoweit nicht vorgeworfen werden, kein ordnungsgemäßes Ermessen ausgeübt zu haben. Zum einen steht nicht fest, dass die Errichtung einer Hebeanlage tatsächlich erforderlich ist. Zwar wird dies vom Kläger behauptet, jedoch in keiner Weise belegt. Insbesondere befindet sich das streitgegenständliche Schwimmbecken direkt neben dem an die öffentliche Kanalisation angeschlossen Gebäude (vgl. das entsprechende Luftbild auf S. 51 der vorgelegten Behördenakte). Das Gebäude ist jedoch unstreitig an die gemeindliche Kanalisation angeschlossen, ohne dass es einer Hebeanlage bedürfte, so dass es zumindest sehr zweifelhaft erscheint, ob für die Einleitung des Abwassers aus dem Schwimmbecken tatsächliche eine Hebeanlage erforderlich ist. Da die Beklagte in ihrem Bescheid im Hinblick auf die unsichere Tatsachengrundlage auch nicht die Errichtung einer solchen Hebeanlage angeordnet hat, mussten hierzu auch keine Ermessenserwägungen erfolgen.
c) Zum anderen besteht auch kein Anspruch auf eine (Teil-)Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm sind vorliegend nicht erfüllt.
Gemäß § 6 Abs. 1 EWS wird von der Verpflichtung zum Anschluss oder zur Benutzung auf Antrag ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss oder die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist.
Ob der Anschluss und die Benutzung aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls im Einzelfall nicht zumutbar sind, beurteilt sich anhand einer Abwägung des privaten Interesses an der Befreiung mit den öffentlichen Belangen. Damit wird sowohl dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen als auch dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums, das durch den Anschluss- und Benutzungszwang betroffen ist (Art. 14 GG; siehe auch BayVGH U.v. 24.7.1997 – 23 B 94.1935 – juris).
Gemessen daran, sind hier stichhaltige Unzumutbarkeitsgründe nicht ersichtlich. Der Anschluss an die Entwässerungseinrichtung der Beklagten und deren Benutzung sind für den Kläger auch im Hinblick auf das Schwimmbecken zumutbar.
Wie dargestellt, stehen zunächst keine tatsächlichen bzw. technischen unüberwindbaren Hindernisse entgegen. Die mögliche Notwendigkeit einer Hebeanlage stellt keinen Befreiungstatbestand dar, sondern resultiert vielmehr aus dem Anschlusszwang des § 5 Abs. 1 EWS.
aa) Ebenso sind keine Anhaltspunkte für unzumutbar hohe Kosten gegeben, die zur Befreiung nach § 6 Abs. 1 EWS führen. Zwar ist anerkannt, dass die Höhe der Kosten im Einzelfall eine Befreiung begründen kann. Dies gilt aber nur dann, wenn diese in keinem tragbaren Verhältnis zum Wert des Grundstücks stehen (BayVGH B.v.15.10.2008 – 4 ZB 08.483 – juris, m.w.N.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner diesbezüglichen Entscheidung Kosten in Höhe von rund 26.000 Euro im Verhältnis zu einem Grundstückswert von ca. 80.000 Euro nicht als unverhältnismäßig betrachtet. Dabei machen die Anschlusskosten ca. 32,5 Prozent des Grundstückswertes aus.
Das Grundstück des Klägers ist teilweise bebaut und wird zu Erholungszwecken an einigen Wochenenden im Jahr genutzt. Hier ist nicht ersichtlich, dass die Anschlusskosten gänzlich außer Verhältnis zum Wert bzw. zur Nutzung des Grundstücks stünden. Durch den Anschluss des Schwimmbeckens an die öffentliche Abwasseranlage erhält es dauerhaft, gesichert eine erfahrungsgemäß auch im Rechtsverkehr wertbestimmende Erschließungssituation. Selbst GesamtAnschlusskosten in der vorliegenden Größenordnung für ein baulich genutztes, in nicht unerheblichem Umfang Abwasser „produzierendes“ Anwesen können nicht als außergewöhnlich hoch angesehen werden. Angesichts der Größe des Grundstücks von 8.000 m² kann davon ausgegangen werden, dass sein Wert die möglichen Kosten für eine Hebeanlage und das hierfür notwendige Rohrsystem, unterstellt die Errichtung einer solchen Anlage ist überhaupt notwendig, in Höhe von 15.000 Euro bei weitem übersteigt. Nach den Bodenrichtwerten für das Gemeindegebiet der Beklagten liegt der Preis für den Quadratmeter für Wohnbauflächen bei 200 Euro und für landwirtschaftliche Flächen bei sechs Euro. Selbst, wenn man den niedrigsten Preis für landwirtschaftliche Flächen zugrunde legt – was vorliegend zweifelsfrei sehr viel zu niedrig angesetzt wäre, da die Wohnbebauung bei einer Wertberechnung mit berücksichtigt werden müsste – würden Kosten für eine Hebeanlage von 15.000 Euro nur 31,25 Prozent des Grundstückswertes (dann 48.000 Euro) ausmachen. Von einer Unverhältnismäßigkeit kann also in keinem Fall ausgegangen werden.
bb) Auch sonst spricht nichts für die Unzumutbarkeit des Anschlusses des streitgegenständlichen Schwimmbades an die gemeindliche Kanalisation. Die Tatsache, dass sich das Grundstück im Außenbereich befindet, kann allein kein Grund für einen Anspruch auf Teilbefreiung darstellen. Insbesondere, wenn man die vom Kläger zitierte Ziffer 8 des Merkblatts 4.5/8 des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft (Stand: 01.08.2000) heranzieht, wonach eine anderweitige Entsorgung des Abwassers (also auch eine „Verrieselung“) möglich sein soll, wenn es sich um Einzelanwesen im Außenbereich ohne Kanalanschluss handelt. Das klägerische Grundstück liegt zwar im Außenbereich, verfügt aber unstreitig über einen Kanalanschluss. Aus Sinn und Zweck dieser Regelung lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Grundstücke im Außenbereich, die bereits über einen Kanalanschluss verfügen, diesen grundsätzlich auch zur Entsorgung allen Abwassers benutzen sollen.
cc) Auch dass das Anwesen und das Schwimmbecken nur selten genutzt werden, kann hier keine besonderen Umstände begründen. Dies liegt allein im Verantwortungsbereich des Klägers und kann sich jederzeit ändern.
dd) Die Tatsache, dass eine genügend große Fläche zur Verrieselung zur Verfügung steht, kann hier auch nicht für einen Befreiungsanspruch des Klägers streiten. Zum einen, weil ebenso bereits ein Kanalanschluss zur Verfügung steht. Zum anderen, weil die erforderliche Genehmigung zum Verrieseln des Abwassers laut Stellungnahme vom 24. Juni 2015 (Bl. 31 d.A.) des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth, dessen Auskunft insoweit besondere Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH B.v. 7.3.2016 – 8 ZB 14.2628 – juris), nicht erteilt werden würde und insoweit eine Verrieselung – sofern sie denn überhaupt erfolgt – bisher ohne Zustimmung erfolgt.
ee) Insbesondere ergibt sich auch kein schlüssiger Anhalt dafür, dass mit dem hier angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang in sachwidriger, dem Gesetz zuwiderlaufender Weise rein wirtschaftliche Interessen verfolgt würden.
ff) Auch für eine sonst willkürliche Handhabung von Befreiungen durch die Beklagte ist nur unsubstantiiert insoweit vorgetragen, dass es im Gemeindegebiet noch weitere Schwimmbäder gebe, die beanstandungslos ihr Abwasser verrieseln würden. Hierzu hat die Beklagte glaubhaft vorgetragen, dass sie keinen Überblick darüber habe, wie viele Schwimmbäder im Gemeindegebiet unterhalten würden, da diese im Regelfall genehmigungsfrei errichtet werden dürfen (vgl. Art. 57 Nr. 10 Bayerische Bauordnung/BayBO). Wenn die Beklagte, nachdem sie von einem nicht ordnungsgemäßen Zustand erfahren hat, anlassbezogen dagegen vorgeht, stellt dies keine Willkür dar.
Nach alledem überwiegt im Rahmen der Interessenabwägung somit das öffentliche Interesse des möglichst flächendeckenden Anschlusses an die öffentliche Kanalisation. Dafür spricht auch die Bedeutung der kommunalen Abwasserbeseitigung als eine Pflichtaufgabe der Gemeinden, Art. 34 Abs. 1 BayWG. Der bestmögliche Schutz des Grundwassers und der Volksgesundheit wird nämlich durch regelmäßig kontrollierte öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen erreicht.
Der Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich des streitgegenständlichen Schwimmbeckens bzw. die Nichterteilung der Befreiung ist demnach nicht unverhältnismäßig.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGOi. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.